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Yilmaz Karahasan
Redebeträge der Auftaktekundgebungen: Süd (Landesbehördenhaus)
vonLiebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nicht deshalb ging die Weimarer Republik kaputt, weil die Faschisten zu zahlreich und zu stark waren; die Weimarer Republik ging deshalb zurück, weil es zu wenig wehrhafte Demokraten gab, die gemeinsam und solidarisch für die Demokratie gekämpft haben.
Angesichts der Tatsache, daß heute in Berlin, Köln, Stuttgart, Hamburg - in vielen Orten in Ost und West, Hunderttausende wehrhafte Demokraten ihr Schweigen beendet haben und auf die Straße gehen, gibt uns Zuversicht, daß wir in der Lage sind, die freiheitliche Demokratie und den demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen!
Das ist der machtvolle Beginn einer breiten Bewegung.
Unser Motto ist und bleibt:
Grundrechte verteidigen, Flüchtlinge schützen, Rassismus bekämpfen!
Und dazu sind wir entschlossen!
Weil Gewerkschaften nur in einer Demokratie lebensfähig sind und ihre Aufgaben richtig erfüllen können, treten wir kompromisslos für die freiheitliche Demokratie und den demokratischen Rechtsstaat ein, hier bei uns, in Europa und weltweit!
Ein kurzer Blick auf unsere Welt macht mehr als deutlich, daß
** kriegerische Auseinandersetzungen nach wie vor stattfinden,
* neue Feindbilder aufgebaut werden,
* die Aufrüstung unvermindert weitergeht.
Von einer friedlichen, ökologisch intakten und solidarischen Welt sind wir weit entfernt.
Die Kolonisation des "armen Südens" hat eine neue Qualität bekommen. Der Golfkrieg hat eine Legitimation für die Einführung neuer Waffensysteme geschaffen.
Es wird ein neues Feindbild aufgebaut, das sein Gegenüber nicht mehr im Weltkommunismus, sondern in der islamischen Kultur sucht.
Erschreckend ist zugleich, daß der Krieg als Mittel der Politik für immer mehr Menschen wieder gerechtfertigt zu sein scheint.
Im ehemaligen Jugoslawien, in Aserbaidschan, in Armenien, aber auch im Süden der Türkei werden Bürgerkriege geführt.
Angesichts dieser erschreckenden Tatsache sind viele Schritte notwendig auf dem Weg zu einer entmilitarisierten und gerechten Weltwirtschaft.
Das Beispiel des Adria-Einsatzes des Zerstörers "Bayern" der Bundesmarine macht deutlich, daß die Gefahr der Militarisierung Europas und der UNO nicht von der Hand zu weisen ist.
Ich frage bei dieser Gelegenheit:
Wann wird Bonn - statt "Kanonenboot-Politik" zu betreiben - endlich für eine internationale Friedenspolitik ohne Kampfeinsätze der Bundeswehr eintreten?
Für mich sind nicht deutsche Soldaten künftig in der Welt gefordert, sondern die sozialen, medizinischen, ökonomischen und ökologischen Kompetenzen Deutschlands, zu dem auch wir als ausländische bzw. nichtdeutsche Kolleginnen und Kollegen nicht unwesentlich beigetragen haben und nach wie vor beitragen!
Dies gilt genauso für alle Länder Europas!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Menschenrechte von Minderheiten müssen Maßstab sein für eine aktive Friedenspolitik.
Menschenrechte sind unteilbar und universal. Deshalb müssen sie gegen alle, die sie verletzen, verteidigt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der pogromähnlichen Situation in Deutschland stehen wir als Gewerkschaften und Demokraten vor einer der größten Herausforderungen unserer Nachkriegsgeschichte.
Die negative Diskussion in der Frage der Flüchtlinge, die seit Jahren europaweit, insbesondere aber in Deutschland geführt wurde und seit einigen Wochen sehr häufig geführt wird, hat bereits das gesellschaftliche Klima so vergiftet, daß hier in der Tat die freiheitliche Demokratie und der demokratische Rechtsstaat in höchstem Maße gefährdet ist.
Nicht die Flüchtlinge gefährden den Staat, sondern diejenigen Schreibtischtäter, die glauben, durch das Kopieren oder den geistigen Diebstahl von Parolen der sogenannten Republikaner oder faschistischen NPD und DVU diesen Kräften den Wind aus den Segeln nehmen zu können!
Weil die Gewerkschaften aus ihrer leidvollen Geschichte den Wert und die Bedeutung des politischen Asylrechtes kennen, haben sie ihren Willen, Verfolgten und Bedrohten zu helfen und das Recht auf Aufnahme und Schutz nach Art. 16 und 19 des Grundgesetzes zu garantieren, in Beschlüssen und Erklärungen unmissverständlich festgeschrieben.
So hat z.B. der 14. Bundeskongress des DGB bereits im Mai 1990 das Grundrecht auf Asyl als "elementares Freiheits- und Menschenrecht der Verfassung" bezeichnet, das unter keinen Umständen in Frage gestellt oder eingeschränkt werden darf.
Unsere IG Metall, die sich zugleich als eine Bürger-, Freiheits- und Menschenrechtsbewegung versteht, hat sowohl auf ihrem Gewerkschaftstag 1989 als auch jetzt beim letzten Gewerkschaftstag klargestellt, daß das Grundrecht auf Asyl uneingeschränkt weitergelten und geschützt werden muß.
Als aktiver Sozialdemokrat und mehrmaliger Bundesdelegierter der SPD will ich bei dieser Gelegenheit meine Partei davor warnen, am kommenden Montag und Dienstag einen historischen Fehler zu begehen!
Nicht die Anpassung an die konservativ-reaktionäre Regierungspolitik, sondern eine offensive Opposition und das Aufzeigen von konkreten Alternativen ist jetzt gefragt!
Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der antifaschistischen und antirassistischen Tradition der deutschen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung sind wir als Gewerkschaften, aber auch als demokratische Organisationen und Institutionen aufgerufen, uns dieser Welle des Nationalismus, des Rassismus, der Intoleranz und der Menschenfeindlichkeit entgegenzustellen.
Wer hier schweigt, macht sich schuldig!
Hände weg vom Asylrecht!
- Die europaweite Harmonisierung des Asylrechts auf der Grundlage des Artikel 16 des Grundgesetzes Deutschlands ist zu verwirklichen!
- Bürgerkriegs- und Katastrophenflüchtlinge dürfen nicht in Aslverfahren hineingedrängt werden.
- Wir sind weiterhin auf Einwanderung angewiesen; deshalb muß die Einwanderung mit einem entsprechend fortschrittlichen Einwanderungsgesetz gestaltet werden.
- Die Doppel- und Mehrstaatlichkeit ist zu verwirklichen.
- Alle Mitglieder der Gesellschaft unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, sind rechtlich und politisch gleichzustellen. Denn in einer freiheitlichen Demokratie, in einem demokratischen Rechtsstaat, darf es nicht Bürgerinnen und Bürger 1., 2., oder 3. Klasse geben!
Wenn wir verhindern wollen, daß sich die Geschichte wiederholt, dann haben wir alle miteinander gerade jetzt und europaweit allen Grund, uns mit aller Kraft für die Durchsetzung dieser Forderungen einzusetzen.
Die Realisierung dieser Forderungen ist und bleibt eine Erfordernis der Demokratie.
Und Demokratie verpflichtet!