Osterspaziergang

von Mani Stenner
Initiativen
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Die meisten Veranstaltungen von Friedensgruppen an den diesjährigen Ostertagen gerieten zu Familientreffen im kleinen Kreis. Friedensbewe­gung als antimilitaristische Aktion und in den vielen Projekten und Dis­kussionen zu nicht-militärischen Eingreifmöglichkeiten bei Konflikten ist z.Zt. sowieso keine Massenbewegung. Aber da ist auch nichts mieszumachen: In ihrer Themenbreite spiegeln die zahlreichen Veran­staltungen einen Diskussionsprozess um "Alternativen von unten" zur Gewalttätigkeit in Gesellschaft und Politik.

Im ironischen Kommentar über die diesjährigen Osteraktionen liegt die Frankfurter Rundschau nicht so falsch:

"Von wegen Ostermarsch. Und gäbe es nicht die lokalen Brennpunkte, die Hei­delandschaften in Sachsen-Anhalt und Brandenburg, deren Bewohner lieber Störche statt Tiefflieger sähen, von der ganzen Bewegung wäre nichts geblieben als die pure Nostalgie. ... Nein, am Wetter mag`s nicht liegen. Jedenfalls nicht allein. Auch nicht daran, daß kein Bedarf bestünde an Friedensappellen in dieser unwirtlichen Welt. Nur laufen sie halt nicht, die Leute. Das mag sich än­dern dereinst, die Oster-Bewegung er­wuchs auch in den 80er Jahren aus tie­fer Flaute. Doch für die erstarrte Zwi­schenzeit ein Vorschlag, zwecks Reali­tätsnähe: Sprechen wir nicht von Marsch, nennen wir`s Spaziergang" (FR 5.4.94).

Obwohl die meisten Veranstaltungen die eng zusammenhängenden Themen Demokratie, Antirassismus / Antifa­schismus, Umwelt, Antimilitarismus und Eine-Welt verbunden haben: Warum sollte sich eine Initiative gegen Fremdenhass plötzlich der Ostermarsch­tradition verbunden fühlen? Aber auch bei vielen den Ideen der Friedensbewe­gung verbundenen Menschen ist der einstige "Pflichttermin" Ostermarsch keine akzeptierte Aktionsform mehr.

Und trotzdem kann mensch sicher sein: es wird auch 1995 Aktionen zu Ostern geben. Man muß sie nur nicht als Zählappell zur Stärke der Friedensbewe­gung missverstehen. Die Aktionen grei­fen die jeweils örtlich wichtigen The­men auf und die Themen sind vielfälti­ger geworden. Sie zeigen den Diskussi­onsprozess von Initiativen, die nach We­gen für eine humane, demokra­tische, friedensstiftende Politik suchen und ge­nau das den Politikern nicht zu­trauen. Und dieses sich immer-wieder-Einmi­schen ist gar kein leichter Spa­ziergang.

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