Friedensweltkongress des International Peace Bureau

(Re)Imagine our World: Action for Peace and Justice!

von Reiner Braun

Mehr als 900 Teilnehmer*innen waren präsent in Barcelona und mehr als 1.700 online zeigten das gewaltige internationale Interesse an diesem Friedensweltkongress, der vom 15.-17.10.2021 in dem Kongresszentraum und der Universität von Barcelona stattfand. Es war der richtige Kongress, zur richtigen Zeit, in der richtigen Stadt.

Die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, und der Präsident von Katalonien, Peres Aragones, fanden in ihren friedenspolitisch geprägten Eröffnungsreden deutliche Worte für mehr aktives städtisches und Regierungsengagement für den Frieden. Es war eine eindringliche Aufforderung zur Kooperation, nur so könne die planetarische Krise überwunden werden.

Die Abschaffung aller Atomwaffen stand genauso im Mittelpunkt der Tagung wie die Herausforderungen der Klimaveränderungen und die soziale Gerechtigkeit in ihrer ganzen Vielfalt. Das Programm und die Rednerinnen und Redner widerspiegelten diese Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Zugänge zum Friedensthema. Die aktuelle Pandemie-Situation machte die Vorbereitung und Durchführung schwierig und verhinderte die Teilnahme vor Ort von Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt. Die Online-Präsenz war hilfreich, aber sie ersetzt niemals das persönliche Treffen!

Die Atmosphäre der Solidarität im gemeinsamen Ringen um Frieden in seiner ganzen Vielfalt prägte diesen emotionalen, aber auch politischen und begeisternden Kongress. Der Kongress sprühte vor Energie: Er hatte und er gab Energie!

Es war das Argument, es war das Miteinander und das Suchen nach mehr Aktionen, die sich in den Plenarvorträgen und den über 50 Arbeitsgruppen widerspiegelten.

Friedenspolitik bedeutet auch Umweltpolitik und Klimagerechtigkeit – wer konnte das überzeugender darstellen als Vandana Shiva. Die Herausforderungen der Klimagerechtigkeit, was weit mehr ist als „die Klimaerwärmung in den Griff zu bekommen“, durchzog den Kongress in den Plenar- und Arbeitsgruppen. Das Ende von Hunger und Armut ist zentrale Notwendigkeit, wenn Gerechtigkeit das Ziel ist. Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Frieden und kein Frieden ohne Gerechtigkeit, diese Gedanken von Sharan Burrow, Generalsekretärin des Weltgewerkschaftsbunds, und von Lula de Silva, dem ehemaligen und hoffentlich neuen Präsidenten von Brasilien waren prägend, beeindruckend und verdeutlichen die dramatischen Gefahren, denen Mensch und Natur gegenüberstehen. Dies alles verlangt ultimativ die Abschaffung aller Atomwaffen. Wer konnte dieses eindrucksvoller zum Ausdruck bringe als Beatrice Finn von ICAN und Wada Masako, Überlebende aus Hiroshima. Die Gefahren der Konfrontation dieser Welt wurden intensiv u.a. durch Zhao Tong aus China und Alexey Gromyko verdeutlicht und  besonders von Noam Chomsky in seinem Videobeitrag unterstrichen.

Der Kongress war jung und weiblich, er wurde dominiert von der jungen Generation. 40% der Redner*innen waren unter 40 Jahre. Stellvertretend für viele sei nur an die beeindruckenden Beiträge von Amani Aruri aus Palästina, A-Young Moon aus Süd-Korea, Vanda Proskova aus der Tschechischen Republik und von Shristy Aware aus Indien erinnert. Auch das IPB Jugendnetzwerk war ein unverzichtbar wichtiger Teil dieses Kongresses.

Unverzichtbar für den Kongress und seine große Ausstrahlungskraft waren sicher auch die Beiträge von Bina Nepram aus Indien zu Repressionen gegen Indigene, von Shirine Jurdi aus dem Libanon zur Situation in ihrem Land und von Lisa Linda Natividad aus Guam zu US-Militärbasen.

Die Vorträge der genannten Namen sind eine Auswahl aus der Vielzahl großer und inhaltsreicher Beiträge auf diesem Kongress der Solidarität und der Gemeinsamkeiten. Vielleicht sind gerade die namentlich nicht Genannten die, die am meisten beigetragen haben!

Die über 50 Arbeitsgruppen – hybrid durchgeführt – brachten nicht nur eine beeindruckende Vielzahl von Argumenten und Fakten für den Frieden zusammen, sie analysierten und erarbeiteten vor allem auch Strategien für eine friedlichere Entwicklung der Welt. Stellvertretend seien nur die Überlegungen für eine Neuformulierung der Politik der Gemeinsamen Sicherheit genannt. Die ungeheure argumentative Wucht dieser vielfältigen Arbeitsgruppen prägten Inhalt und Klima des Kongresses.

Mehr Aktionen, eine Stärkung, Erneuerung und Wiederbelebung der Friedensbewegung, das ist die zentrale Herausforderung. Ohne mehr Aktionen, ohne mehr Engagement keinen Frieden und Abrüstung, keine Reduzierung der dramatischen Kriegsgefahren! Wir brauchen mehr Friedenserziehung überall an den Schulen und Universitäten. Ohne umfassende Rechte für indigene Völker, ohne Lösung der mehr als 300 bewaffneten Konflikte durch zivile Maßnahmen werden wir nicht zu einem umfassenden Frieden gelangen. Frieden ohne Emanzipation, ohne eine aktive und unverzichtbare Rolle der Frauen wird es nicht geben. Dieser Gedanke durchzog den ganzen Kongress, auch Dank der großen aktiven Teilnahme vieler engagierten Frauen.

Seinen intensiven Widerhall fand diese Notwendigkeit des Engagements für den Frieden in den Dokumenten, die auf dem Kongress vorgestellt wurden - im:

  • “IPB Appeal from Barcelona to the world, to all Peace Movements and Shapers of the Future”
  • “Statement: Indigenous Peoples Declaration at the Second World Peace Congress”
  • Dokument zu und über die Mittelmeer - Region: „Mediterranean Forum Plan“
  • und in der beeindruckenden Präsentation des IPB Youth Networks.
    (Alle können auf der Webseite von IPB im Detail eingesehen werden, www.ipb.org)

Zusammengefasst wurden alle diese vielfältigen Aktionen in dem IPB Aktionsplan für die nächsten Jahre, detailliert für die verschiedenen Friedenssektionen von Abrüstung über Atomwaffen bis hin zu Rüstungsexport und einer ?intensiven? Koalitionsbildung. Betont wird in dem Aktionsplan besonders die Vernetzung des Friedensthemas mit den Herausforderungen der Klimaveränderung und der globalen Gerechtigkeit.

Klar war für alle – offline und online: Es wird einen neuen dritten IPB - Weltkongress geben.

Viele Aktionen sind vorgesehen, von einem Friedenskongress zu Frieden und Gerechtigkeit im und um die Mittemeerregion bis hin zur Beteiligung an den Protestaktionen aus Anlass des 50. Jahrestages des ersten UN-Umweltgipfels und des 30. Jahrestages der Nachhaltigkeitskonferenz von Rio de Janeiro sowie des Weltsozialforums im Mai 2022 in Mexiko und des NATO-Gipfels im Juni 2022 in Spanien.

Das IPB, ja die gesamte internationale Friedensbewegung, die mit einer beeindruckenden Vielfalt und Breite – trotz aller Pandemieeinschränkungen – online und offline präsent war, hat sich ein ambitioniertes Programm vorgenommen.

Die Notwendigkeit, zurückzukehren zu einer Politik der Gemeinsamen Sicherheit, 40 Jahre nach dem ersten Olof Palme Marsch, verlangt ultimativ Kooperation, Dialog, Verhandlungen und gegenseitiges Verstehen. IPB wird gemeinsam mit dem Olof Palme Center und ITUC nach diesem erfolgreichen Kongress  diese Überlebensidee puschen. Konzepte wie z.B. die Vorschläge des UN -Generalsekretärs, vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), der new social contract der International Trade Union Confederation (ITUC), die durchaus mit Schwächen versehenen Nachhaltigkeitsziele der UN, zeigen die Richtung. Es fehlt der politische Wille so gut wie aller führenden Politiker*innen der Welt. Wir brauchen mehr Aufklärung, mehr Information, mehr Bewegung, mehr Aktionen für Abrüstung und eine große sozial-ökonomische Transformation, was für mich die partizipative Revolution des 21. Jahrhunderts ist. Sage bitte keineR, es sei kein Geld vorhanden. Denn wir geben 2 Billionen Dollar jedes Jahr für Rüstung aus und ein Prozent der Menschen ist reicher als 2/3 der übrigen Menschheit.

Der Kongress war nur möglich durch die große finanzielle Unterstützung von politischen Stiftungen (besonders RLS und Transform), durch die Stadt Barcelona und die Regierung von Katalonien sowie durch die internationalen Gewerkschaften – herzlichen Dank! Möglich machten diesen Kongress aber das unermüdliche Engagement der beiden vorbereitenden IPB - Büros in Berlin und Barcelona und die vielen Helferinnen und Helfer, die diesen Kongress organisatorisch absicherten, aber besonders trug auch die wahnsinnig beeindruckende positive Atmosphäre des Kongresses zum Gelingen bei..

Es war ein Kongress des Aufbruchs, der Zukunftsgestaltung, der Verantwortung von uns für die Rettung des Planeten und eine Kultur des Friedens. Hoffnungen auf mehr friedenspolitisches Engagement weltweit und mehr und größere Aktionen sind notwendig, denn wir stehen vielleicht mehr als je zuvor  vor der Alternative: Untergang und Barbarei oder Humanität und Frieden.

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Friedensbewegung international
Reiner Braun war Geschäftsführer der IALANA Deutschland und ist ehem. Co-Präsident des Internationalen Friedensbüros (IPB).