Jugendliche vor dem Zukunftsloch?

von Martin Singe
Hintergrund
Hintergrund

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat eine jugendpolitische Erklärung mit dem Titel "Das Zukunftsloch - Loccumer Manifest für eine Politik im Interesse von Kindern und Jugendlichen" veröffentlicht. Das Manifest war im Rahmen einer Fachtagung "Jugend, Politik und Demo­kratie", die das Komitee für Grundrechte und Demokratie in Koopera­tion mit der Evg. Akademie Loccum Ende November veranstaltet hat, diskutiert und anschließend überarbeitet worden.

Ziel des Manifestes ist es, eine neue po­litische Jugenddebatte anzustoßen, die die gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine im Interesse der Jugendlichen gestaltungsoffene Zukunft reflektiert. Statt immer wieder das Bild einer pro­blematischen und gewaltbereiten Ju­gendszene zu skizzieren, muß der Blick auf die gesellschaftlichen Umstände gelenkt werden, denen die Jugendlichen durch die Politik der Erwachsenengene­ration ausgesetzt sind. Die herrschende Politik tut alles, um Jugendlichen Zu­kunft zu verbauen und Lebenschancen zu verstellen. Die gegenwärtige Lebens­situation der jungen Generation ist zu einem großen Teil von Armut, Arbeits­losigkeit, Lehrstellenmangel und Bil­dungsdefiziten geprägt. Die Erwachse­nengeneration hat ihr Leben wissentlich auf Kosten der Zukunft eingerichtet, das reicht vom angehäuften Schuldenberg bis zum zerstörerischen Raubbau an der Umwelt. Jugendliche spielen dabei nur noch als Objekte eine Rolle, ihre opti­male Anpassung an das marktorientierte Konkurrenzprinzip ist das Ziel.

Der exotisierende Blick der Jugendde­batten um divergierende Lebensstile und -kulturen von Jugendlichen lenkt dabei ab vom viel zentraleren Problem der durch den Konkurrenzkampf produ­zierten ungleichen Lebensbedingungen und -chancen von Jugendlichen. Immer mehr Jugendliche bleiben auf der Strecke, werden an den Rand gedrängt und Opfer der neuen Armut und zuneh­mender Arbeitslosigkeit. Ausländische Jugendliche sind dabei in mehrfacher Hinsicht diskriminiert.

Daher ist eine neue Jugenddebatte ge­boten, die mit den Jugendlichen selbst zu führen ist und sich auf deren Zu­kunftschancen bezieht. Nur wenn die Erwachsenen selbst bereit sind, ihre Pri­vilegien in Frage zu stellen und sich für eine gestaltungsoffene Zukunft einzu­setzen, können sie glaubwürdig mit ju­gendpolitischen Initiativen kooperieren und beispielhafte gemeinsame Aktions­formen entwickeln. Soziale Phantasie ist gefragt, um eine neue jugendpolitische Offensive in der gesellschaftlichen De­batte zu eröffnen.

Das Manifest geht u.a. auch auf die Be­deutung des Militärs für Jugendliche ein und merkt hierzu an: "Kaum mehr zur Kenntnis genommen wird, daß das Mi­litär nach wie vor eine außerordentlich bedeutsame Sozialisiationsinstanz für männliche Jugendliche ist. Das funda­mentale Paradox lautet: Junge Männer sollen zur Gewaltfreiheit erzogen wer­den, aber zugleich als Soldaten fähig und bereit sein zu töten. Kriegsdienst­verweigerer werden erneut als egoisti­sche Drückeberger abgekanzelt. Total­verweigerer, die mit dem Prinzip der Gewaltfreiheit ernst machen, werden kriminalisiert.

Von der aktuellen Militarisierung der Außenpolitik sind Jugendliche am ärg­sten betroffen. Sie sollen künftig ihre Knochen hinhalten. Dies ist der schlimmste Raubzug gegen die Jugend, dürftig schmackhaft gemacht mit der Bundeswehrwerbung von "Freiheit und Abenteuer". Glücklicherweise geht die Rechnung (noch) nicht auf. Nie zuvor haben mehr junge Männer den Kriegs­dienst verweigert, auch die Zahl der Totalverweigerer steigt an."

Martin Singe arbeitet beim Komitee für Grundrechte und Demokratie

Das vollständige Manifest zur Ju­gendpolitik (20 S., DIN A 5) kann bestellt werden beim Komitee für Grundrechte und Demokratie, Bis­marckstr. 40, 50672 Köln (Vorkasse: einzeln DM 2,50, 10 Ex. DM 12,-)

 

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".