Bundeswehr im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Neues von der Heimatfront

von Bernd Mesovic

Man muss den kritischen Geist in der Truppe loben. Es waren zuerst Bundeswehrangehörige, die das Thema an die Öffentlichkeit beförderten und respektlos kritisch kommentierten: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sucht Soldaten. Ihr Einsatz soll dafür sorgen, dass die Verfahren schneller bearbeitet werden. Es handelte sich möglicherweise um ein erstes Resultat des Koalitionsvertrages. Dort war zu lesen, dass Asylverfahren auf maximal drei Monate verkürzt werden sollen. Angesichts der aktuellen Zustände ist dies in absehbarer Zeit unrealistisch, geht man von seriösen Formen der Personalbeschaffung aus. Da muss ausgeschrieben, gesichtet, ausgewählt und schließlich ordentlich eingearbeitet werden. Denn die Entscheidung über Asylanträge ist ein verantwortungsvoller und keineswegs leichter Job. Zwischen Flüchtlingsschutz und Abschiebung werden Entscheidungen von existentieller Bedeutung getroffen.

Im Moment dauern Asylverfahren für einen Großteil der AntragstellerInnen mehr als eineinhalb Jahre. Der vom Bundesamt zitierte zitierte wesentlich niedrigere Durchschnittswert kommt nur dadurch zustande, dass im Rahmen einer politischen Entscheidung über einige Flüchtlingsgruppen schnell und textbausteinbasiert entschieden wird. Die Anträge von Asylsuchenden aus den Staaten des Westbalkans werden fast ausnahmslos abgelehnt, Syrerinnen und Syrer großenteils anerkannt, Menschen aus Tschetschenien ohne inhaltliche Prüfung im Rahmen des Zuständigkeitssystems Dublin III nach Polen verschoben.

Angesichts der Vorgaben des Koalitionsvertrages und fast 100.000 unbearbeiteten Asylanträgen kann man als Bundesamtschef schon auf verzweifelte Ideen kommen. Eine solche heißt dann vermutlich: Verwaltung ist Verwaltung. Wo Bund draufsteht ist Bund drin. Doch ganz so einfach ist es nicht. In den Anwerbungsschreiben aufgeführt als Bestandteil dieser Tätigkeiten sind z.B. das Überprüfen von Dokumenten und Personalien, das Nehmen von Fingerabdrücken im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung, die Kontrolle vorgelegter Dokumente und sogar die Bearbeitung von Folgeanträgen, ganz gewiss kein rein administrativer Vorgang, erwähnt. Einiges davon mag mit einiger Fantasie gerade noch in das Profil der Bundespolizei fallen, von der etwa 130 Mitarbeiter in letzter Zeit zur Unterstützung im Bundesamt eingesetzt werden. Doch was haben ReservistInnen und Bundeswehrangehörige aus der Feldwebellaufbahn damit zu tun? Lassen wir Blogger aus der Bundeswehr selbst zu Wort kommen. Einer schreibt: „Das ist nicht der Zweck, zu dem es Reservisten gibt und bestimmt nicht der Sinn, für den es die gesetzlichen Grundlagen gibt. Die müssen ganz schön verzweifelt sein, wenn sie zu solchen Mitteln greifen.“ Ein anderer: „ Bei aller Liebe. Aber Soldaten in der zivilen bundeswehrfernen Verwaltung dienstlich einzusetzen, das dürfte zumindest nicht dem Geiste des GG entsprechen.“ Mehrfach wird die Frage in den Raum gestellt, ob es überhaupt eine Rechtsgrundlage für den Einsatz an der Heimatfront des Papierkrieges gibt, die durch das Grundgesetz abgedeckt ist. Unterstützungseinsätze im Innern betrafen bislang die im GG geregelten Sonderfälle des Einsatzes bei Naturkatastrophen und besonderen Problemen der inneren Sicherheit, also absolute Ausnahmefälle. Für den Präsidenten des Bundesamtes ist die Diskussion darüber, dass ein Soldat plötzlich eine andere Rolle in der Gesellschaft hat, ein bisschen schwer nachzuvollziehen, wie er der Deutschen Welle sagte. Aber Bundeswehrangehörige sind eben nicht nur Staatsbürger in Uniform. Solange sie der Bundeswehr angehören, gilt für sie deren primärer Auftrag.

Es ist nicht zu kritisieren, wenn MitarbeiterInnen der Bundeswehr, die ausscheiden, sich auf neu auszuschreibende Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bewerben. Aber dies ist eine andere Situation. Der Einsatz der Bundeswehr im Bundesamt vermittelt der Öffentlichkeit zudem den Eindruck, als befinde man sich angesichts steigender Zahlen Asylsuchender in einer Art Notstandssituation. Versäumnisse in der Personalplanung der vergangenen Jahre sind durch den Bundeswehreinsatz ohnehin nicht binnen Monaten zu kompensieren. Die Bearbeitung von 100.000 Asylneuanträgen jährlich war in der Vergangenheit möglich und wird es in der Zukunft sein, wenn man dem Bundesamt die nötigen Stellen bewilligt. Stattdessen werden dem Bundesamt offenbar Pseudolösungen in Form problematischer personeller Mischkulturen aufgedrückt. Das Einspannen von Bundespolizei und Bundeswehr ist zudem kein wirklicher Beitrag zur Ausgestaltung eines fairen und zügigen Asylverfahrens. Dass es durchaus von öffentlichem Interesse ist, wer da alles an Asylakten herumfingert, hat nicht zuletzt der Skandal um die „Hauptstelle für das Befragungswesen“, eine getarnte Dienststelle des Bundesnachrichtendienstes, gezeigt. Auch diese war über viele Jahre hinweg im deutschen Asylverfahren präsent. Ihr Ziel: Abschöpfung geheimdienstlich interessanten Wissens, das im Asylverfahren zutage tritt. Wer sich im Asylverfahren mit seinem persönlichen Schicksal umfassend offenbart, muss Vertrauen haben können, dass seine Informationen nicht mehrfach verwertet werden und die Preisgabe einer Handynummer nicht ein faktisches Todesurteil per Drohneneinsatz bedeutet. Getarnt hatten sich die Vertreter deutschen Befragungsunwesens zum Teil als „Praktikanten“, die bei den Asylanhörungen dabei saßen. Dass man in Deutschland offenbar bis ins weit fortgeschrittene Alter Praktikant sein kann, fiel offenbar selbst einigen der mit deutschen Gepflogenheiten nicht vertrauten Asylsuchenden auf.

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Hintergrund
Bernd Mesovic ist stellvertretender Geschäftsführer von PRO ASYL. Seit 1980 beschäftigt er sich mit der Thematik Flucht und Asyl.