Protest gegen Patenschaft mit Bundeswehreinheit

von Michael Schmidt
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

„5000 km bis Kabul: Patenschaftskompanie schickt Soldaten in Auslandseinsatz“. So war im Mai 2010 ein ganzseitiger Bericht auf der Titelseite im „Amtsblatt der Stadt Gammertingen“ überschrieben. Berichtet wurde über einen öffentlichen „Verabschiedungsappell“ in der Kreisstadt Sigmaringen, bei dem auch Soldaten der „Patenschaftskompanie“ der Stadt Gammertingen in den Kriegseinsatz nach Afghanistan geschickt wurden. Dabei wurde die enge Verbundenheit zwischen Gammertingen und der Bundeswehr betont. Die Soldaten seien mit dem Gefühl in den Auslandseinsatz gegangen, die Patengemeinde Gammertingen stehe zum Auftrag der Armee.

Aktive des in der Kleinstadt ansässigen Vereins Lebenshaus Schwäbische Alb haben daraufhin einen „Offenen Brief wegen Unterstützung des Afghanistan-Krieges“ an den Bürgermeister von Gammertingen verfasst und Unterschriften gesammelt. In diesem Brief wird gegen die Patenschaft mit der Bundeswehr protestiert und gefordert, diese Verbindung wieder zu beenden. Gleichzeitig wird die Gemeinde aufgefordert, sich für zivile Alternativen im Afghanistan-Krieg einzusetzen und kommunale Friedensarbeit zu fördern.

Dies hat zum Teil heftige Reaktionen hervorgerufen. Kaum war der Gammertinger Bürgermeister über die Aktion informiert, schon trug er das Thema in den örtlichen Gemeinderat und ließ sich dort die Fortsetzung der Patenschaft mit der Bundeswehreinheit bestätigen. Mehrmals nutzte er in der Folgezeit das „Amtsblatt“ zu Stellungnahmen gegen das Lebenshaus, während er als Herausgeber dieses Blatts gleichzeitig dessen Hinweise auf die Aktion untersagte.

Auch in der Folgezeit hat sich der Bürgermeister einer sachlichen Auseinandersetzung entzogen. Stattdessen versuchte er den Protest gegen die Bundeswehrpatenschaft durch Überspitzungen und Verdrehungen in der Öffentlichkeit absurd erscheinen zu lassen und ins Lächerliche zu ziehen, sowie zu kriminalisieren. Zu einem Gespräch mit seinen Kritikern ist der Bürgermeister nicht bereit.

Ein solcher Umgang mit politisch Andersdenkenden kommt nicht völlig überraschend. Seit rund 30 Jahren gibt es in Gammertingen organisierte Friedensarbeit. Von Anfang an waren dabei die Schwierigkeiten riesengroß. Denn das Engagement findet in einem ländlichen Raum statt, der politisch-kulturell stark konservativ geprägt ist. Von Lokalpolitikern werden kontroverse inhaltliche Diskussionen in der Regel verschmäht, der Kontakt mit politisch Andersdenkenden vermieden. Dies umso mehr, wenn Kritik an der Bundeswehr geübt wird. Denn das Militär wird in dieser Region vielfach wie eine Art heilige Kuh behandelt. Derzeit befinden sich immer noch vier Bundeswehrstandorte im Landkreis Sigmaringen.

Und auch Bundeswehrpatenschaften gibt es hier in beträchtlicher Zahl. Landkreis und Stadt Sigmaringen haben bereits vor Jahren solche Patenschaften übernommen. Zudem sind im zurückliegenden Jahr Gammertingen und drei weitere Gemeinden des Landkreises solche Bündnisse eingegangen, die laut Bundesregierung „das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger für die Bundeswehr als Instrument einer wehrhaften Demokratie zur Friedenssicherung fördern“ sollen. (BT- Drucksache 17/2688 vom 31. Juli 2010) Für die Bundespolitik sind diese Patenschaften somit letztlich auch ein Instrument zur Erhöhung der Akzeptanz für Auslands- und Kriegseinsätze. Doch für Politiker der Region haben sie die zusätzliche Funktion, das Militär bei guter Laune und in der Region zu halten.

Letztlich geht es dabei um die Bundeswehr als Wirtschaftsfaktor, der nicht abhanden kommen soll. Deshalb hat sich gerade der Kreistag des Landkreises Sigmaringen mit einstimmigem Beschluss für den Erhalt seiner vier Garnisonen ausgesprochen. Die Bundeswehr sei „ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor bei uns im ländlichen Raum“, heißt es in der Resolution. Und um diese tatsächlichen oder vermeintlichen wirtschaftlichen Vorteile im Kreis Sigmaringen zu erhalten, wird dann unter anderem betont: „Das enge Verhältnis zwischen Politik und Bundeswehr kommt in den lebendigen Patenschaften zum Ausdruck“.

Diese Patenschaften wirken in ihrer konkreten Ausgestaltung auf den ersten Blick recht harmlos und werden von den Verantwortlichen entsprechend dargestellt. Mit seiner Teilnahme an Festen und Landschaftspflegeaktionen, beim Stadtlauf, Weihnachtsmarkt und Schulfest tritt der Soldat als der hilfsbereite nette junge Mann in Erscheinung und entspricht der Eigenwerbung der Bundeswehr, die den Soldaten nach wie vor als Aufbau- bzw. Katastrophenhelfer, als Staatsbürger oder gar „Weltbürger in Uniform“ darstellt und ein kriegsfernes Berufsbild nahelegt. Entsprechend schwer erwies es sich aber auch, breitere Unterstützung aus der Gammertinger Bevölkerung für den Protest gegen die Bundeswehrpatenschaft zu bekommen.

Angesichts von rund 700 bestehenden Patenschaften mit Bundeswehreinheiten finden diese auch in der friedensbewegten Öffentlichkeit bisher längst nicht die kritische Beachtung, die sie eigentlich verdienten. Wer allerdings dagegen protestiert, muss sich darauf einstellen, dass er dabei in seinem unmittelbaren Umfeld wenig Begeisterung auslösen wird. Ohne die vielfältige Unterstützung von außerhalb wäre der Protest in Gammertingen nur sehr viel schwerer möglich gewesen. Inzwischen ist die Unterschriftensammlung unter den „Offenen Brief“ an den Gammertinger Bürgermeister, den 448 Menschen und Organisationen aus nah und fern unterschrieben haben, beendet worden. Da aber Lebenshaus Schwäbische Alb auch nach Abschluss der Unterschriftenaktion Geist und Logik von Krieg und Gewalt widersprechen wird, freuen sich die Aktiven über weitere Unterstützung.

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