Buchbesprechung „Rebel Verdict“ von Michael Randle

Rebellen-Urteil - Ziviler Ungehorsam für einen Spion

von Christine Schweitzer
Hintergrund
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George Blake war ein britischer Doppelagent, der 1961 wegen Spionage für die Sowjetunion zu 42 Jahren Haft verurteilt wurde. Im Gefängnis lernte er Michael Randle und Pat Pottle kennen, die dort wegen des Eindringens in eine britische Atomwaffenbasis einsaßen. Sie empfanden es als zutiefst ungerecht, dass jemand dafür verurteilt wurde, für ein „feindliches“ Land zu spionieren, während Spionage für das eigene Land als legitim angesehen wurde. Zusammen mit einem dritten Aktivisten, Sean Bourke, beschlossen sie 1966, Blake zu befreien. Überraschenderweise hatten sie Erfolg mit einer filmreifen Aktion (tatsächlich wurde die Befreiung auch später verfilmt) und Michael Randle zusammen mit seiner Frau Ann und ihren beiden kleinen Kindern schmuggelten Blake nach Ostberlin.

25 Jahre später wurde bekannt, dass sie ihn befreit hatten, als Bourke darüber ein Buch schrieb. Darauf schrieben auch Randle und Pottle ihre Version der Befreiungsaktion nieder („The Blake Escape: How We Freed George Blake and why”, London 1989). Wie sie erwartet hatten, wurden sie 1991 vor Gericht gestellt. Sie rechneten fest mit einer mehrjährigen Haftstrafe. Doch das Urteil der Geschworenen: „Unschuldig in allen Anklagepunkten“.

Jetzt ist von dem fast 90-jährigen Michael Randle (*1933) eine detaillierte Dokumentation sowohl der Befreiungsaktion wie vor allem auch des Prozesses 1991 erschienen. Sie basiert auf Mitschriften und Prozessakten. Ihre Einlassungen vor Gericht sind ebenso dokumentiert wie in den ersten Kapiteln nochmal die Geschichte der Befreiung von Blake.

In seiner Widmung schreibt der skandinavische Friedensforscher und Aktivist Stellan Vinthagen: „Es braucht wirklichen Mut, sich gegen das gesamte politische und militärische Establishment, die Mainstream Medien und die meisten normalen Bürger*innen zu stellen. Michael Randle und seine Freund*innen riskierten alles, um George Blake zur Flucht aus dem Gefängnis zu verhelfen. Sie forderten das Gesetz heraus und lebten viele Jahre in Angst, aber ein Gericht gab ihnen recht! Wie einige andere Aktivist*innen – Pflugschar- und Klimagerechtigkeitsaktivist*innen – gelang es ihnen, ein britisches Geschworenengericht davon zu überzeugen, dass das Gesetz und der Richter sich irrten. Ich hoffe, dass dieses Buch und seine kraftvolle Geschichte mehr Menschen ermutigen werden, ihren Fußstapfen zu folgen; Ungerechtigkeit zu widerstehen und für den Wert allen menschlichen Lebens aufzustehen.“

Dieser Hoffnung möchte die Rezensentin sich anschließen. Das Buch sei all denen empfohlen, die Interesse an außergewöhnlichen gewaltfreien Aktionen und den daraus folgenden juristischen Auseinandersetzungen haben. Eine deutsche Übersetzung ist wohl nicht zu erwarten, aber immer mehr Leser*innen sind ja im Englischen genauso zuhause wie im Deutschen.

Michael Randle (2022) Rebel Verdict. The remarkable story of how two peace activists took on the British government – and won. Ed: Irene Publishing, ISBN 978-91-88061-56-0, 512 S., 35,68 Euro

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.