Inner- und zwischenstaatliche Gewalt

von Prof. Dr. A. Bauer

Ein Vorzug bleibt uns ewig unverloren,

Man nennt ihn heut die Nationalität;
Sie sagt: daß irgendwo ein Mensch geboren

Was freilich sich von selbst versteht.

(Grillparzer 1791 - 1872)

 

"Die Macht ist böse an sich" (Jakob Burckhardt). Für viele friedliche Zeitgenossen Anlaß, jeder Art von Macht kritisch gegenüberzustehen; für manche aber auch Anlaß, jede Form von Gewalt grundsätzlich ab­zulehnen. Letztere Zeitgenossen stehen allerdings dem neuerlichen Blutvergießen in Jugoslawien und sonstwo wie eh und je hilflos ge­genüber.

Die Schlüsselbegriffe Macht, Gewalt -- Grundlagen jeder Politik -- sind nicht nur bei uns recht verschwommen. So sprach auch z.B. V. Havel von der "Macht der Machtlosen". Schon Hannah Arendt forderte hier einen präziseren Sprachgebrauch ("Macht und Gewalt", Serie Piper 1970).

Die überwiegende Mehrheit nachdenkli­cher Menschen ist davon überzeugt, daß es ohne eine legale Staatsgewalt nicht geht. Das böse Wort Gewaltmonopol ist in einer echten Demokratie ohnehin ent­schärft, denn sie hat eine Gewaltentei­lung, eine Teilung in gesetzgebende, rechtsprechende und vollziehende Ge­walt mit gegenseitiger Kontrolle. Dieses geniale Prinzip bietet uns allerdings heute erst relativ kleine Inseln friedli­chen Zusammenlebens. Zwischenstaat­liche Gewalt beruht heute noch weitge­hend auf Faustrecht und ist "böse an sich". Johan Galtung erkannte sogar, daß "Demokratien bislang öfter Kriege ge­führt haben als Nicht-Demokratien".

Gegen den oft blutigen Zusammenprall von Nationalismen helfen offenbar nur übernationale Einigungswerke. Nur sie können die nationalistischen Denkmu­ster überwinden. Der nationale Wahn ist leider oft noch so beherrschend, daß möglichst jeder junge Mann zum Kriegsdienst auszubilden ist und unsin­nig viel Steuergelder für Rüstung ver­pulvert werden. Von dem Entwick­lungsprozeß zu immer größeren Ver­bänden darf ich einige typische Statio­nen präsentieren:

Meinen Großvater "rief" das Vaterland Bayern gegen Preußen Anno 1866. Mich "rief" das Vaterland Deutschland 1939 gegen Frankreich (u.a.). Er hätte für das Töten von Preußen, ich habe für das Töten von Franzosen (u.a.) einen militärischen Orden bekommen. Heute ist es eher die Nato, die "ruft", aber kaum ein Deutscher ist noch motiviert, diesem "Ruf" zu folgen.

Ein Einwand gegen den Zusammen­schluß zu immer größeren Verbänden ist die berechtigte Furcht vor noch mehr Machtkonzentration. Einer Machtanhäu­fung auf höherer politischer Ebene kann aber und muß begegnet werden durch Demokratisierung, Subsidiarität, Kon­föderation. Der übergeordneten Ge­meinschaft sind mit Gewaltenteilung nur die Aufgaben zuzuteilen, die von der untergeordneten nicht erfüllt werden können. Es gibt zudem eine breite Pa­lette von Schlichtungsmöglichkeiten ohne Waffeneinsatz, wie sie z.B. im Golfkrieg nicht voll ausgeschöpft wur­den.

Schlußfolgerung
Die Forderung, als Endziel eine UNO zu schaffen, deren Resolutionen nicht be­liebig mißachtet werden können, son­dern die sich mit demokratischer Legi­timation durchsetzen kann, steht nicht nur mit christlicher Ethik im Einklang, sondern wird auch vom Club of Rome gestellt (Die globale Revolution, Spiegel Spezial 1991, Seite 83). Er fordert auch als erste Dringlichkeit "Schwerter zu Pflugscharen". Nur für "eine Art Welt­polizei ist der notwendige Restbedarf an Waffen zuzulassen".

Könnte dies nicht auch für unsere Frie­densbewegung eine gemeinsame Posi­tion werden?

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