Panzerdivision besetzt Marktkirche

von Brunhild Müller-Reiß
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

"Chaoten stürmen Marktkirche"
So war es am 30. 11. 07 in der Hannoverschen Ausgabe der Bildzeitung zu lesen. Was war passiert?
Zum achten Male hatte am 28. November in Hannovers Marktkirche, der zentralen, für viele Menschen als DAS christliche Wahrzeichen Hannovers gesehenen Kirche, das sog "Adventkonzert" der 1. Panzerdivision stattgefunden. - Zum ersten Male war es zu Protesten Hannoverscher AntimilitaristInnen gekommen.

Der "Sturm" auf die Marktkirche
Vor der Kirche werden Flugblätter verteilt, die darüber informieren, dass die 1. Panzerdivision als Eingreifdivision des deutschen Heeres vorgesehen ist. Sie kritisieren, dass die Kirche, wie so oft in ihrer Geschichte, dem Militär den Rücken stärkt und den Soldaten Rückhalt auf ihrem Weg in den Einsatz bieten will. Manche Besucher verlassen die Kirche, andere - besonders die in Uniform - zerknüllen wütend die Flugblätter.

Kurz vor Beginn der Veranstaltung: Eine Gruppe AntimilitaristInnen stellt sich mit einem Transparent mit der Aufschrift "Aufrüstung mit Gottes Segen - Hand in Hand zum Kriegseinsatz" direkt vor den Altar. Stadtsuperintendent Puschmann fordert zum Gehen auf, droht mit der Polizei. Die DemonstrantInnen erklären ruhig, dass, solange Militär in der Kirche wäre, sie auch bleiben würden. Generalmajor Langfeld, Kommandeur der 1. Panzerdivision, erklärt sich zum Hausherrn, wird aber vom Stadtsuperintendenten zurückgepfiffen.

Die Polizei jedenfalls kommt, drängt, schubst und zieht die Protestierenden in Richtung Ausgang. Jetzt werden Parolen gerufen, z. B. "Blut an Euren Händen".

Vor der Marktkirche eskaliert die Polizei die Situation komplett. Eine Gruppe Protestierender wird mit dem Vorwurf "Hausfriedensbruch" eingekesselt. Die Eingekesselten und andere, die noch in den Kessel geschubst werden, werden zu "Bündeln" verpackt, in die bereitstehenden Polizeiautos transportiert und bis zu 6 Stunden festgehalten. Sie werden erkennungsdienstlich behandelt und dabei nackt ausgezogen.

Im Anschluss an die Aktion, vor allem nach der breiten Resonanz in der Presse, kommen von allen Seiten, vor allem auch von christlichen Friedensgruppen Protestschreiben an die Marktkirchengemeinde, vor allem an Herrn Puschmann.

Wie soll es nun weitergehen?
Inzwischen haben zwei Treffen mit Mitgliedern der Marktkirchengemeinde und den AkteurInnen stattgefunden. Es soll eine öffentliche Diskussion zum Verhältnis "Kirche und Militär" stattfinden. Zeitnah, wie wir finden, aber die Zeit rennt uns davon.

Denn immer noch blockiert Stadtsuperintendent Puschmann. Weder hat er bisher die Anzeige wegen Landfriedensbruch zurückgezogen, noch ist er bereit gewesen, zu den Treffen für eine Vorbereitung der Veranstaltung zu kommen.

Welche Rolle spielt die 1. Panzerdivision in diesem Zusammenhang?
Sie ist, wie bereits gesagt, die wichtigste Eingreiftruppe des Deutschen Heeres und versucht, zweimal im Jahr durch öffentliche Auftritte der schwindenden Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Auslandseinsätzen gegenzusteuern.

Dies geschieht einerseits im Sommer jedes Jahr durch ein "Sommerbiwak", das aber keineswegs in feldmäßiger Soldatenumgebung stattfindet, sondern ein rauschende Fest in exklusiver Umgebung (Hannover Congress Centrum) mit den gehobenen Kreisen der Hannoverschen Gesellschaft (Oberbürgermeister inklusive) darstellt.

Und andererseits eben in der Vorweihnachtszeit durch ein Marktkirchenkonzert. Hier präsentieren sich die Saldaten musisch versiert und christlich-abendländisch orientiert der interessierten Öffentlichkeit. Gleichzeitig geht es bei der Feier in der Kirche aber auch noch um die Wirkung nach innen: möglicherweise verunsicherten Soldaten soll durch das Ritual der Rücken gestärkt werden, denn der Kirchenraum und die anwesende Geistlichkeit bieten ein spirituelles Erlebnis und vermutlich so etwas wie die Wahrnehmung des Segens Gottes. In seiner Begrüßungsrede sagte der Kommandeur: "Die Marktkirche ist Gotteshaus und Mahnmal zugleich". Mahnmal wofür? Weiterhin ist die Rede vom "besonderen Ort der inneren Einkehr und Stille". Der Stille, die den Soldaten hilft, sich dem potentiellen eigenen Tod und dem Töten Anderer zu stellen?

Wir finden: Die Kirche ist kein Ort für die Anwesenheit von Militär in Uniform!

Die Kirche muss sich entscheiden!

Wir begrüßen jede Friedensaktivität kirchlicher Gruppen und Initiativen.

Aber wir verurteilen ebenso deutlich den Schulterschluss von Kirche und Militär.

Und wir werden weiterhin keine Ruhe geben!

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Brunhild Müller-Reiß, Friedensbüro Hannover