E-Council der War Resisters International

Militarisierung und Widerstand in Zeiten der Pandemie

von Stephan Brües

Seit einiger Zeit trifft sich das globale Netzwerk „War Resisters‘ International“ (WRI) alle zwei Jahre virtuell zu einer elektronischen Ratstagung. Vom 1. bis 11. Mai 2020 fand das diesjährige Ratstreffen statt. Die Vertreter*innen der Mitgliedsorganisationen und zwölf gewählte Ratsmitglieder besprechen die vergangenen Tagungen und planen zukünftige Veranstaltungen, nehmen neue Mitglieder auf und reden über den Haushalt. Zudem diskutieren die Teilnehmenden über die Programme der WRI und die Arbeit von Arbeitsgruppen. Das sind: Programm zur Gewaltfreiheit; Kriegsdienstverweigerung „(Das Recht, das Töten zu verweigern“) und „Militarisierung der Jugend“. Es gibt eine lateinamerikanische Arbeitsgruppe, die Panafrikanische Arbeitsgruppe für Frieden und Gewaltfreiheit (PANPEN) und eine Frauen-AG.

Neben dem Vorstand und den Mitarbeiter*innen waren Vertreter*innen von etwa 20-25 Organisationen aus (fast) allen Erdteilen involviert, Schwerpunkte  dabei waren Lateinamerika, die USA und Europa. Einer der führenden Köpfe aus Afrika konnte leider nicht teilnehmen, weil die Internet-Verbindung in seinem Heimatland Südsudan nicht in ausreichendem Maß vorhanden war.

Die Verbindungsqualität ist immer noch erster großer Nachteil in der virtuellen Welt, wenn man sich global vernetzen will. Frankofone Mitglieder waren auch nicht anwesend, obwohl bei dem Teil des E-Councils, der auf der Plattform Loomio stattfand, kostenlose Übersetzungstools vorhanden waren. Bei den sechs Zoom-Konferenzen, die technisch wunderbar funktionierten, gab es teils Simultan-, teils Konsekutivübersetzungen vom Englischen ins Spanische und zurück.

Die Zoom-Konferenzen befassten sich u.a. mit der Militarisierung in Zeiten der Pandemie, der Militarisierung in Lateinamerika, der Feier von 100 Jahren WRI 2021, mit Fundraising und schloss mit einer – besonders kreativen – Evaluationssitzung.

Die zehn Tage waren voller inspirierender Berichte aus allen Teilen dieser Welt. Am beeindruckendsten war, dass sich in dem Webinar zu Militarisierung und Pandemie zwei politische Gefangene aus einem Gefängnis in Yaunde, Kamerun einwählten und von den kriegerischen Handlungen der Regierungstruppen in Ambazonia erzählten. Und dass sie in den überfüllten Gefängnissen Angst vor einem Ausbruch von Corona hatten. Gänsehaut!

In Ländern wie Kolumbien, der Türkei oder Israel hat das Militär die Rolle als führende Institution im Kampf gegen COVID-19 eingenommen. Zugleich gehen Militär und Justiz umso vehementer mit der Opposition um und nutzen die Pandemie zur Rechtfertigung ihrer repressiven Maßnahmen.
Dabei zeigt sich vielfach, dass die Maßnahmen, die die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns abmildern sollen, eher dem Schutz der Mächtigen und Unternehmen dienen und kaum bis gar nicht den Ärmsten der Bevölkerung helfen. Die sozio-ökonomischen Ungerechtigkeiten und die Ausbeutung der Natur wird auch nach einer Pandemie in vielen Ländern nicht bekämpft werden, obwohl sie ihren Beitrag zu den Ursachen der Pandemie geleistet haben.

Kurz: Die Berichte über die Militarisierung in Zeiten von Corona waren überwiegend bedrückend, auch in den westlichen Demokratien versuchen nicht wenige Staaten, die demokratischen Rechte auszuhebeln. (Siehe den Beitrag von Christine Schweitzer in diesem Heft.) Der Widerstand dagegen ist dringender denn je. Und er ist vorhanden: Überall – von Kolumbien bis in die USA und von Südkorea bis Spanien – gibt es politische Kampagnen wie „Das Militär tötet keinen Virus“. Dazu kommen Aktionen gegen die immer mehr ausufernden Rüstungshaushalte in vielen Staaten dieser Welt. Es gilt aufzuzeigen, dass es nach der Pandemie nicht einfach so weitergehen kann wie bisher – Militär schützt nicht vor Pandemien, es schützt nicht einmal die eigene Bevölkerung, sondern unterdrückt sie in vielen Ländern.

Wie Alternativen aussehen können, zeigen die vielen Beispiele, die in einem neuen Handbuch des Nonviolence-Programms der WRI zusammengetragen wurden (siehe https://www.nonviolence.wri-irg.org/en). Diese Beispiele wie auch die wertvolle Arbeit vieler WRI-Mitgliedsorganisationen , wie sie in ihren Jahresberichten zum Ausdruck kommen, geben dennoch Hoffnung darauf, dass eine andere Welt machbar sein wird.

Zwei neue Organisationen wurden in die WRI aufgenommen – die der WRI schon lange nahestehende Vereinigung der KDV-Organisationen in Kolumbien (ACOOC) und die Ukrainische Pazifistische Bewegung, deren Gründer und Kriegsdienstverweigerer, Ruslan Kotsaba, auch in Deutschland aufgrund der Solidaritätsarbeit der DFG-VK oder Connection e.V. bekannt sein dürfte.

Zum Abschluss seien einige Termine genannt:
16. März 2021: Gründungstag der WRI jährt sich zum 100. Mal; womöglich: Feier in Utrecht, NL
9.- 11. April 2021: WRI-100-Tage in Utrecht: Workshops, Feier und mehr; geplant: Fahrrad-Tour von Aachen, Geilenkirchen, Volkel nach Utrecht
November 2021: Ratstagung und WRI-100-Feier in London

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Rubrik

Friedensbewegung international
Stephan Brües ist freier Journalist und Co-Vorsitzender des Bund für Soziale Verteidigung.