Programme zur Demobilisierung und Reintegration von Kindern in der DR Kongo

Kinder reintegrieren

von Redaktion FriedensForum

Allgemeine Merkmale und Bedingungen eines Konzeptes für „Abrüstung, Demobiliserung, Reintegration und Wiedereinfügung

Sogenannte ‚DDR(R)’ (für das englische Disarmament, Demobilisation, Reintegration and Reinsertion, manchmal auch nur DDR für die ersten drei Begriffe“) Konzepte gehen davon aus, dass nach einem Bürgerkrieg eine hochgradig militarisierte Gruppe von Kämpfern noch unter Waffen steht und dass deren Entwaffnung sowie Demobilisation eine Voraussetzung für die Beendigung der gewaltsamen Konfliktaustragung darstellt.

Im Allgemeinen geht es um Maßnahmebündel, die zunächst kurzfristige Sicherheits- und Stabilisierungseffekte induzieren, um danach langfristig wirksame Voraussetzungen für umfassende Reformen oder Konversionsprogramme zu schaffen.

Der Erfolg von DDR(R)-Programmen ist abhängig von verschiedenen Rahmenbedingungen, die vor allem eine internationale Unterstützung sowie hinreichende Finanzierung und Zeiträume umfassen. Vor allen die Einstiegsphase mit der Entwaffnung entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg des Programmes. In dieser Situation müssen unmittelbar diverse Angebote für die ehemaligen Kämpfer gemacht werden: Schulungen, arbeitsintensive Maßnahmen und die zuverlässige Eröffnung von Perspektiven für ein sicheres ziviles Leben.

Insgesamt handelt es sich bei der Zielgruppe um eine sehr heterogene Gesamtheit, deren Bedürfnisse sehr unterschiedlich sind. Die Reintegrations- bzw. Wiedereinfügungsaufgabe umfasst ein großes Maßnahmebündel zur sozialen, wirtschaftlichen und politischen Eingliederung der zuvor an kriegerischen Handlungen Beteiligten. . Über den Erfolg der Angebote und Maßnahmen im Bereich der Reintegration entscheidet jedoch nicht zuletzt die Wiederaufnahmebereitschaft bzw. -fähigkeit der Zivilgesellschaft.

Aus der Konzeption eines Programms sollten auch spürbare Wirkungen für die Zivilgesellschaft resultieren. Die Problematik der kritischen Bemerkung, „dass Gewalttäter (durch die Programme und Angebote von Fördermaßnahmen) auch noch belohnt werden“, ist nicht von der Hand zu weisen.

Im nachfolgenden Abschnitt soll die Situation in der DR Kongo insbesondere im Hinblick auf die Demobilisierung der Kindersoldaten im Nordost-Kongo aufgezeigt werden.

Das staatliche Demobilisierungs- und Reinsertionsprogramm CONADER und dessen Bezug zu Kindern
Im Dezember 2003 wurde die staatliche Demobilisierungsbehörde Commission Nationale de Désarmement, Démobilisation et Réinsertion (CONADER für Nationale Kommission der Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration) ins Leben gerufen, um ein DDR(R)-Programm für Erwachsene und Kinder durchzuführen. Zielsetzung war die Entwaffnung und Demobilisierung sowie die soziale und ökonomische Wiedereingliederung  von 150.000 Ex-Kombattanten, unter ihnen ca. 33.000 Minderjährige (unter 18 Jahren). Voraussetzungen für den Zugang zum Programm waren: 

  • kongolesische Nationalität,
  • Besitz einer Waffe oder eines Zertifikates, unterschrieben von „autorités compétentes“ (‚kompetenten Autoritäten’), auch bei freiwilliger bzw. spontaner Entlassung
  • Beweis der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Gruppe,
  • Beweis der Beteiligung am Konflikt in der DR Kongo zwischen Oktober 1996 und Mai 2003.

Das Programm sah drei Phasen vor:
1.      Information und Orientierungshilfe für den Ex-Kombattanten beim Eintritt in das Programm.

2.      Einbeziehung in Aktivitäten wie Schulung, Ausbildung oder bezahlte Arbeit (Cash for Work) bzw. Unterstützung bei der Schulausbildung sowie eine Auszahlung von25 $ über 12 Monate.

3.      Ein so genanntes “security kit” in Höhe von 110 $, ausgezahlt als Starthilfe für einen eigenen Beruf bzw. Arbeitsaufnahme.

Der Weg der Entscheidung zwischen dem militärischen und dem zivilen Leben führte sodann durch zwei Stationen. Während der Weg der zukünftigen Angehörigen der FARDC in Trainingscamps der Armee führt, war für die Rückkehrer ins zivile Leben ein offizielles Zertifikat vorgesehen, das den Zugang zum weiteren Programm garantierte.

Der DDR-Prozess ist jedoch auf viele Schwierigkeiten getroffen.

Das nationale DDR Programm war zunächst vor allem für Erwachsene konzipiert worden. Aber die Reintegration von Kindern ist ein Langzeitprozess, der auch die Entwicklung von Möglichkeiten zum Schutz von Kindern auf kommunaler Ebene vorsehen muss. Wohl auch dieser Einsicht folgend und mit Bezug auf die entsprechenden Notwendigkeiten wurde im Mai 2004 der ‚Operative Rahmen’ (Operational Framework for Children Associated with the Armed Forces and Groups) entworfen, um Kindersoldaten den Weg ins zivile Leben zu ebnen. Nach der Demobilisierung sollten die Kinder ebenso wie die Erwachsenen durch die so genannte Übergangs-Versorgungsstrukture (structure d’encadrement transitoire- SET) aufgefangen werden, die von internationalen oder lokalen NROs geleitet werden. Darauf sollte der Aufenthalt im Transit- und Orientierungszentrum (Centre de Transit et Orientation, CTO) folgen, wovon es offiziell 45 gibt. Die meisten dieser Zentren sind jedoch kaum funktionsfähig. Der Aufenthalt soll meistens drei Monate dauern. Während dieser Zeit soll sich um medizinische Versorgung gekümmert werden, ein Schulbesuch oder eine Ausbildung soll angefangen werden, wenn möglich den Wünschen des Kindes entsprechend. Nach dem Besuch des Transitzentrums bekommen die Kinder ein offizielles Zertifikat ("attestation de sortie") das sie als demobilisiert ausweist. Als alternative Option war die Unterkunft bei Gastfamilien vorgesehen, die die Möglichkeit haben, sich direkt um das Kind zu kümmern, bevor es in seine Ursprungsgemeinschaft zurückkehrt..

Die ehemaligen Kindersoldaten fühlen sich jedoch durch das CONADER-Programm ausgegrenzt. Dies ist durchaus verständlich; denn während es für erwachsene ehemalige Kämpfer eine einmalige Zahlung von 110 Dollar US sowie 25 $ über 12 Monate gibt, erhalten die minderjährigen Demobilisierten keine solche monetäre Starthilfe.

Viele der ehemaligen Ex-Kombattanten wollen jetzt lieber in der neuen Armee dienen und nicht entwaffnet sowie in die Zivilgesellschaft reintegriert werden. Viele sehen sich benachteiligt, es herrscht Frustration und Enttäuschung.

Viele können nicht lesen und schreiben und finden keine Arbeit, nach zum Teil 10 Jahren Milizenleben haben sie Angst vor einer Rückkehr ins Dorf; sie haben Angst vor Stigmatisierung, eine Last für die Familie zu sein oder einfach nur wieder als Kind behandelt zu werden (vgl. Amnesty 2006, S. 16 ff.).

Zwischen September 2004 und April 2005 wurden insgesamt 2.914 Kinder aus den kämpfenden Einheiten entlassen, davon fast 20% Mädchen. UNICEF verlieh in diesem Zusammenhang der Sorge Ausdruck, dass nur sehr wenige Mädchen überhaupt entlassen wurden.

Ende 2006 waren laut CONADER 19.054 Kinder offiziell demobilisiert. Weiterhin musste die Kommission eingestehen, dass die übrigen Geldmittel (50 Mill. US-$ ) von nun an nur für Maßnahmen der Reintegration zur Verfügung ständen und dass Aktivitäten im Rahmen der Demobilisierung suspendiert werden müssten. Nach zwei Jahren Laufzeit waren also noch mindestens 11.000 Kinder in bewaffneten Einheiten.

Obwohl also die kongolesische Regierung und die meisten bewaffneten politischen Gruppen seit 2001 formell in der Demobilisierung von Kindersoldaten engagiert sind, war der wirkliche Erfolg leider bescheiden, vor allem weil der Konflikt im Osten des Landes zum Teil weiter Bestand hatte. Im Jahre 2004 waren ca. 900 Kindersoldaten von der Regierung und ca. 1.000 aus Milizeneinheiten mit der Hilfe von NRO´s demobilisiert worden. Jedoch war die Wieder-Rekrutierung sehr hoch und viele Initiativen waren eher public-relations ohne den rechten Willen zur Realisierung.

Der Autor wünscht aus beruflichen Gründen anonym zu bleiben. Seine Identität ist der Redaktion bekannt.

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