Rede von Joseph Weizenbaum bei der Kundgebung der Friedensbewegung in Berlin am 13. Oktober.

...lügt oder ist dumm.

von Joseph Weizenbaum
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Ich komme hier als Amerikaner und spreche gegen Krieg und gegen Terror.

Ich freue mich, hier zu sein, obwohl ich am liebsten zu meinen eigenen Landsleuten sprechen würde. Es gibt in diesen Tagen viele Massendemonstrationen, auch in Amerika, gegen den Wahnsinn, Terror mit Terror zu bekämpfen.

Ich möchte meinen eigenen Landsleuten sagen, dass es immer Menschen geben wird, die aus Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und ihrer eigenen Art von Idealismus zu Gewalt greifen, um irgendwie die Wurzeln ihres Leidens auszurotten. Wir mögen sie Terroristen nennen. Andere sehen sie vielleicht als "Freedom fighters".

Aber letzten Endes sind sie unsere Mitmenschen.

Sie leben inmitten unserer Kommunen in dieser unserer kleinen Welt. Oder ist es mehr realistisch zu sagen: "Sie leben neben uns"?

Als Amerikaner denke ich an Amerikas große Städte: New York, Detroit, Chicago, Los Angeles. Sie sind Mikrokosmen unserer Erde, unserer Situation. Dort leben die Armen, Amerikas Unterklasse, Amerikas Millionen Hoffnungslose, Amerikas verzweifelte Jugend.

Sie leben nicht inmitten der Bevölkerung, inmitten ihrer Städte, sondern in nächster Nähe, neben den Wohlhabenden, den Reichen, den Ultrareichen.

Letzten Endes gibt es nur zwei alternative Wege, ihren Hunger für Gerechtigkeit zu stillen:

Einer ist, die aus unserer Welt Ausgestoßenen zu vernichten. Krieg gegen sie bis zum bitteren Ende. Genozide.

Der andere: ihr Recht in Würde und Frieden zu leben, endlich anzuerkennen, und, wenn einmal erkannt, die Ausbeutung von zwei Drittel der Menschheit durch das heute noch herrschende eine Drittel zu beenden.

Krieg ist unmöglich. Wer sagt, dass Krieg Terror auf dieser Erde beenden kann, ist entweder blöde oder ein Lügner.

Jeder Mensch muss träumen dürfen. Jugendliche auf der ganzen Welt müssen sich eine würdige Zukunft vorstellen können. Diese Möglichkeit kann nur in Frieden realisiert werden.

Was ist zu tun?

Wir müssen zuerst aufhören, wie der Papst es sagte, unsere Kinder mit dem Blut unserer Brüder und Schwestern aus der dritten Welt zu ernähren. Das machen wir aber. Die Globalisierung versucht, diesen Zustand für immer zu besiegeln.
 

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FF5/2001 - InhaltWir müssen damit aufhören!

Jede Waffe, die wir in die dritte Welt exportieren, stiehlt, wie Eisenhower es gesagt hat, das Brot aus den Mündern der Ärmsten.

Jeder Dollar, den unsere Banken ihnen leihen, damit sie uns Zinsen und die Waffen, die wir ihnen geliefert haben, bezahlen können, vertieft ihre Armut und, letzten Endes, bedeutet einen frühen Tod ihrer Kinder.

Wir müssen damit aufhören!

Öffnet es nicht eure Augen, dass, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten immer wieder betont "America is at war", die Aktien der Waffenfabrikanten steigen? Ist es gerecht, dass die Wünsche der Aktionäre die Rate der Kindersterblichkeit in Afrika bestimmen?

Wir müssen dieses System von Grund auf ändern, durch einen demokratischen Prozess und in Frieden!

Die Täter des Ungeheuers sind zu bestrafen. Das ist eben so in unserer Welt. Wir müssen auch unsere Mitbürger von den Kriminellen unter uns, sowie von denen, die unsere Gesellschaft terrorisieren wollen, schützen.

Dafür ist eine Polizei und ein Justizsystem, dessen erste Aufgabe es ist, die Rechte der Bürgerschaft zu verteidigen, zuständig. Eines dieser Rechte ist, ein Leben zu führen, ohne Bedrohung oder Erpressung von irgendjemandem fürchten zu müssen.

Also muss die Polizei und das Justizsystem auch für zivilen Frieden sorgen. Wenn diese Aufgabe dem Militär abgegeben wird, wird die Schwelle zu einem Militärstaat überschritten.

Das, bin ich mir sicher, wollen die Deutschen so wenig wie auch die Amerikaner!

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Prof. Dr. Joseph Weizenbaum war am Massachusetts Institut of Technology (MIT) Professor für Computerwissenschaften