Rede der Antifa bei der Auftaktkundgebung des internationalistischen Blocks

Redebeträge der Auftaktekundgebungen: Nord (Josfshöhe)

Hallo Antifas, liebe Genossinnen und Genossen und alle, die ihr heute zum Teil von weither hierhin gekommen seid, um gegen den "Nationalen Konsens", gegen die Änderung des Artikel 16 des Grundgesetzes anzugehen.

Wir von der Antifa Bonn-Rhein/Sieg begrüßen Euch herzlich beim internationalistischen und antifaschistischen Block und heißen auch jede und jeden von hier aus willkommen, die oder der sich bei einem der anderen Auftaktpunkte eingefun­den hat.

Denn: Wir wollen diejenigen stärken, und das auch in der SPD, die noch standhaft sind in der Frage des Asylrechts und in der der Bundeswehreinsätze zu angeblich friedensschaffen­den Maß­nahmen. Alles andere wäre linke Politik zum Selbst­zweck und zur Selbstbefriedigung, die die unmittelbaren Ob­jekte herr­schender Politik, sprich: die Flüchtlinge und die Op­fer militä­rischer Aggression, nicht miteinbezieht.

Und dennoch, wenn wir davon reden, die antifaschistische Einheit schaffen zu wollen, so meinen wir damit mehr:

mehr - als nur für die Wiederherstellung eines Scheinfriedens auf der Grundlage der jetzigen Herrschaftsverhältnisse einzu­treten!

- mehr - als sich für den Artikel 16 GG stark zu machen! ... so wichtig das auch ist

und mehr - als dem staatlichen und alltäglichen Rassismus mit Parolen wie:

"Dem Hass keine Chance" und "Wir sind alle Ausländer" zu begegnen!

 

Es ist gerade an uns, an den radikalen Linken, den engen in­haltlichen Rahmen dieser Aktion zu erweitern, und der mora­lischen Kritik unsere grundlegende Kritik zwar nicht entge­gen-, aber doch wirksam gegenüberzustellen.

Wir sehen in der Gesellschaft dieses Staates wie auch im ge­samten Europa einen umfassenden Rechtsruck, dessen Poten­tial noch lange nicht ausgeschöpft ist. Das bezieht sich sowohl auf die alten und neuen Nazis als auch auf die Obrigkeit des vereinten Deutschlands im vereinten Europa der Bonzen und Banken. Denn beide, der Vormarsch in Stiefeln und der in Schlips und Kragen, hängen zusammen.

Wer Projekte durchziehen will, die mittel- oder unmittelbar gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet sind, wie z.B.: der Sozialabbau oder die Umstrukturierung in der Wirtschaft und der Gesetzgebung zum Nachteil des sogenannten "kleinen Mannes", braucht als erstes eine Abgrenzung, ein Feindbild.

Auch wenn die Herrschenden, die heute um das Ansehen Deutschlands besorgt sind, nicht genau dieselben Ziele ver­folgen wie die braunen Horden - dieser Punkt ist es, wo sie sich faktisch die Hand geben!

Von den Rechtsextremisten entdeckt, von den Unionsparteien als Kampagne initiiert und längst von der gesamten etablier­ten Politik mitinszeniert ist diese "Asyl-Diskussion" - und das wird immer mehr Menschen klar - eine Scheindebatte, ein Manöver, das ablenken soll.

Ablenken von den sozialen und ökologischen Mißständen und ihrer beständigen Verschärfung!

Heutzutage zu dem Thema "Rassismus" befragt, dreht sich das Gespräch der Verantwortlichen unter Garantie um Ein­wanderung, die Asylgesetze und um die Probleme einer an­geblich multikulturellen Gesellschaft ...

So wird uns vorgegaukelt, der alltägliche Rassismus, ja die Pogrome und Friedhofsschändungen, seien die direkte Folge der bloßen Anwesenheit von Flüchtlingen, von ausländischen und jüdischen Menschen und denen, die hier ihre Heimat ha­ben.

So reagieren, und wir dürfen nicht vergessen: so agieren (!) alle Vertreter und Vertreterinnen der großen Parteien! Ein jüngeres, besonders makabres Beispiel bot Außenminister Klaus Kinkel: Noch auf den verkohlten Resten der jüdischen Baracke im KZ Sachsenhausen stehend, ging er auch zum "eigentlichen Problem", zum "Thema" über. Nach pflichtge­mäßem Daherbeten von "Trauer und Scham" verkündete er, wie alle selbsternannten oder gewählten "Sprecher des Vol­kes", die deutsche Bevölkerung sei "eben überfordert".

Wenn das keine klaren Worte sind!

Auf diese Art und Weise pflegen diese Damen und Herren ih­ren Populismus. Indem sie nun - in der freundlichen Fratze des Volksvertreters - das ernten, was sie selbst gesät haben!

Denn:

Sie sind es - die mit ihrer Verweigerung gleicher politischer und sozialer Rechte, mit ihren Sondergesetzen, hier Ansässige in Deutsche und Ausländer spalten!

Sie sind es - die mit ihren Statistiken vermeintlicher "Ausländerkriminalität" rassistische Hetze betreiben und das Pogrom erleichtern, indem sie Menschen zu Zahlen reduzie­ren und auf Fotos unablässig als drängelnde, diffuse Masse zeigen!

Sie sind es - die von "Asylantenflut" und "Staatsnotstand" re­den!

Und sie sind es schließlich, die genau wie die Faschisten vom deutschen "wir" faseln und uns weismachen wollen, es gäbe sowas wie ein gemeinsames, ein nationales Interesse ...

So kommt es, daß eine Unmenge Schweinereien in diesem Land ohne Aufschrei oder zumindest ohne anhaltenden Wi­derstand über die Bühne gehen, wie es zu anderen Tagen nicht denkbar gewesen wäre.

Da wird - von den Treuhandlangern des Westens ein ehemali­ger Staat mit seinen über 16 Millionen Menschen damit und sonders einfach abgewickelt, bis das Industrievolumen auf unter ein Drittel sinkt, die Arbeitslosigkeit mancherorts auf über 50 % steigt!

Da wird - von Herrn Blüm vorgeschlagen, wir möchten dem­nächst 10 Stunden täglich arbeiten, und das bis zum 70. Le­bensjahr - denn klar ist eins: die schnelle Mark nach der soge­nannten Wiedervereinigung haben die Konzerne gemacht, die immensen Kosten tragen wir!

Da wird - um die Liste fortzusetzen, solange privatisiert und spekuliert, bis viele Leute die Hälfte ihres Einkommens für Mietfron draufgehen sehen und ein Dach überm Kopf generell zum Glücksfall wird!

Und da wird - die Verabschiedung vom sogenannten Sozial­staat in den 80ern heute umso fleißiger um- und fortgesetzt.

Indem es immer mehr vom Gewicht des jeweiligen Geldbeu­tels abhängt, wie bzw. ob einem eine vernünftige medizini­sche Versorgung zuteil wird,

und indem Menschen, die sich ein Leben lang kaputtgeschuf­tet haben, im Alter vom gepredigten Wirtschaftswachstum nur ein Almosen haben!

Und Verkehrsminister Krause - z.B. - macht, was Deutsche schon stets gut konnten.

Er setzt Individualverkehr und Autowahn ein Denkmal, indem er halb Deutschland asphaltieren läßt

Das Ganze - obwohl uns vor nicht allzu langer Zeit die su­perteure und umweltfressende Schnellbahntrasse als Entla­stung verkauft wurde!

 

Das Ganze - obwohl zumindest die Kinder und Alten bei der­artiger Ozonbelastung und Luftverpestung schon nicht mehr auf die Straße dürften, und der Wald zur Wüste wird!

Das Ganze - obwohl längst Alternativen zur Hand sind - aber Profit geht vor - seine Logik ist unerbittlich in diesem System.

Und, das hat die Farce von Rio, der sogenannte Umweltgipfel, erneut demonstriert, das allgemeine Zauberwort lautet - nach wie vor und weltweit - "Konkurrenzfähigkeit".

So werden, und diesmal sage auch ich "wir" - denn gemeint sind wir alle -, so werden wir "konkurenzfähig" ins Desaster segeln. Allerdings mehr oder minder bequem versteht sich!

Denn das ist keinem einen Staatsnotstand wert, davon schweigen die ehrenwerten Verfechter dieses Wirtschaftssy­stems, das angeblich der Weisheit letzter Schluss sein soll!

Übrigens allesamt Entwicklungen, die die SPD im Prinzip mitgetragen hat und mitträgt. Denn sie ist schon zum histori­schen Ritual verkommen, wie sie erst ein vehementes und be­troffenes "Nein" hinausposaunt", dann in ein nachdenkliches "Jein" verfällt - um schließlich und endlich das ewig-klein­laute "Ja" hervorzubringen!

Und das ist auch für die Zukunft zu befürchten! Gerade dort, wo die Reaktionäre der CDU/CSU versuchen, die rechte Ge­walt als Scheinargument ins Feld zu führen. Obgleich jeder Mensch weiß, daß die vorhandenen polizeilichen und rechtli­chen Möglichkeiten nicht mal ansatzweise ausgenutzt wer­den!

Dies läßt nur einen Schluss zu: Der Naziterror wird benutzt, um im Inneren unseren Widerstand, der sich sowohl gegen Faschisten als auch, in logischer Folge, gegen die herrschen­den Verhältnisse richtet, noch mehr zu erschweren und um nach außen die Mauer soweit hochziehen zu können, daß Einwanderung und Asyl zukünftig eine Sache deutschen Be­liebens und deutscher Konjunktur sein werden und keine Sa­che des Grundrechts!

Denn das neue, das größere Deutschland hat sich viel vorge­nommen, im eigenen Land wie in der Welt. Es wird geredet von "Souveränität" und von "gewachsener Verantwortung". gemeint ist nichts anderes als - nach dem Fall des "eisernen Vorhangs" endlich aus dem Schatten der USA zu treten und die eigenen, die deutschen und europäischen Interessen, auch mit Waffengewalt vertreten zu können!

Hier, wie in allen Bereichen, betreibt die SPD schonungslose Machtpolitik. Und so droht das historische Ritual, der Rechts­ruck der SPD, auch an dieser Stelle. Diese Partei - wir sollten es klar sehen - wird auch in Zukunft aufrechten Blickes von Kniefall zu Kniefall wanken. Nicht immer, aber immer öfter - das ist es, was wir zu erwarten haben; das ist es, was sie uns andrehen wollen: Imperialismus light!

Aber nun Schluss mit dem Dries und noch ein paar Worte zu uns:

So wie wir an bewährten Prinzipien festhalten, so müssen wir auch aus den Fehlern lernen, die in den letzten Jahren unsere Politik mitbestimmt haben.

Im Klartext heißt das:

Wir werden auch weiterhin den Faschisten auf allen Ebenen entgegentreten, auch militant!

Denn die Ideologie des Faschismus ist die Verkörperung von Gewalt, von Unterdrückung und Unterwerfung - sie wird es nicht erst, weil bzw. wenn Widerstand gegen sie geleistet wird. Deshalb bedeutet jeder Meter, der ihnen inhaltlich von der etablierten Politik zugeschoben wird, den sie erobern oder der ihnen vermeintlich guten Willens zugestanden wird, Ter­ror!

Trotzdem oder gerade deswegen müssen wir mit bloßen Mit­läufern reden, müssen wir vor den braunen Hochschul­scheiteln mit ihren simplen Phrasen an den Schulen sein. Wir müssen in Zukunft für mehr Menschen erfahrbar und greifbar sein.

Das geht nur, wenn es uns und anderen gelingt, Politik und Perspektiven mit Leben zu füllen - die Trennung zwischen Kultur und Kampf aufzuheben!

Wenn wir jedoch zu einem politischen Faktor werden wollen, wenn wir ansprechbar sein wollen für Interessierte, für mögli­che Bündnispartner und für die Presse, dann brauchen wir die Organisation!

Daher haben sich einige Antifa-Gruppen aus verschiedenen Städten bundesweit entschlossen, eine solche zu gründen. Eine Organisation, die nichtsdestotrotz basisdemokratisch und parteiunabhängig sein wird, und die am 8. Mai in Göttingen offiziell gegründet wird.

Deshalb möchte ich mit dem Schlusssatz des Grundlagensta­tuts enden:

Wir erhoffen uns "eine Bewegung, die eine Gegenperspektive zum bestehenden System entwickelt, mit ihren eigenen Waf­fen gegen die herrschenden Gesellschaftsstrukturen kämpft!"

Um nichts anderes geht es,

in diesem Sinne schönen Tach noch und Tschüss!

Ach, Moment noch: Wenn Eierwürfe bei der Berliner Groß­demonstration als genauso "schlimm" bewertet werden wie Brandanschläge auf Flüchtlingsheime, Ermordete und Schwerverletzte, spricht das wohl für sich.

Die mordenden Rassisten werden relativiert, "Links" und "Rechts" in einen Topf geworfen.

Für uns gibt es einen Unterschied zwischen Eierwürfen auf Repräsentanten rassistischer Politik und Gewalttaten gegen Flüchtlinge und andere AußenseiterInnen!

Lasst uns lautstark und kraftvoll demonstrieren,

Kampf dem Faschismus auf allen Ebenen!

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