Die letzten Pershing-Raketen bei ihrem Abzug aus der Bundesrepublik

Pershing-II-Sprengköpfe vor der Rückkehr?

von Otfried Nassauer

Hinter verschlossenen Türen werden seit dem 7. Mai 1990 die Sprengköpfe der abzurüstenden Pershing-II-Raketen recycelt. Wohl seit Juni läuft die Serienproduktion der Atombombe B61-4/10, manchmal auch als B61/W85 bezeichnet. Der Sprengkopf W85 bewaffnete zuvor die in der Bundesrepublik stationierten Pershing-II-Raketen, deren Vernich­tung im INF-Vertrag beschlossen wurde. Das Sprengkopf-Recycling deckten jetzt die US-amerikanischen Wissenschaftler Stan Norris und William Arkin in einem Artikel für die November-Ausgabe des Bulletin of Atomic Scientists auf.

Sollten alle etwa 200 Pershing-Sprengköpfe zu Bomben des Typs B61 - aus dem sie einst weiterentwickelt wurden - konvertiert werden, so würde das Ar­senal der USA an B61 Atombomben von derzeit etwa 1900 auf 2100 Bom­ben wachsen. Selbst der Streitkräfteausschuß des amerikanischen Senates stellte dazu jüngst fest, es sei "eine aus­reichende Menge an B61-Bomben be­vorratet, um den gegenwärtigen Be­darf zu decken." Man schlage vor, keine weiteren B-61 zu produzieren, den ent­sprechenden Haushaltsansatz zu kürzen.

Mit dem Recycling der Pershing-II-Sprengköpfe machen es sich US-Ener­gie- und Verteidigungsministerium ein­fach: Sie verschaffen dem wegen der von ihm verursachten riesigen Umwelt­schäden unter großem politi­schen Druck stehenden Atomwaffen­produktionskomplex der USA neue Ar­beit und eine Atempause. Sie um­gehen das Problem, da· niemand so recht weiß·, wie Atomsprengköpfe kontrol­lierbar vernichtet werden sol­len. Zudem sind die Pershing-II-Sprengköpfe für die B61-Bombe an­ders als für die zunächst vorgesehene atomare Abstandswaffe - nicht zu schwer. Erste Hinweise auf die neue Bombe gab es im März 1990.

Die B61-Bomben der US-Luftwaffe bil­den in den nächsten Jahren das Rückgrat der US-amerikanischen Nu­klearbewaffnung in Europa Kontinu­ierlich werden seit Jahren ältere Vari­anten der Atombombe durch neuere er­setzt. Dies dürfte auch für das Pers­hing-II Model B61 4/10 gelten. Hat die Rückkehr der Pershing-II-Sprengköpfe gar schon begonnen?

Bereits in den US-Haushaltsverhand­lungen des vergangenen Jahres machte US-Air Force General Yates darauf aufmerksam, da· "in Zukunft die Zahl der (in Europa stationierten takti­schen) Atombomben wegen des Abzu­ges der INF-Systeme steigen werde." Sie werde erst wieder verringert, "wenn die atomare luftgestützte Abstands­waffe SRAM-T zuläuft".

Bei der Demonstration "Kein Krieg am Golf" am 24.11.1990 auf dem Bonner Marktplatz hat der amerikanische Marinere­servist Erik Larsen einen großen Eindruck hinterlassen. Wir dokumentieren deshalb auch seinen Redebeitrag. Die weite­ren Beiträge incl. Pressespiegel sind als Broschüre zu be­ziehen.

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Otfried Nassauer (1956-2020) war freier Journalist und leitete das Berliner Informationszentrum für transatlantische Sicherheit – BITS (www.bits.de)