Nur mit dir und deiner Unterstützung kann das Netzwerk Friedenskooperative 2025 friedenspolitisch wirken. Unterstütze uns zu Weihnachten mit einer Spende!
Protest gegen Test... wächst auch das Rettende?
vonSelten ist eine Rüstungsentscheidung auf so einmütigen weltweiten Widerspruch gestoßen wie die Absicht von Präsident Chirac zur Durchführung einer neuen Atombombentestserie auf dem Mururoa-Atoll. Ab September 1995 sind 8 unterirdische Explosionen geplant, eine pro Monat. Die Tests haben direkte Auswirkungen auf die Gesundheit der pazifischen Inselbewohner und ihre Umwelt. Bereits 1992 befanden sich auf dem Grund der Lagune ca. 20 kg Plutonium und eine hohe Konzentration Plutonium wurde im Plankton festgestellt. Rodionukleide strömen in die Umwelt, Spaltprodukte sickern in die Biosphäre und gelöstes Plutonium gelangt aus der Lagune ins Meer und die Nahrungskette. Wenn die Proteste keinen Erfolg haben sollten, können die nächsten Tests nach den Befürchtungen von Wissenschaftlern dem geschundenen Atoll den Rest geben und es würde auseinanderbrechen.
Hatte Greenpeace bei der Ölplattform Brent Spar noch mit längeren Aktionen vorarbeiten müssen, bis der Protest breit aufgenommen wurde, ist der Anachronismus der Tests nach Ende des Kalten Krieges, die massive Gefährdung der Region und die Torpedierung der Bemühungen um ein weltweites Teststopabkommen überall sofort verstanden worden. Man spürt auch, daß damit die brüchige Übereinkunft zwischen Atomwaffenbesitzern und Nichtbesitzern bei der gerade erfolgten unbefristeten Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages ("Atomwaffensperrvertrag"), der die Beendigung des Rüstungswettlaufes und das Versprechen zur nuklearen Abrüstung zur Geschäftsgrundlage hat, massiv gefährdet wird. Die atomaren Habenichtse waren mit der Aussicht auf einen umfassenden Teststop zur Unterschrift gedrängt worden. Die Tests von China und Frankreich heizen ein neues atomares Wettrüsten an. Es erhebt sich der schlimme Verdacht, daß die Atomwaffenstaaten 50 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki eine neue Generation kleinerer Atomwaffen schaffen wollen, die regionale Atomkriege möglich machen und ihre Vormachtstellung in der Welt sichern sollen.
Material
In einer Handreichung hat das Büro des Netzwerk Friedenskooperative Beispiele von Protesten zusammengefasst, die zu eigenen Aktionen oder zur Unterstützung von Protesten ermuntern (gegen 5,- DM Kopierkosten incl. Porto im Büro erhältlich). Sie soll ständig aktualisiert werden.
Zur Frage der Atomtests allgemein hat das Büro ein Infoset mit Hintergrundinformationen zusammengestellt, das bei für 15,- DM incl. Porto erhältlich ist.
Von Neuseeland bis Skandinavien protestieren Menschen mit Mahnwachen, Unterschriftensammlungen oder dem Boykott französischer Waren und alle Leitartikler sind sich einig. Im Europaparlament wurde Chirac ausgebuht wie noch nie jemand vor ihm. Ganze Flottillen von Schiffen wollen mit Greenpeace vor Ort durch Eindringen in die 12 Meilen Zone die Tests verhindern.
Auch in Frankreich selbst, wo die die force de frappe nationaler Konsens und Widerspruch gegen Atomkraftwerke abweichendes Verhalten sind, regt sich Protest. Noch nie ist ein neugewählter Staatspräsident in der Popularitätskurve derart rasch gesunken. Mehr als die Hälfte aller Franzosen sind mit der Entscheidung ihres Präsidenten nicht einverstanden.
Gruppen der französischen Friedensbewegung planen weitere Protestaktionen, so am 6. August in Paris und weiteren Städten. Am 30. September soll eine internationale Demonstration in Paris organisiert werden. Kontakt: Appel des Cent, 17-19, Place de l`Argonne, 4e étage, 75019 Paris, Tel. 0033/1/42092378, Fax: 0033/1/42092350. Ein Minibus "NON aux essais" von "Les Verts" fährt vom 17. Juli bis zum 28 August durch alle französischen Regionen, um für den Protest zu werben. Eine Koalition aus französischen Organisationen hat auch einen gemeinsamen "Appel international" für einen sofortigen allgemeinen Teststop initiiert.
Die weltweiten Proteste nähren sich von der Hoffnung, daß die öffentliche Meinung in Frankreich und der politische Druck vieler Staaten auf die französische Regierung zu einer Revision der Entscheidung führt. Die AtomtestgegnerInnen in Polynesien, Neuseeland und Australien hoffen dabei, daß wachsender Protest gerade bei den Bündnispartnern Deutschland und USA noch etwas bewirken könne.
Die vielen vorhandenen Städtepartnerschaften, deutsch-französische Freundschaftsorganisationen und persönliche Bekanntschaften können sicher positiv genutzt werden. U.a. die IPPNW schlägt vor, unter dem Motto "Zeigt Eure Freundschaft, Freunde!" gemeinsame Aufrufe von deutsch-französischen BürgermeisterInnen gegen die Tests zu initiieren. Das Aktionsbündnis des Neuen Forums "Wir bomben auch" hat zum französischen Nationalfeiertag symbolisch ein Atomtestzentrum um das französische Institut in Berlin abgesperrt. Viele Mahnwachen haben bereits an französischen Einrichtungen in der Bundesrepublik stattgefunden. Bei einer Demonstration in Trier z.B., bei der "den Franzosen der Marsch geblasen" wurde, nahmen 600 Menschen teil. Verschiedene Meinungen gibt es zur Frage des Boykotts französischer Produkte. So haben z.B. der BUND, die DFG-VK, die IPPNW und auch das International peace bureau zum Boykott aller französischen Produkte aufgerufen ("Keinen Appetit auf französischen Käse und Wein"). In verschiedenen Orten haben Gaststätten Cognac, Bordeau und Champagner von den Karten gestrichen. Greenpeace spricht sich dagegen aus, unterschiedslos alle französischen Produzenten zu boykottieren. Auch andere befürchten ein Abgleiten in nationalistische Töne. Die IPPNW hat alle großen französischen Lebensmittelexporteure aufgefordert, sich den Protesten anzuschließen. Durch ein Etikett gegen Atomtests auf den Produkten würde es für Kunden leicht erkennbar, daß diese Produkte ohne Bedenken gekauft werden können. Einig sind die meisten beim Boykott von französischen Autos und der Air France und Produkten von Staatsbetrieben. Zahlreiche Initiativen sammeln Unterschriften gegen die Tests, die dem französischen Staatspräsidenten zum 1. September übergeben werden sollen und fordern zu eigenen individuellen Protestbriefen auf. Die internationale E-Mail-Gemeinde richtet ihren Protest direkt an die Internet-Adresse von Jacques Chirac.
Dabei geht es 50 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki auch darum, alle Regierungen zum Abschluß eines umfassenden Teststopabkommens zu drängen.
Wir finden auch gerade lokale Aktionen wichtig und wollen mit einer ständig aktualisierten Informationssammlung von Aktionen und Terminen zu ihrer Vernetzung und gegenseitigen Stärkung beitragen. Bitte sendet uns ständig Infos zu Euren eigenen Aktionen, Flugblätter, Kopien von Protestbriefen oder Unterschriftenlisten!
50 Jahre danach
Der Protest gegen die Atomtests spielt auch bei den weltweiten Gedenkfeiern und Aktionen zum 50. Jahrestag der ersten Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 eine große Rolle. In der US-amerikanischen Statistik werden die Abwürfe, an deren Folgen bisher über 300.000 Menschen starben, zynisch als Tests Nr. 2 und 3 geführt.
In Japan wird das Gedenken an die Opfer immer auch mit dem Appell zur vollständigen nuklearen Abrüstung verbunden. Dies wird von zahlreichen Aktionen, die zum 6. August in der BRD stattfinden, aufgegriffen. Neben Mahnwachen und Kundgebungen in Städten will die Initiative EUCOMunity wieder mit einer gewaltfreien Aktion Zivilen Ungehorsams in das US-Hauptquartier der US-Streitkräfte für Europa eindringen.
Mittlerweile haben sich über 400 Städte dem von Hiroshima und Nagasaki initiierten "Programm zur Förderung der Städte mit dem Ziel der vollständigen Abschaffung von Atomwaffen" angeschlossen, 102 davon in der Bundesrepublik, u.a. Nottuln bei Münster. Deren rührige Friedensinitiative erwartet am 5. August zwei offizielle Vertreter der Stadt Hiroshima zu Gast, die auch an den Gedenkfeiern in Hiroshimas Partnerstadt Hannover teilnehmen. In Hannover findet die Veranstaltungsreihe "Erinnern für die Zukunft" von August bis Oktober statt.
Abschalten - Abrüsten!
Die Kampagne "Atomwaffen abschaffen!" will ihre gemeinsame Arbeit auch nach dem Abschluß der New Yorker Konferenz, bei der der Nichtverbreitungsvertrag unverändert und unbefristet verlängert wurde, fortsetzen und erweitern. Es sollen Initiativen für die Aufnahme von Verhandlungen über die geforderte Konvention zur Abschaffung aller Atomwaffen ergriffen werden. Hoffnungen richten sich auf die beim Internationalen Gerichtshof anhängige Frage der Weltgesundheitsorganisation und der Vereinten Nationen, ob der Einsatz von Atomwaffen und dessen Androhung völkerrechtswidrig ist.
Für die Bundesrepublik geht es der Kampagne ("bei uns anfangen!") vorrangig um den Verzicht auf jede nukleare Teilhabe, also auch bzgl. einer künftigen EU-Streitmacht, und den Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft (Hanau) und der Verwendung von hochangereichertem Uran (Forschungsreaktor Garching).
Zum Hiroshima-Tag hat die Kampagne eine Großanzeige in der ZEIT geschaltet, in der die Forderungen zusammengefasst und begründet werden. Stärker noch als bisher will die Kampagne deutlich machen, daß die zivile und militärische Nutzung der Atomenergie nicht voneinander zu trennen sind und die Gefahren ineinandergreifen. Die Naturwissenschaftlerinitiative plant dazu einen Kongreß "zivil/militärische Atomenergie". Es muß uns gemeinsam mit den Gruppen der Anti-AKW- und Umweltbewegung um "Abschalten - Abrüsten!" gehen.