Brutales Vorgehen von Polizei und Feldjägern gegen Demonstranten

Öffentliches Bundeswehr-Gelöbnis in Mainz

von Rüdiger Bröhling
Initiativen
Initiativen

Am 7. Juni 2000 fand in Mainz ein öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr auf dem Marktplatz in Mainz statt. Rüdiger Bröhling berichtet über die Proteste gegen diese Veranstaltung und über den brutalen Einsatz von Polizei und Bundeswehr-Feldjägern

"Tapferkeit" gegen Meinungsfreiheit
430 Soldaten gelobten, "Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen". Wie die Tapferkeit aussieht, zeigte dann das Vorgehen von Bundeswehr und Polizei gegen andersdenkende Personen aus dem erwähnten Volk, die sich mit Transparenten, Sprechchören und Pfiffen bemerkbar machten. Transparente wurden beschlagnahmt und mutmaßliche GelöbnisgegnerInnen wurden gewaltsam abgedrängt.

Ein Mitarbeiter des Antikriegsbündnisses wurde, weil er gepfiffen hatte, brutal festgenommen, in Handschellen abgeführt und zum Polizeipräsidium gebracht. Eine anwesende grüne Landtagsabgeordnete wollte vermitteln und der Polizei begreiflich machen, dass zumindest die Handschellen vollkommen fehl am Platz waren. Ohne Erfolg. Stattdessen konnte sich der Gefangene während des Transports die abfälligen frauenfeindlichen Kommentare der Polizeibeamten anhören.

Die Polizei behauptet, der Betreffende sei einem Platzverweis nicht gefolgt. Den Platzverweis hat es allerdings nie gegeben. Noch schlimmer traf es einen daneben stehenden Gelöbnisgegner. Er wurde ohne erkennbaren Anlass von hinten geschlagen, von mehreren Polizisten angegriffen und dann mit noch brutalerer Gewalt festgenommen. Er erlitt eine Platzwunde an der Stirn, der linke Knöchel ist lädiert, eine Rippe ist gebrochen, der Arm musste später bandagiert werden. Im verletzten Zustand musste er eine halbe Stunde direkt in der Hitze sitzen. Mit Hinweis auf seinen angegriffenen Kreislauf bat er um Wasser; doch selbst dies wurde ihm verweigert. Beide Brillen, die er mit sich trug, wurden zerbrochen. Zu seiner eigenen Überraschung, gleichfalls ohne den geringsten Anlass, wurde ein junger Mann aus Wiesbaden festgenommen, dem zu allem Überfluss auch noch die Kehle zugedrückt wurde.
 

Auch im nicht-uniformierten Publikum zeigte sich ein beträchtliches Potenzial von Gewalt und Hass. GegnerInnen des Gelöbnisses wurden aggressiv beschimpft und es wurde ihnen massiv Gewalt angedroht. Von Respekt für die Meinung anderer keine Spur, stattdessen Intoleranz, die weniger an die bei solchen Anlässen viel beschworene Demokratie, sondern eher an Faschismus erinnert.

Bundeswehr gegen unabhängige Medien
Zwei Mitarbeiter von Radio Quer, dem nicht-kommerziellen Lokalradio, waren von der Bundeswehr ganz offiziell für die Berichterstattung akkreditiert worden und konnten mit entsprechenden Ausweisen das abgesperrte Gelände betreten. Zwischendurch machten sie Interviews im unmittelbar benachbarten Café. Als sie wieder auf das Gelöbnisgelände zurück wollten, wurde ihnen der Zutritt verweigert. Die Akkreditierung war ihnen zwischenzeitlich entzogen worden, und sie mussten ihre Akkreditierungsausweise wieder abgeben. Begründung: Radio Quer hatte sich zusammen mit der DFG-VK und dreizehn weiteren Gruppen zuvor gegen das Gelöbnis ausgesprochen. Radio Quer musste dann von außerhalb der Absperrung seine Aufnahmen machen, während die etablierten Medien privilegierten Zugang hatten.

Fazit: Die Bundeswehr verhindert dort, wo sie es kann, jegliche kritische Berichterstattung. Nur die unterwürfigen und gleichgesinnten Medien, die die Bundeswehr bejubeln und die kriegsverherrlichenden Reden unkritisch wiedergeben, haben Zutritt im "militärischen Sicherheitsbereich", zu dem der Markt vorübergehend erklärt worden war. Wo die Bundeswehr das Sagen hat, findet Meinungsfreiheit ein abruptes Ende. Radio Quer hat im Unterschied zu den Lokalzeitungen ausführlich über die Repressionsmaßnahmen berichtet und die Opfer zu Wort kommen lassen.

Kriegerisches Auftreten
Für viele unerwartet martialisch war das Erscheinungsbild der Bundeswehrsoldaten, die in Kampfanzügen und mit Waffen weniger als sonst das Kriegerische und Gewalttätige ihres Tuns zu verbergen versuchten. Ohrenzeugen zeigten sich besonders erschreckt und befremdet vom abschließenden unverständlichen aggressiven Kampfgebrüll. Laut Allgemeiner Zeitung sollen sie "Panzergrenadiere dran, drauf, drüber" gebrüllt haben, wobei dieser "Schlachtruf" auch nicht sympathischer wirkt, wenn man ihn akustisch versteht.

"Von Scharping lernen heißt lügen lernen." So stand es auf einem Transparent, mit Bezug auf Scharpings Propaganda während des Kosovo-Kriegs. Doch Scharping kam nicht. Er wurde vertreten durch Ministerpräsident Beck, der das Gelöbnis als Bekenntnis zur Demokratie umdeutete. Allein die Gewaltakte von Bundeswehr und Polizei während der Veranstaltung widerlegten diese These. Meinungsfreiheit und Demokratie wurden wie so oft, von Polizei und Bundeswehr nicht verteidigt, sondern mit Knüppeln und Handschellen bekämpft.

Kontakt: DFG-VK Marburg, Postfach 1246, 35002 Marburg, Tel/Fax: 06421/21783, dfgvk [at] lahn [dot] net, http://www.lahn.net/dfgvk
 

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Rüdiger Bröhling ist Mitglied der DFG-VK, Marburg. zum Anfang vorheriger nächster Artikel