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Frieden mit einem Schlag?
Mit blauen Helmen und starken Fäusten
von(1) Uralte Sehnsüchte und nüchterne Interessenkalküle mischen sich. Es möge endlich eine Macht geben, mit deren Hilfe alle gewaltsamen Konflikte sogleich ausgetreten werden könnten wie eine Flamme, die zum Feuer werden will. Diese Macht soll uns von allem menschlichen Horror entlasten, ohne die Verhältnisse, in denen wir ansonsten leben, jedenfalls soweit wir einigermaßen privilegiert sind, anzutasten.
Auf einen Weltstaat und seine UNO-artigen Vorformen konzentrieren sich die Hoffnungen. Sie könnten die Wegbereiter und Garanten des neuen, des so nötigen Weltfriedens werden. Die menschlich bewohnte Welt ist ohnehin im Guten wie im Bösen eine Einheit geworden. Die vorausgeeilte Weltökonomie erfordert längst neue Formen der Politik. Also laßt uns den Weg hin zu einem Weltstaat beschreiten. Dieser Weltstaat, ja schon eine verbesserte und verstärkte Gewaltausstattung der UNO, müßte in der Lage sein, die human allgemeinen Interessen, die Menschenrechte, gegen alte partikulare Gewalten durchzusetzen.
(2) Die Sehnsüchte nach einem Ende genozidaler Konflikte in dieser Welt sind verständlich. Es wäre schlimm, sie wären nicht vorhanden. Sie müßten stärker, praktischer werden. Nur: Die Endstation Sehnsucht Weltstaat und UNO-hafte Vorformen weisen in die falsche Richtung. Statt zu friedenspolitischem Handeln zu motivieren, wirken sie als Flucht aus der eigenen Verantwortung. Den UNO- oder Weltstaatssöldnern soll dieselbe in verhängnisvoller Stellvertreterpolitik, nein im Sinne eines uns und Politik stellvertretenden Krieges aufgehalst werden. Zudem geht die so verständliche Friedenssehnsucht, die auf mächtige Ein-fürallemal-Löser setzt, einen seltsamen Pakt mit den Interessen mächtiger Staaten aus dem Weltnorden ein. Dieser Pakt gleicht dem, was man das pactum leoninum nennt, den Pakt der Maus mit dem Löwen. Der sehnsüchtig verschleierte Blick läßt verkennen, daß es in dieser gegenwärtigen Welt, und insbesondere unter diesen (kriegs- und ökonomiemächtigen) Staaten, keine neutrale Macht gibt, die ohne höchst einseitige eigene Interessen allgemeine Belange verfolgte.
Das, was als überlegene Macht, als Weltstaat allenfalls zustande kommen könnte/eröffnet den Weg zum Frieden und die Wege aus der Gefahr nicht. Militärische Interventionen der UNO mögen das eigene Gewissen und vom Gebot, selbst zu handeln, entlasten. Die Arbeit tun in der Tat die anderen (die UNO-Söldner). Doch den Frieden können sie nur für diejenigen befördern, die geübt sind im Wegsehen und die morgige Gewaltausbrüche nicht mehr auf ihre heute bereiteten Ursachen zurückführen können. Weil sie geschwind vergessen:
(3) Kein Argument hält genauerer friedenspolitischer Überprüfung stand, das für einen Weltstaat und seine Vorformen spräche. Weltweite Einrichtungen muß selbstverständlich in vermehrter und verbesserter Form geben. Jedoch: diese weltweiten Einrichtungen und die von ihnen ausgehenden Handlungen fördern nur dann friedsamere Zustände, wenn sie ihrerseits ohne Gewalt auskommen. Dort, wo Einrichtungen der UNO bis heute erfolgreich waren, waren sie dies aufgrund ihrer gewaltfreien Vorgehensweise. Das Fehlen des Gewaltinstruments machte sie nicht interessenfrei- wie könnten irdische Institutionen schlechterdings neutral wirken; jedoch: die von ihnen vornehmlich vertretenen menschenrechtlichen Interessen bewiesen ihren allgemeineren, nicht einer Partei zugeordneten Charakter. Dort aber, wo auf die militärische Interventionspolitik der UNO (oder gar eines weltstaatlichen Gewaltmonopols) gesetzt wird, wird Friedens(und Menschenrechts-)Politik einseitigen Interessen untergeordnet. Das angeblich friedenschaffende Mittel wird dann seinerseits zur Ursache der nächsten Konflikte, die erneut weitere "Frieden schaffende" Interventionen im blutbeschmierten Blaugewand nötig machen.
a) Der 2. Golfkrieg bot einen Vorgeschmack. Wenn UNO-Truppen oder von der UNO legitimierte Streitkräfte heute in Gewaltkonflikte intervenieren, um Frieden zu erzwingen, dann tun sie dies-den Interessen der mächtigsten Staaten gemäß. Dieselben dominieren auch den Sicherheitsrat. Es handelt sich um die Staaten, die nördlich losziert sind. Die UNO-Interventionen werden konsequent zu Interventionen der Nordmächte gegen die südlichen Ohnmächte. Die Bestätigung dieser Spaltung allein erzeugt 'neue Aggressionen‘, sie zieht die UNO auf eine Seite der konflikthaften Auseinandersetzung und programmiert die nächsten Gewaltkonflikte, selbst wenn dieselben zunächst in und zwischen den ohnmächtigen Staaten stattfinden sollten.
b) Der human immer kostenreiche und nie nur einen Blinddarm chirurgisch entfernende kriegerische Einsatz sorgt dafür, selbst wenn er kurzfristig erfolgreich sein sollte, daß die Ursachen der Konflikte nicht behoben werden. Die kriegerische Intervention entläßt die Politik aus der Pflicht und bedingt hinterher eine Politik, die den Krieg als ihr Mittel behält. Diese Feststellung gilt sowohl für die Gruppen, die unmittelbar in einen Gewaltkonflikt involviert sind als auch für die Staaten, die die UNO-Interventionen legitimieren, finanzieren und/oder selbst ausführen. Die überall als ein zentraler, wenn auch nicht exklusiver Aggressionsfaktor wirksame Ungleichheit zwischen und in den Staaten wird, indem kriegerisch interveniert Wird, gerade belassen. Die nördlichen Mächte haben keinerlei Anlaß, sich auch nur im geringsten um ihre Gewalt befördernde Rolle zu kümmern. Als Profiteure des Weltmarkts und der Weltungleichheit kommen ihnen kriegerische Interventionen wie gerufen. Sie zerschlagen potentielle Gefahren für sie selber, ohne irgendwelche ökonomisch-politischen Änderungen nahezulegen. Kurzum: die angeblich dem Zwecke des Friedens dienenden Interventionen erhalten, ja verstärken, die Ungleichheit, deren strukturelle Gewalt die aktuelle Gewalt maßgeblich bewirkt:
c) Nur im Vorbeigehen mag erwähnt werden, daß die Institution eines Weltstaats nur in Form einer despotischen Herrschaft denkbar wäre. Sie bedeutete das Ende aller Besonderheiten einschließlich demokratischer Organisation, die besondere Räume und besondere Gesellschaften voraussetzt.
(4) Wer Frieden will, darf weder auf Wunderwaffen noch auf Wunderinstitutionen setzen. Auch UNO-ummäntelte Kriege werden nicht zum "gerechten Krieg" transformiert, der seinerseits nachkriegerischen Frieden vorbereitete. Über welche Fähigkeiten zum Wegsehen müssen diejenigen verfügen, die beispielsweise Bosnien und Somalia "nur" in seinem jetzigen Grauen beobachten, dem sie "schlagartig" ein Ende setzen lassen wollen. Als sei die Vorgeschichte ohne Interesse; als dürfe man die Nachgeschichte auslassen, wenn Gewalttaten über Jahrzehnte fortwähren - nur das Interesse der Weltmächte und der Weltmedien ist dann weitergewandert. Wer Frieden will, der muß auf Politik setzen; auf eine Menschenrechtspolitik, die den Interventionsbegriff nicht kennt, weil sie unhumane Grenzen nicht achtet. Eine solche Politik verlangt aber mehr denn je, darauf zu drängen, die Außen-, die Wirtschafts- und die ausländerfeindlich getrimmte Innenpolitik der führenden Staaten zu ändern. Auch wenn man darob nicht selten schier verzweifelt, weil Fortschritte so langsam erfolgen, weil sie so voll von Rückschritten sind und weil die Situation in Bosnien oder Somalia oder ... oder ... jetzt nach Hilfe schreit und einen geradezu totalen friedenspolitischen Einsatz der Staaten notwendig machten, die stattdessen lieber, wie die BRD, unogewandet ab und an intervenieren wollen, um ansonsten alles beim alten zu lassen. Bei der Ungleichheit in der Welt, von der die BRD und die meisten ihrer Bürgerlnnen profitieren, und bei dem nach außen gerichteten Schutzwall gegen Asylsuchende und unerwünschte Ausländerinnen insgesamt.