Drohnenkrieg und Ramstein

Ramstein und die Relevanz für den US-Drohnenkrieg

von Marius Pletsch
Schwerpunkt
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Der US-Drohnenkrieg ist aufgrund der Art und Weise, wie er geführt wird – als sogenannte „Remote-Split Operations“ – enorm abhängig von den Datenverbindungen. Die wichtigen Datenverbindungen, mit denen diese Art der Kriegsführung steht und fällt, laufen (auch) über die Luftwaffenbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz. Dieser Stützpunkt war und ist ein zentraler Knotenpunkt, sowohl was die Datenverbindung angeht, aber auch für Material und die Soldat*innen, die über die Basis in die Einsatzregionen verbracht werden. Drohnen der USA, die in Afrika oder im Nahen und Mittleren Osten im Einsatz sind, werden weder von Ramstein gestartet noch gesteuert. Aber die notwendigen Daten, die zwischen den Drohnenoperateur*innenen und den Drohnen selbst hin und her geschickt werden, laufen hier durch.

Ramstein ist Heimat des 603rd Air and Space Operations Centre (AOC), über das die Operationen der US Air Forces in Europe & Air Forces in Africa (USAFE – AFAFRICA) geplant, geleitet und ausgewertet werden. Das US Africa Command (US AFRICOM) und US European Command (US EUCOM) liegen in Stuttgart, sodass auch auf der Planungsebene wichtige Einrichtungen in Deutschland liegen.

Ramstein hat schon seit den Anfängen des Einsatzes von Predator-Drohnen in Afghanistan 2000 – damals, vor dem 11 September 2001 noch unbewaffnet – diese zentrale Rolle inne. Um den möglichen Datendurchsatz zu erhöhen, wurden zusätzliche Baumaßnahmen vorgenommen, die 2013 fertiggestellt wurden. (1) Wie wichtig Ramstein in der Drohnenkriegsführung war und nur noch zum Teil immer noch ist, ergibt sich z.B. aus den Aussagen von Whistleblower*innen, die sich z.B. wie der ehemalige Drohnenpilot Brandon Bryant stets über Ramstein einwählen mussten, um eine Satellitenverbindung zu der zu steuernden Drohne aufzubauen. (2)

„Remote-Split Operations“ und die dafür nötigen Datenverbindungen
Das Bedienpersonal, welches die großen „Hunter-Killer-Drohnen“ wie die MQ-1-Predator oder MQ-9 Reaper steuert, sitzt nicht in den jeweiligen Einsatzländern, sondern in den USA. Ohne eine schnelle Datenverbindung zwischen dem Team aus Operateur*innen und Drohne wäre diese Art der Kriegsführung nicht praktikabel. Ramstein wurde und wird als der zentrale Datenknotenpunkt beschrieben, ohne den die US-Drohnenkriegsführung in Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten praktisch unmöglich wäre. Unmöglich, weil ohne diese Relaisstation die Latenz der Sensordaten, die die Drohne im entsprechenden Einsatzgebiet an die Operateure in einer US-Basis in den Vereinigten Staaten sendet und dann der Eingang der Steuerungsbefehle des Bedienpersonals an die Drohne, zu lange dauern würde, würden diese über mindestens zwei Satelliten gesendet. Und aufgrund der Erdkrümmung wäre dies nötig. Durch die so entstehende Verzögerung würden Steuerungs- und Feuerbefehle erst nach einer zu langen Zeitspanne die Drohne erreichen. Bis dahin kann sich die Situation am Boden wieder völlig geändert haben. Das Ziel war, eine Nahezu-Echtzeit-Verbindung zwischen dem Personal und der Drohne herzustellen. Um diese Latenz möglichst zu reduzieren, nutzt man für den ersten Teil der Strecke Satellitenverbindungen, so dass die Daten von der Drohne über Satelliten an eine Relaisstation geschickt werden. (Ausgehend von der Drohne im Einsatzgebiet, die die Sensordaten schickt, auf deren Basis dann Steuerungs- und Schießbefehle getroffen werden.) Von dort aus gehen die Daten über Unterseekabel in die USA, und die Steuerungsbefehle gehen den Weg in die entgegengesetzte Richtung. Und in Ramstein befindet sich so eine Relaisstation.

Für die immer moderneren und zahlreicheren Sensoren in den Drohnen wurde die verfügbare Bandbreite der genutzten Satelliten auch trotz einer Steigerung in den letzten Jahren knapp. Hier drohte durch den gesteigerten Einsatz ein Flaschenhals zu entstehen. Im Jahr 2009 wurden durch in Irak und Afghanistan eingesetzte Drohnen Videomaterial übertragen, das eine Länge von 24 Jahren hatte. Um dem beizukommen, fuhr man zweigleisig:

Die sensiblen Steuerbefehle für die Drohne und die Nutzlast, also auch die Bewaffnung, werden über militärische Satelliten (MILSATCOM) geschickt, die dementsprechend gesichert sind. Dazu werden die Satelliten des Defense Satellite Communications System (DSCS) und des neueren Wideband Global SATCOM System (WGS) genutzt. Das DSCS umfasste 2015 noch sieben Satelliten, die jedoch alle durch die leistungsfähigeren WGS-Satelliten ersetzt werden sollen. Zwischen 2007 und 2019 wurden insgesamt zehn Satelliten des WGS in geostationäre Orbits verbracht, 2018 wurden für 605 Mio. US-Dollar weitere zwei Satelliten durch den US-Kongress bestellt. WGS-11+ soll 2024 gestartet werden. (3)

Die großen Datenströme, vor allem die Daten der optischen Sensorik, wurden über das zweite Gleis, kommerzielle Satelliten, geschickt (COMSATCOM, die beiden größten Unternehmen hier sind Intelsat und Eutelsat). Dass der Bedarf an Satellitenverbindungen gestiegen ist und sich die USA so in Abhängigkeit von kommerziellen Anbietern begeben haben, zeigt das etwas betagte Beispiel, dass das Verteidigungsministerium in Desert Storm 20 % COMSATCOM verwendet hat und bei der Operation Iraqi Freedom etwa 80 %.

Ramstein – überbewertet, aber eine Frage der Verantwortung Deutschlands
Die USA reagierten früh auf die Veröffentlichungen über die Bedeutung Ramsteins im Drohnenkrieg und den anschließenden Protest. Es wurde  nach Alternativen gesucht. Eine Basis, über die wohl 50 % des Aufkommens der Drohnendaten laufen kann, ist die Sigonella Air Base auf Sizilien, die auch als Backup dienen soll. Zumindest ausgerüstet, um als weiteres Backup zu dienen, wurde die Basis der Royal Air Force in Croughton, Großbritannien. (4) Damit würde ein Wegfall der Relaisstation auf der Air Base Ramstein nicht länger das Ende der amerikanischen Drohnenkriegsführung bedeuten, es wäre aber sicher eine Störung im Getriebe. Noch schmerzhafter wäre ein Umzug der Kommandostrukturen, jedoch auch nur mittelfristig. Somit hilft ein schlichtes „Ami go Home“ nicht den Betroffenen in den Konfliktregionen. Es bleibt aber eine Frage der Verantwortung Deutschlands, da die Bundesregierung nicht nur mit Standorten, sondern auch mit Unterstützung in Form von Daten zumindest beteiligt war. Es hat Jahre gedauert, bis die Bundesregierung 2016 einräumte, über die Funktion Ramsteins im Drohnenkrieg informiert zu sein. Kritik an der Art der Drohnenkriegsführung wurde aber erst lauter, als das Verteidigungsministerium im letzten Jahr die bereits geleasten Heron-TP Drohnen bewaffnen wollte. Das Ziel sollte die Veränderung und damit Unterlassung einer völkerrechtswidrigen Nutzung von Drohnen und ein Einstieg in Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen über die entsprechenden destabilisierenden Waffensysteme sein.

Anmerkungen
1 Scahill, Jeremy (2015): Germany is the Tell-Tale Heart of Americas’s Drone War, in: The Intercept, 17.4.2015; Bartsch, Matthias/et al. (2015): US Ramstein Base Key in Drone Attacks, in: Spiegel International, 22.4.2015.
2 Barreto, Diani/Kempmann, Antonius (2015): Brandon Bryant: „Ramstein ist absolut zentral“, in: Panorama, 14.10.2015.
3 Erwin, Sandra (2020): Boeing cleared to continue development of WGS-11+ military satellite, in: SpaceNews, 7.10.2020.
4 Gettinger, Dan (2015): Drone Geography: Mapping a System of Intelligence, in: Drone Centre, 19.2.2015.

Marius Pletsch ist Mitglied im Bundessprecher*innenkreis der DFG-VK, Mitglied der Redaktion der Quartalszeitschrift Wissenschaft und Frieden und schreibt seit 2015 für die Informationsstelle Militarisierung zum Schwerpunkt Drohnen.

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Marius Pletsch studiert Politikwissenschaften und Philosophie auf M.A. an der Universität Trier und schreibt für die Informationsstelle Militarisierung e.V. über Drohnen.