Jäger 90 und die Tiefflüge

von Hans Rondi

Der Widerstand gegen das Rüstungsmonster Jäger 90 hat durch die Tiefflugabstürze der letzten Wochen zusätzlichen Schub erhalten. Der Ausstieg aus diesem Wahnsinnsprojekt ist noch möglich!

Nach wie vor ist das Projekt Jäger 90 in Regierungs- und Militärkreisen umstritten. Nicht umstritten ist es in der Bevölkerung: Die Mehrheiten, die diese Kampfmaschine eindeutig, ohne wenn und aber, ablehnen, wachsen von Umfrage zu Umfrage. Es ist der Bevölkerung nicht einsichtig zu machen, daß nach umfassender einseitiger Abrüstungs-Vorleistung der Sowjetunion ein solches 100-Mrd-Projekt Sinn ha¬ben soll, zumal die Leistung für Gesundheits-, Sozial-, Renten- und Bildungswesen radikal gekürzt werden. Die Forderungen aus Kirchen und Gewerkschaften und den Sozialausschüssen nach einem staatlichen Programm zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen werden nicht einmal zur Kenntnis genommen. Im Aufruf zum Ostermarsch Ruhr heißt es "Allein die Beschaffung des 'Jäger 90' wird mindestens 100 Mrd kosten, 250-mal mehr als für den Strukturwandel des Ruhrgebiets (ganze 0,4 MRD DM) von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt wurde."
Die Protestaktionen, die überall im Land nach Remscheid und Ramstein gegen Tiefflüge und Militärspektakel in der Luft stattfinden, richten sich auch gegen diese Kampfmaschine. Sehr zu recht, auch wenn der Jäger 90 nicht in erster Linie für den Tiefflug vorgesehen ist: Er soll die tieffliegenden Tornado-Bomber ins "Feindesland" begleiten und gegen Abfangjäger schützen und ist somit Bestandteil der aggressiven Militärstrategie der NATO. Die dem Militär und der Rüstungsindustrie nahestehende "Europäische Wehrkunde" erklärt: "Es gibt zum bemannten Kampfflugzeug heute und in der Zukunft keine realistische Alternative, wenn es gilt, mobile Ziele in der Tiefe des feindlichen Hinterlandes zu bekämpfen." Der derzeitigen NATO-Konzeption der Luft"Verteidigung" werden unter dem Schlagwort "Offensive Counter Air" geführt und meinen den Schlag gegen Flugplätze, Versorgungseinrichtungen und nachrückende Truppen eines vermeintlichen "Feindes" aus dem Osten Der Pressedienst ppp erläutert die Risiken dieser Konzepte; Sie seine "extrem zeitkritisch, Wer zuerst zuschlägt, kann die gegnerische Luftwaffe am Boden halten. OCA-Optionen verringern wesentlich die Krisenstabilität." Auch bei Militärs ist jedoch umstritten, ob diese Strategie überhaupt noch Sinn macht. Auch das Unterfliegen des Radars ist angesichts der neuen Möglichkeiten der Luftaufklärung keine Garantie mehr dafür, unentdeckt zum Ziel zu kommen. Luftaufklärungssysteme wie AWACS, Satellitenradare und radarbestückte Jagdflugzeuge machen solche Überlegungen hinfällig. Aber anstatt nun eine so orientierte Strategie zu ändern, führt das Festhalten daran zu so wahnwitzigen Projekten wie Jäger 90, als seien so die Tornados im Einsatz zu schützen. Ex-General Schmückle bezeichnet z. B. den Jäger 90 als Fehlinvestition und stellt fest, daß bei seiner Indienststellung die Gegenseite zielsuchende Raketenwerfer zu seiner Vernichtung schon bereitgestellt haben werde. Nun sind die Überlegungen eines Schmückle keineswegs die der Friedensbewegung, aber sie zeigen doch auf, auf welch tönernen Füßen die Argumente der Militärs sowohl für die Beibehaltung der Tiefflüge wie auch für neue Rüstungsprojekte wie Jäger 90 stehen.
Nun wäre das Projekt Jäger 90 im Herbst fast gescheitert an der Weigerung Spaniens, ihren Anteil von 13% an den Entwicklungskosten zu übernehmen. Für den Fall hatte die FDP-Fraktion ihr "nein" schon angekündigt und selbst Staatssekretär Willi Wimmer (damals Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) hatte für den Fall erklärt, dann müsse das Projekt "natürlich neu überdacht " werden. Die Zustimmung Spaniens ist dann von Bonn erkauft worden mit der Zusage, Industrieaufträge in anderen Branchen in Milliardenhöhe - ohne eine Kennziffer zu nennen an spanische Firmen zu erteilen.
Aber ein Ausstieg ist auch jetzt, und jederzeit, möglich. Nach einem von der SPD-Fraktion erstelltem Rechtsgutachten ist der sogenannte "Point of no return" nicht überschritten, wie vielfach behauptet wird. Da sich die Ver¬träge immer nur auf die jeweilige Programmphase beziehen (aktuell: Entwicklungsphase), ist kein Teilnehmerstaat gezwungen, an der nächsten Programmphase teilzunehmen. Die Bundesrepublik kann sich, wie jeder andere Teilnehmerstaat auch, nach der Entwicklungsphase zurückziehen, ohne Entschädigung leisten zu müssen. Der Rücktritt vom Vertrag ist aber auch während der laufenden Entwicklungsphase möglich. Schlimmstenfalls müßte sie hierbei den noch nicht verausgabten Rest des bundesdeutschen Anteils an den Entwicklungskosten in Höhe von 5,8 Mrd DM als Kompensationsaufträge zur Verfügung stellten. Nirgendwo steht geschrieben, daß sich das nur auf Rüstungsgüter zu beziehen habe.

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Hans Rondi ist Mitglied des Bundesvorstandes der Deutschen Friedens-Union (DFU).