Das idyllische Oberndorf und seine tödlichen Geschäfte

Protest und Tribunal gegen Heckler & Koch

von Carlotta Vogel
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Für den 8. Oktober 2021 hatten Antimilitarist*innen von „Rheinmetall Entwaffnen“ bundesweit zu einem Aktionstag gegen den Rüstungskonzern Heckler & Koch aufgerufen.

Dieser Aktionstag stand auch im Zusammenhang mit der Reise der Zapatistas aus Chiapas/Mexiko, die das Europa von unten und links in den vergangenen Monaten besucht haben.

Heckler & Koch ist mit seinen Kleinwaffen verantwortlich für den Einsatz gegen kritische Aktivist*innen zum Beispiel in Mexiko. Eine größere Öffentlichkeit gab es in Deutschland zur Ermordung und dem Verschwindenlassen von 50 Studierenden mit G36-Gewehren von Heckler & Koch im September 2014.

Der Auftakt des Aktionstags am 08.10.2021 war der Versuch, die Tore von Heckler & Koch zu blockieren. Dies wurde mit größtmöglichem Polizeieinsatz verhindert. Der Einsatz des großen Polizeiaufgebots mit Hubschraubern, Drohnen und Räumpanzern zeigte, dass die Ordnungskräfte in jedem Fall verunmöglichen wollten, dass die Rüstungsindustrie in Oberndorf an diesem Tag ruhen muss.

Schon im Vorfeld wurde in den regionalen Medien Stimmung gegen den antimilitaristischen Aktionstag gemacht.  Martialische Bilder zeigte der brutale Polizeieinsatz am Morgen, der auch zum Krankenhausaufenthalt für einen Demonstranten führte. Mehrere Menschen wurden schon am frühen Morgen gekesselt, malträtiert, und die Polizei erteilte ihnen Platzverweise.

Ein Angriff der Polizei auf das Pressefahrzeug von „Rheinmetall Entwaffnen“ mit der Begründung „Gefahr in Verzug“ führte zur Beschlagnahme jeglicher Datengeräte bis zum Fotoapparat.

Vor dem Haupttor von Heckler & Koch fand dann um 10:00 Uhr das Tribunal gegen den Rüstungskonzern aus Oberndorf statt.

Die Anklage stand auch in der Tradition des diesjährigen Tribunals vor dem BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) in Eschborn bei Frankfurt am Main. Dort wurde die Verantwortlichkeit dieser Bundesbehörde bei deutschen Waffenexporten in die ganze Welt thematisiert und nachgewiesen. Vor anderthalb Jahren, am 4. Februar 2020, wurde dieses Bundesamt blockiert, um Bewilligungen von Rüstungsexporten zu verunmöglichen: Mehr als 40 Menschen haben deshalb Verfahren wegen HausFRIEDENSbruch und Nötigung. Die Einsprüche gegen die Strafbefehle führen zu Prozessen, die vor den Gerichten politisch geführt und solidarisch begleitet werden.

Beim Tribunal in Oberndorf kamen bekannte Akteure wie Jürgen Grässlin (Aktion Aufschrei), der zu Endverbleibserklärungen und zum Prozess gegen Heckler & Koch zugeschaltet wurde, oder Lothar Eberhardt (der zu Zwangsarbeit bei der NS-Rüstungsschmiede Mauser etwas sagen konnte, sowie Jan van Aaken (Die Linke), der zur Problematik der Kleinwaffen insgesamt schriftliche Ausführungen machte.

Aber auch die Initiative „Rheinmetall Entwaffnen“ selbst kam zu Wort und befasste sich mit der Geschichte von Heckler & Koch seit deren Gründung. Nahezu utopisch – aber doch hoffnungsfroh -  die Forderung nach Zerschlagung des wirtschaftlich hoch verschuldeten Rüstungskonzerns, um mit dem Erlös eine Stiftung zu gründen, die alle Opfer derer Rüstungsgeschäfte entschädigt.

Felicitas Treue, die als Therapeutin einige Jahre in Mexiko in einer Antifolterinitiative gearbeitet hatte, berichtete über die Gewaltverhältnisse in Mexiko, insbesondere gegen Frauen, die mit Hilfe sogenannter Kleinwaffen bedroht oder getötet werden. Schon zu Beginn des Tribunals waren verschiedene Delegierte der zapatistischen Reise sowie Vertreter*innen des indigenen Rates anwesend. Ihnen wurde der Inhalt der Anklage synchron übersetzt. Zwei Vertreter*innen des indigenen Rates sprachen dann auch über ihre Gewalterfahrungen und die Verantwortlichkeit der deutschen Regierung, klare Exportverbote für Rüstungsgüter auszusprechen, damit diese nicht von Regierungen, Paramilitärs und Drogenbanden gegen die Bevölkerung eingesetzt werden können.

Das zweieinhalbstündige Tribunal erreichte eine starke Aufmerksamkeit des Publikums, das trotz Kälte durchhielt.

Im Anschluss daran gab es eine Abschlussdemonstration zum Bahnhof von Oberndorf, die lange Serpentinen mit massiver und berittener Polizeipräsenz abwärts in den Ort führte. Während der ganzen Demonstration versuchte die Polizei zu provozieren, wo es nur möglich war. Auch deshalb kann es als Erfolg betrachtet werden, dass die Demo mit einer gemeinsamen Abschlusskundgebung beendet werden konnte.

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Carlotta Vogel arbeitet bei der Initiative Rheinmetall entwaffnen Rhein-Main mit.