Rambouillet oder die allerletzte Chance

von Andreas Zumach
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Offene Fragen

Die Konferenz von Rambouillet: "80 Prozent unserer Vorstellungen werden durchgepeitscht"

Angesichts der Erfolglosikeit von Botschafter Hill und der Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen lud die Balkan- Kontaktgruppe die Regierung Milosevic und die Kosovo-Albaner Mitte Januar zu direkten Verhandlungen in das Jagdschloss Rambouillet bei Paris ein. Für die Teilnahme an den Verhandlungen stellte die Kontaktgruppe "Grundregeln" auf, die zuvor von beiden Konfliktparteien schriftlich akzeptiert wurden. So sollte in Rambouillet zunächst eine Übereinkunft über den politischen Teil einer Autonomieregelung erzielt werden. Erst danach waren Verhandlungen über zivile und militärische Maßnahmen zu dessen Umsetzung (Implementierun) - das heißt u.a. über die Stationierung einer internationalen Truppe im Kosovo - vorgesehen. Diese in den "Grundregeln" vorgesehene Aufteilung der Verhandlungen war ein Kompromiss innerhalb der Kontaktgruppe.

Ihre fünf westlichen Mitglieder hatten sich bereits frühzeitig öffentlich auf die Notwendigkeit der Stationierung einer NATO-geführten Truppe im Kosovo festgelegt. Doch Russland war dagegen und kritisierte zudem die seit Oktober bestehende Drohung der NATO, Luftangriffe zu fliegen. Auf Basis der Vorarbeiten von US-Unterhändler Hill erarbeitete die Kontaktgruppe bis zum 27. Januar einen ersten Entwurf für ein Autonomieabkommen. Entsprechend den von beiden Konfliktparteien akzeptierten "Grundregeln" enthielt dieser Entwurf nur einen politischen Teil und keinerlei Aussagen über zivile oder militärische Implementierungsmaßnahmen. Der Entwurf wurde den beiden Delegationen der Regierung Restjugoslawiens und der Kosovo-Albaner zum Auftakt der Rambouillet-Konferenz am 6. Februar von den drei Vermittlern Hill (USA), Boris Majorski (Vizeaußenminister Russlands) und Wolfgang Petritsch (für die EU) vorgelegt.
 

Viel Spielraum für Verhandlungen gebe es für die beiden Konfliktparteien nicht, erklärte der Österreicher Petritsch in einem am selben Tag veröffentlichten Interview. Petritsch wörtlich: "80 Prozent unserer Vorstellungen werden einfach durchgepeitscht." Die beiden Delegationen würden im Jagdschloss Rambouillet "wie in einem Konklave interniert". Pressekontakte und vorzeitige Abreise seien ihnen "strikt verboten". Trotz des Verhandlungsdrucks werde die Konferenz "am Schluss aber wohl auf ein Diktat der Kontaktgruppe hinauslaufen", kündigte der EU-Vermittler an. Und Petritsch drohte: "Vor Ende April wird der Kosovo-Konflikt entweder formal gelöst sein, oder die NATO bombardiert."

Die Kontaktgruppe hatte nicht nur eine staatliche Unabhängigkeit für das Kosovo ausgeschlossen. Auch das im Herbst 1998 noch diskutierte Modell, Kosovo den Status einer mit Serbien und Montenegro gleichberechtigten dritten Republik innerhalb der restjugoslawischen Föderation zu geben, stand zu Beginn der Rambouillet-Konferenz nicht mehr zur Debatte. Die Regierung Montenegros hatte in Washington und anderen Hauptstädten erfolgreich interveniert. Sie fürchtete, dieses Modell werde zur Verringerung ihres Einflusses in der restjugoslawischen Föderation führen. Die Kontaktgruppe bezeichnete ihren Entwurf vom 27. Januar als Vorschlag für eine "weitreichende Autonomie" des Kosovo innerhalb der Republik Serbien. Tatsächlich blieb der Entwurf in einigen Punkten (z.B. Währungs- und Wirtschaftsfragen) hinter dem Autonomiestatut zurück, das in der Verfassung Jugoslawiens von 1974 festgelegt wurde und das bis zu seiner Aufhebung durch Milosevic im Frühjahr 1989 in Kraft war.

Die Delegation Restjugoslawiens erklärte zwar ihre prinzipielle Bereitschaft zur Unterzeichnung einer politischen Autonomieregelung, meldete gegenüber dem Entwurf der Kontaktgruppe jedoch erhebliche Veränderungswünsche an. Unter anderem gingen die von der Kontaktgruppe vorgesehenen Kompetenzen für das Parlament und die Justizbehörden der künftigen autonomen Provinz Kosovo der Delegation aus Belgrad zu weit; eine Zuständigkeit des UNO-Kriegsverbrechertribunals für die im Kosovo begangenen Verbrechen sollte ausdrücklich ausgeschlossen werden; schließlich sperrte sich die restjugoslawische Delegation gegen eine verbindliche Garantieerklärung bezüglich der Rückkehr sämtlicher Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Dörfer. Die kosovo-albanische Delegation erklärte sich bis auf einige unwesentliche Details mit den im Entwurf der Kontaktgruppe vorgeschlagenen Autonomiestatut einverstanden. Die Unterzeichnung eines Abkommens machte die Delegation allerdings von zwei Bedigungen abhängig: erstens müsse das Abkommen neben dem von der Kontaktgruppe vorgelegten Autonomiestatut auch einen Teil über die militärische Implementierung enthalten, in dem die Stationierung einer NATO-Truppe oder zumindest von der NATO geführter internationaler Streitkräfte vorgesehen sein müsse. Zweitens verlangten die Kosovo-Albaner die Festlegung, dass drei Jahre nach Inkrafttreten eines Autonomie-Abkommens in einem völkerrechtlich verbindlichen Referendum über den endgültigen Status des Kosovo entschieden wird.
 

Zwischen Geheimniskrämerei und Geheimdiplomatie Mitte der zweiten Konferenzwoche legte US-Unterhändler Hill einen Entwurf für die militärische Implementierung einer Autonomieregelung vor - das Kapitel 7 im entgültigen Vertragsentwurf vom 23. Februar, der am 18. März in Paris von der kosovo-albanischen Delegation unterschrieben wurde. Dieses Kapitel 7 enthält Bestimmungen zur Stationierung einer internationalen Truppe (Kosovo Forces, KFOR) im Kosovo - mit knapp 30.000 Soldaten und unter Führung der NATO. Diese Bestimmungen entsprachen der Forderung, die die Regierungen der fünf westlichen Staaten der Kontaktgruppe auch in der Öffentlichkeit vertraten. Ein "militärischer Annex B" zu Kapitel 7, von dem während der Rambouillet-Konferenz und auch in den ersten sechs Wochen nach ihrem Scheitern am 23. Februar öffentlich nie die Rede war, enthält allerdings sehr viel weitergehende Vorstellungen: in dem Annex ist vorgesehen, dass sich die NATO-geführte Truppe in der "gesamten Föderation Jugoslawien"- das heißt in ganz Serbien und Montenegro - frei und ungehindert bewegen darf und sämtliche Infrastruktureinrichtungen der Föderation (Straßen, Häfen, Flugplätze etc.) jederzeit gebührenfrei nutzen kann. Außerdem sollten die Soldaten der NATO-geführten Truppe Immunität vor Festnahme, Ermittlungen oder Verhaftung durch die örtlichen Behörden genießen.

Die Veröffentlichung der Artikel 6-11 des militärischen Annex B durch die in Berlin erscheinende "Tageszeitung" am 6. April führte in Deutschland zu einer innenpolitischen Kontroverse über die Frage, ob in Rambouillet tatsächlich "sämtliche diplomatische Möglichkeiten ausgeschöpft" (Fischer) worden waren, um eine Vereinbarung zu finden, die die Luftangriffe der NATO verhindert hätten. Verschiedene Mitglieder der rot-grünen Mehrheit des Bonner Parlaments übten scharfe Kritik an dem militärischen Annex B. Mit diesem Text sei "den Serben quasi ein NATO-Besatzungsstatut aufdiktiert" worden, meinte Andrea Nahles (SPD), und Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Grüne erklärte: "Dieser Annex musste aus Sicht Belgrads unakzeptabel sein", es sei "vollkommen klar gewesen, dass Milosevic so etwas nicht unterschreiben konnte". Wenn sie selbst den Annex gekannt hätte, so hätte sie sich im Bundestag "gegen die (...) Umsetzung der Activation Order - also den Beginn des Luftkrieges - ausgesprochen", betonte Beer am 11. April in einem Schreiben an Außenminister Fischer und die grüne Fraktion. Nach Einschätzung von Hermann Scheer (SPD) "konnte der Vertrag von Rambouillet keine Grundlage für Frieden auf dem Balkan sein. Die Gewährung voller Operationsfreiheit für die NATO hätte kein jugoslawischer Politiker unterschreiben können - nicht einmal ein demokratischer Nachfolger von Milosevic." Der Fraktionsgeschäftsführer der FDP, Jörg van Essen, forderte, die Bundesregierung müsse "klarstellen, ob in dem Vertragsentwurf von Rambouillet tatsächlich Einschränkungen der Souveränität Jugoslawiens oder, wie bislang dargestellt, lediglich die Stationierung einer von der NATO geführten Implementierungsgruppe im Kosovo vorgesehen waren". Abgeordnete aller Fraktionen warfen dem für die Rambouillet-Konferenz zuständigen Bundesaußenministerium vor, Parlament und Öffentlichkeit unzureichend und zu spät über den Text des Vertragsentwurfs von Rambouillet informiert zu haben. Das Ministerium habe "Geheimniskrämerei" (Scheer) und "Geheimdiplomatie" (Nahles) betrieben. Van Essen bezeichnete es als "ungewöhnlichen Vorgang, dass der Text über den militärischen Anhang dem Bundestag erst durch die Veröffentlichung in einer Tageszeitung und auf den Druck verschiedener Abgeordneter hin zugestellt wurde".

Nach der Veröffentlichung von Teilen des militärischen Annex B in der "Tageszeitung" hatten sich Abgeordnete aller fünf Bundestagsfraktionen darüber beschwert, sie hätten den gesamten Text des Abkommens von der Bundesregierung noch nicht erhalten. Am 9. April erklärte der Sprecher von Außenminister Fischer, der Text sei dem Bundestag erst an diesem Tage zugeleitet worden. Der Grund sei "die von den Teilnehmern der Rambouillet-Konferenz vereinbarte Vertraulichkeit" des Vertragsentwurfs, der nach Aussetzung der Konferenz am 23. Februar und ihrer Verschiebung auf den 15. März weiterhin Gegenstand von Verhandlungen war. Warum diese "Vertraulichkeit" auch noch galt, nachdem die kosovo-albanische Delegation am 18. März in Paris den gesamten Entwurf (inklusive des militärischen Annex B) unterschrieben hatte und der Entwurf nicht mehr Gegenstand von Verhandlungen war, wusste das Auswärtigen Amtes nicht zu erklären. Am 12. April korrigierte das Außenministerium seine ursprüngliche Darstellung der eigenen Informationspolitik. Bereits am 24. Februar (einen Tag nach dem Ende der Rambouillet-Konferenz sowie einen Tag vor der Abstimmung des Bundestages über die Beteiligung an einer internationalen Implementierungstruppe) habe Minister Fischer den Auswärtigen Ausschuss des Bundestages mündlich über Verlauf und Ergebnis der Rambouillet-Verhandlungen informiert. Dabei wurden dem Ausschussvorsitzenden Hans-Ulrich Klose (SPD) zwei Exemplare des Vertragsentwurfes inklusive des militärischen Annex B übergeben sowie den Obleuten der fünf Fraktionen je eine Kopie.
 

Bis zur Drucklegung dieses Artikels (Ende April 1999) blieb unklar, ob und wann die sechs Empfänger des Vertragsentwurfs vom 24. Februar das Dokument und insbesondere den umstrittenen militärischen Annex B zur Kenntnis nahmen, und inwieweit sie das Dokument anderen Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses oder darüber hinaus ihrer jeweiligen Fraktionen zugänglich machten. Unbeantwortet ist auch weiterhin die Frage, wann die Spitze des Außenministeriums über den Vertragsentwurf und den Annex B informiert war. Zumindest bis zur Veröffentlichung des Annex B durch die "Tageszeitung" am 6. April sowie in den drei Tagen danach erklärten zwei Mitglieder der dreiköpfigen Leitungsebene unterhalb von Minister Fischer - bestehend aus den Staatsministern Ludger Volmer (Grüne), Günter Verheugen (SPD) sowie Staatssekretär Wolfgang Ischinger - gegenüber Journalisten und Abgeordneten, ihnen sei der Annex bis dato nicht bekannt und sie könnten dazu keine Stellung nehmen. Das dritte Mitglied der Leitungsebene verbreitete auf Nachfragen die Falschinformation, die in der "Tageszeitung" veröffentlichten Auszüge aus dem Annex B seien eine überholte Version und nicht mehr gültig. Die vielfach aufgeworfene Frage, wann Fischer selber den Vertragstext und den Annex B zur Kenntnis nahm, hat der Außenminister bislang nicht beantwortet.

So ungeklärt weiterhin die Frage ist, wer wann über den Vertragstext inklusive Annex B informiert war und andere informiert hat, so widersprüchlich sind die Reaktionen auf die Kritik am Inhalt des Annex B. "Es war uns vollkommen klar, dass sich ein souveränes Land mit diesen Bestimmungen am schwersten tut", räumte EU-Unterhändler Petritsch ein. Bundesaußenminister Fischer erklärte hingegen, es sei "völliger Quatsch, von einer Souveränitätseinschränkung für Jugoslawien zu sprechen." "Warum ist überhaupt gefordert worden, dass sich die NATO-Truppen in ganz Jugoslawien und nicht nur im Kosovo frei bewegen dürfen?" Auf diese Frage der "Süddeutschen Zeitung" antwortete Petritsch: "Das war nicht so gemeint. Das hätte ja dem Geist des Vertrages und auch dem Geist von Rambouillet absolut widersprochen." Fischer betonte einerseits zwar, Annex B sei "verhandelbar" gewesen, unterstrich andererseits aber die Unverzichtbarkeit der darin enthaltenen Bestimmungen für den Auftrag einer internationalen Truppe zur Implementierung einer Autonomieregelung für das Kosovo. Fischers grüner Staatsminister Volmer behauptete in einer schriftlichen Stellungnahme vom 12. April 1999, entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Annex B, Artikel 8 ("ungehinderte Bewegungsfreiheit der NATO in der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien inklusive ihres Luftraumes sowie ihrer Territorialgewässer") sei lediglich die Präsenz von NATO-Truppen in einem schmalen Grenzstreifen außerhalb des Kosvo vorgesehen. Volmer wörtlich: "Die Bestimmungen des Annex B reichen zudem nicht weiter als die Befugnisse, die in dem zugrundeliegenden Kapitel 7 für die KFOR gesetzt werden. Die einschlägigen Regelungen dieses Kapitels beziehen sich aber geographisch nur auf den Kosovo mit folgenden zwei Ausnahmen:
 

1. In einer Zone 25 Kilometer außerhalb des Kosovo dürfen Waffensysteme der Luftverteidigung nur auf Antrag und mit Genehmigung Weiter mit CR stationiert werden.

2. In einer 5 Kilometer breiten Zone außerhalb des Kosovo dürfen sich bewaffnete Kräfte nur nach vorheriger Anmeldung aufhalten."

Außenminister Fischer betonte einerseits zwar die Unverzichtbarkeit der in Annex B formulierten Regelungen für die Operationsfähigkeit einer internationalen Truppe zur Implementierung eines Autonomieabkommens. "Der Annex entspricht den Regelungen, wie sie in Dayton getroffen wurden, er entspricht den Regelungen für den Einsatz von UN-Friedenstruppen." Andererseits erklärten Fischer und EU-Unterhändler Petritsch übereinstimmend, der Annex sei "verhandelbar" gewesen.

Dieser Version widersprechen allerdings russische Diplomaten, die mit dem Verlauf der Rambouillet-Konferenz vertraut sind, allerdings namentlich nicht genannt werden wollen. Nach ihrer Darstellung wurden der Annex B und andere in Kapitel 7 des Vertragsentwurfs enthaltene Bestimmungen zur militärischen Implementierung von der NATO formuliert und den beiden Delegationen in der zweiten Konferenzwoche in Rambouillet von den USA und Großbritannien ohne vorherige Konsultation in der Kontaktgtruppe als "nicht verhandelbar" vorgelegt. Auch der russische Unterhändler Majorski sei vorab nicht über die Texte informiert worden. Fischer und Petritsch erklären übereinstimmend, über Annex B sei in Rambouillet und Paris nicht verhandelt worden, weil die Delegation Restjugoslawiens jede Diskussion nicht nur über den Annex, sondern grundsätzlich zum Thema "militärische Implementierung" verweigert habe.

Das ist zwar richtig. Und insofern ist die Behauptung, die Konferenz von Rambouillet sei am Annex B gescheitert, falsch. Es bleibt allerdings die Frage, ob andere Formulierungen in Annex B sowie in Kapitel 7 (zum Beispiel über eine UNO-Truppe statt einer NATO-Truppe), die Chancen für einen Erfolg der Konferenz nicht doch erhöht hätten. Unter erheblichem Druck der eigens angereisten US-Außenministerin Madeleine Albright bestand die Delegation der Kosovo-Albaner in den letzten Tagen der Kosovo-Konferenz nicht mehr darauf, dass drei Jahre nach Inkrafttreten des Autonomieabkomens ein völkerrechtlich verbindliches Referendum über den endültigen Status des Kosovo stattfinden müsse. Ein solches Referendum hätte angesichts der albanischen Bevölkerungsmehrheit von rund 90 Prozent die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo zur Folge. Die kosovo-albanische Delegation akzeptierte die unverbindlichere Formulierung, wonach der Wille der Kosovo-Albaner nach drei Jahren in geeigneter Form berücksichtigt werden soll.
 

Am 23. Februar, dem letzten Tag der Rambouillet-Konferenz, schickten beide Delegationen ein Schreiben an die Konferenzvorsitzenden, die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens, Hubert Vedrine und Robin Cook. Die kosovo-albanische Delegation erklärte die Bereitschaft, das Abkommen in seiner zu diesem Zeitpunkt vorliegenden 82-seitigen Fassung (politische Autonomieregelung plus zivile und militärische Implemenierungsregeln inklusive Annex B) zu unterzeichnen - nach einer zweiwöchigen Diskussion unter der kosovo-albanischen Bevölkerung, politischen Organistionen und Parteien. Die restjugoslawische Delegation bekundete zwar auch die grundsätzliche Bereitschaft zur Vereinbarung einer politischen Autonomieregelung, blieb aber bei wesentlichen Einwänden gegen den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Textentwurf. Den militärischen Implemtierungsteil inklusive Annex B bezeichnet die Delegation als für sie nicht existent.

Trotz dieser Sachlage, die viele Beobachter als Scheitern der Konferenz werteten, verkündeten Cook und Vedrine auf der abschließenden Pressekonferenz von Rambouillet den "Erfolg" einer "prinzipiellen Vereinbarung" über den politschen Teil der Autonomieregelung. Auf der Nachfolgekonferenz in Paris sei lediglich noch der Implementierungsteil zu vereinbaren. Die beiden Teile seien ein "unauflösbares Paket". Vedrine und Cook betonten, Russland trage diese Paket uneingeschränkt mit. Entsprechende Botschaften verbreiteten die Außenminister USA, Italiens und Deutschlands - letzterer u.a bei der mündlichen Unterrichtung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages vom 24. Februar. Die optimistisch gefärbten Rambouillet-Berichte Fischers und seiner vier westlichen Amtskollegen aus der Balkan-Kontaktgruppe verfehlten ihren Eindruck bei den Bonner Abgeordneten nicht. Dies zeigt unter anderem die gemeinsame Stellungnahme, mit der die grüne Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller und sechs weitere Mitglieder der Fraktion am 1. März begründeten, warum sie am 25. Februar im Bundestag der Beteiligung der Bundeswehr an der militärischen Umsetzung eines Kosovo-Abkommens zustimmten. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: "Manche Kommentatoren sprechen vorschnell von einem Scheitern der Rambouillet-Verhandlungen. ... Die bisherigen, wenn auch vorläufigen Verhandlungserfolge sind enorm: Durchgesetzt wurde ein von der Balkan-Kontaktgruppe (D, GB, FR, IT, RU, USA) getragener multilateraler Verhandlungsprozess. .... Im Gegensatz zur Lage im Herbst (NATO-Drohung mit Luftangriffen) und im Dezember ist Russland nun wieder mit im Boot. Damit haben sich die Chancen für ein UN-Mandat wieder entscheidend verbessert."
Die Informationen, die die Abgeordneten zu diesen, für ihr Stimmverhalten wesentlichen Einschätzungen führten, waren falsch. Spätestens, als den beiden Delegationen in Rambouillet Entwürfe für den militärischen Implementierungsteil und der Annex B vorgelegt wurde, gab es keinen von der gesamten "Balkan-Kontaktgruppe (D, GB, FR, IT, RU, USA) getragenen multilateralen Verhandlungsprozess" mehr. Russland war nicht mehr "mit im Boot". Zu keinem Zeitpunkt während und nach Rambouillet unterstützte Russland den militärischen Implementierungsteil des Abkommens. Das bestätigte inzwischen, sieben Wochen nach dem Ende der Rambouillet-Konferenz und drei Wochen nach Beginn des NATO-Luftkrieges gegen Restjugoslawien auch EU-Vermittler Petritsch: "Russland hat gesagt, solange es keine Einladung für internationale Truppen durch Belgrad gibt, reden wir nicht über die militärische Implementierung."

Zum Auftakt der Pariser Folgekonferenz am 15. März bekundete die kosovo-albanische Delegation ihre Bereitschaft zur sofortigen Unterzeichnung. Die Delegation Restjugoslawiens blieb bei ihrer Weigerung, über militärische Implementierungsfragen zu diskutieren und legte einen 40-seitigen Alternativentwurf zu der politischen Autonomieregelung vor. Darin wurde die Änderung von rund 70 Prozent des Entwurfs der Kontaktgruppe verlangt. In einer Reihe von Punkten machte die Belgrader Delegation ihre bereits in Rambouillet gegebene Zustimmung wieder rückgängig. Die kosovo-albanische Delegation akzeptierte keine Änderungswünsche mehr und wurde dazu auch von den drei Vermittlern nicht gedrängt. Der 82-seitige Vertragsentwurf in seiner Fassung vom 23. Februar wurde in Paris nicht mehr verändert, und am 18. März von der kosovo-albanischen Delegation unterzeichnet. Damit war die Konferenz abgeschlossen.
 

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