Bundesregierung schweigt zu Atomwaffen

Nichtssagende Antworten auf Anfrage zur nuklearen Teilhabe

von Martin Singe
Hintergrund
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Auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Ali Al-Dailami, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE vom 5. Mai 2022 (BT-Drucksache 20/1708 vom 10. Mai 2022) zu Deutschlands außenpolitischer Rolle im Rahmen der atomaren Abschreckungspolitik der NATO hat die Bundesregierung am 2. Juni 2022 geantwortet.

Die Fragesteller kritisieren in einer Vorbemerkung die vorgesehene Beschaffung von bis zu 35 F-35 Kampfjets für die nukleare Teilhabe sowie deren immense Kosten auch über die Beschaffung hinaus. Sie merken an: „Nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller erhöht dies die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes in Mitteleuropa, trägt zu einer Verschärfung des Ost-West-Konflikts bei und entfernt Deutschland langfristig von dem Ziel, atomwaffenfrei zu werden. Zu diesem Ziel hat sich auch die Bundesregierung bekannt, wenngleich sie die ‚Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials‘ und damit das Festhalten an der nuklearen Teilhabe befürwortet (Koalitionsvertrag 2021, S. 115, 145).“

In der Antwort der Bundesregierung heißt es gleich zu Beginn: „Die Informationspolitik hinsichtlich der Nuklearstreitkräfte der NATO unterliegt aus Sicherheitsgründen den verpflichtenden Geheimhaltungsregeln des Bündnisses. Demzufolge können zu der Anzahl, den Lagerorten, dem Umgang mit und den Spezifika der Nuklearwaffen sowie ihrer Trägersysteme keine Angaben gemacht werden, ebenso wenig zur Ausbildung, Übung und zu den Absicherungsmaßnahmen.“ Auf die Frage, ob sich die Bundesregierung mit der Anschaffung der F-35 nicht vom Ziel einer atomwaffenfreien Welt weiter entferne und die nukleare Abschreckung zementiere, erfolgt die in sich widersinnige Antwort: „Die Bundesregierung hält unverändert an ihrem Ziel einer atomwaffenfreien Welt fest. Gleichzeitig bekennt sich die Bundesregierung zur nuklearen Teilhabe als wichtigem Bestandteil einer glaubhaften Abschreckung des Bündnisses.“

Man wolle vor allem keinen Bruch in der Kontinuität der nuklearen Teilhabe riskieren: „Der bruchfreie Erhalt dieser Fähigkeiten (im Schwerpunkt nukleare Teilhabe) ist mit der F-35A erreichbar, bevor der TORNADO sein geplantes Nutzungsdauerende im Jahr 2030 erreicht. Die F-35 hat sich in den vergangenen Jahren in der NATO als Referenzsystem etabliert und birgt mit Blick auf die Übernahme der Nuklearen Teilhabe das geringste Integrationsrisiko.“ Zu den Kosten der F-35 verweigert die Bundesregierung jede Aussage, während die Linke vorrechnet, dass in der Regel die Kosten für die gesamte Nutzungsdauer die Anschaffungskosten von 4 Milliarden Euro um das 4-fache übersteigen, also mit rund 20 Mrd. Euro Kosten zu rechnen wäre. Für 38 neue Eurofighter wurden zusätzlich bereits 5,5 Mrd. Euro in den Haushalt gestellt.

Da der Bürger und die Bürgerin im demokratischen Staat selbst als Sicherheitsrisiken gelten, werden einige Fragen der Linken nur geheim beantwortet und somit die Antworten der Öffentlichkeit vorenthalten: „Eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Fragen würde ohne Weiteres Rückschlüsse auf vorhandene Fähigkeiten und Fähigkeitslücken der Bundeswehr als auch Streitkräfte anderer Staaten zulassen. Auf die VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestufte Anlage wird verwiesen.“Auf weitere detaillierte Fragen der Linken zum Sinn der nuklearen Teilhabe weiß die Bundesregierung nur ganz pauschal zu antworten: „Die Vereinbarungen der NATO zur nuklearen Teilhabe stellen sicher, dass die Vorteile, Verantwortlichkeiten und Risiken der nuklearen Abschreckung im gesamten Bündnis geteilt werden.“ Auf weitere Fragen zur Senkung der Einsatzhemmschwelle durch die neuen B61-12-Atombomben, zur Obsoletheit

der Atombomben der nuklearen Teilhabe im Gesamtdispositiv der Atomwaffen und zur nicht vorhandenen, aber immer wieder behaupteten Kopplung von Berechtigungen der Mitsprache in der nuklearen Planungsgruppe (NPG) der NATO an die technische nukleare Teilhabe gibt es keine Antworten. Die Linke hatte darauf verwiesen, dass der Nuklearwaffenexperte Hans Kristensen eine Einflussmöglichkeit Deutschlands auf die US-Nuklearstrategie speziell durch die Aufrechterhaltung der nuklearen Teilhabe für „komplette Phantasie“ halte. Jedenfalls nehmen auch Staaten ohne technische nukleare Teilhabe, die keine US-Atombomben auf ihrem Territorium stationiert haben, an der NPG teil.

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".