6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Rettet die Rüstungsindustrie: Offene Grenzen für Waffenexporte
von
Unter dem Deckmantel einer sogenannten "Harmonisierung" plant die Bundesregierung die Entschärfung bestehender Rüstungsexportgesetze, um die angeschlagene Rüstungsindustrie vor dem Kollaps zu retten
1. Die Realität deutscher
Rüstungsexporte
Im Jahr 1991 ist die Bundesrepublik Deutschland erstmals zum weltweit drittgrößten Exporteur konventioneller Waffen aufgestiegen und hat diesen Platz 1992 quantitativ gegenüber China und Frankreich ausgebaut. Nach Angaben des neuesten Jahresberichtes des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI liegt Europameister Deutschland 1992 mit konventionellen Waffentransfers in Höhe von 1,928 Milliarden US-Dollar nur denkbar knapp hinter Russland (2,043 Mrd.) auf Platz drei.*1
Wohin die BRD 1992 Großwaffensysteme geliefert hat, ist dem im Oktober 1993 erstmals von den Vereinten Nationen veröffentlichten Register über konventionelle Waffenexporte zu entnehmen: In den Empfängerlisten tauchen neben NATO-Staaten wie der Türkei (wo die Waffen nachweislich seitens der türkischen Armee gegen Menschen in Türkisch-Kurdistan eingesetzt werden) auch Indien oder Korea auf. Das UN-Waffenregister belegt zudem, daß die BR Deutschland mittlerweile jedes zehnte Großwaffensystem exportiert und im Bereich der großkallibrigen Artillerie sogar weltweit führend ist.*2
Dabei sind rund 95% der legalen Waffenexporte im konventionellen Bereich vom Bundesausfuhramt (bzw. dem ehemaligen Bundesamt für Wirtschaft) in Eschborn genehmigt. Die weithin praktizierte Taktik der Bundesregierung, auf die sogenannten "Schwarzen Schafe" ů la Hippenstiel-Imhausen zu zeigen, lenkt gezielt von dieser Tatsache ab. Die wirklichen "Schwarzen Schafe" - verantwortlich für das Gros der legalen Exporte - sitzen auf der Regierungsbank, bei den Kontrollbehörden in Eschborn sowie im Bundessicherheitsrat.*3
Auch die Verlautbarungen über eine zukünftig "restriktive" Auslegung der Kontrollgesetze zerplatzen wie eine Seifenblase angesichts der Realitäten derzeit laufender bzw. bereits bewilligter Rüstungsexporte:
* Bis 1994 werden 46 Militärflugzeuge des Typs Phantom RF-4E im Rahmen des Militärhilfeabkommens III an die Türkei verschenkt.
* Anfang 1993 hat der Bundessicherheitsrat dem Export von deutsch-amerikanischen Luftabwehrraketen der Typen PATRIOT und RAM über die USA nach Taiwan zugestimmt.
* Im Dezember 1992 hat der Bundessicherheitsrat das Freizeichen für den Export von 436 Panzermotoren an den französischen Rüstungskonzern GIAT gegeben, der die Panzer anschließend in die Vereinigten Arabischen Emirate liefert.
* Derzeit werden 39 Kriegsschiffe der NVA fünf U-Boote sowie 5.000 Tonnen Munition an die Diktatur in Indonesien geliefert.
Mit diesen neuerlichen Waffentransfers in Spannungsgebiete und an menschenrechtsverletzende Regierungen dokumentiert die Bundesregierung die Fortsetzung ihrer jahrzehntelang praktizierten Exportpolitik. Die Sicherung der Arbeitsplätze in einer leistungsfähigen Rüstungsindustrie, deren Steigerung der Exportquote und die Gewinnmaximierung sind den liberalen "Christ" demokraten allemal wichtiger als humanistische Werte oder die Verwirklichung von Menschenrechten. Erst kommt das Fressen und dann die Moral.
2. Die Lamers-Initiative und ihre Folgen
Mit ihrem Standortpapier "Gemeinsame europäische Verteidigung, gemeinsamer Rüstungsmarkt, gemeinsame Rüstungsexportpolitik" bekennen die CDU-Bundestagsabgeordneten Karl Lamers, Erich Fritz und Andreas Schockenhoff Farbe: Ihnen geht es darum, daß "in Deutschland eine ausreichend leistungsfähige Industriebasis erhalten bleibt und die deutsche Industrie kooperationsfähig bleibt". Genau diese sehen sie bedroht und fordern deshalb die "Verwirklichung eines gemeinsamen arbeitsteiligen europäischen Rüstungsmarktes".*4
Da "Kooperationen, insbesondere private Kooperationen, ständig zunehmen", befürchten die drei Autoren die "Ausgrenzung der deutschen rüstungstechnischen Betriebe", falls es nicht zu einer "Anpassung der deutschen Rüstungsexport-Politik" kommt. Die schön gewählten Worte bedeuten nichts anderes als eine drastische Entschärfung der - im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten - relativ stringenten bundesdeutschen Exportgesetzgebung. Auch wenn diese in der Vergangenheit gnadenlos umgangen wurde, bestünde bei entsprechendem politischen Willen durchaus die Möglichkeit, die überwiegende Zahl der derzeit laufenden Rüstungsexporte zu untersagen.
Auf eine Große Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion erfuhr Hermann Bachmaier, daß "ca. 70% aller Rüstungsvorhaben im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen vor allem auch mit anderen Staaten durchgeführt werden".*5 So stellen alle großen Rüstungsprojekte, die sich derzeit in der Erforschungs- und Entwicklungsphase befinden, Kooperationsprojekte mit den NATO-Partnern dar. Beispielweise wird der Eurofighter 2000/Jäger 90 gemeinsam von deutschen, britischen, italienischen und spanischen Firmen entwickelt. Der Panzerabwehrhubschrauber 2 (Tiger), der für die Krisenreaktionskräfte zum Unterstützungshubschrauber UHU weiterentwickelt wird, ist eine deutsch-französische Koproduktion.*6
Mit der Lamers-Initiative soll sichergestellt werden, daß sich die deutsche Industrie auch dann an einem Projekt beteiligen kann, wenn die Großwaffensysteme später in Nicht-NATO-Staaten und in Spannungsgebiete exportiert werden. Hierzu aber bedarf es laut Peter Kittelmann, dem außenwirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, einer "harmonisierten Rüstungsexportpolitik".
Schon heute verbucht die BR Deutschland rund 41% aller Waffentransfers der Europäischen Union. Wenn Europameister Deutschland nunmehr den Verlust seines Einflusses auf die Exportpraxis seiner Nachbarn befürchtet, so kann die Angst der Bundesregierung nur darin bestehen, anstehende lukrative Großaufträge und damit die Spitzenposition im Konzert der europäischen Rüstungsexportgiganten zu verlieren. Genau diese Entwicklung aber wäre - in Bezug auf den dringend notwendigen sozialen und ökologischen Umbau der Industriegesellschaft - begrüßenswert.
3. Deutschland auf dem Weg zur Supermacht
Der militärische Kurs der Bundesregierung ist eindeutig abgesteckt: Neben der Aushebelung der Rüstungsexportgesetze besteht das erklärte Ziel, durch eine Grundgesetzänderung den Einsatz deutscher Soldaten out of area zu ermöglichen. Deutschland soll "Verantwortung" übernehmen, um letztendlich einen Platz im UN-Sicherheitsrat zu erhalten. In Volker Rühes "Verteidigungspolitischen Richtlinien" heißt die entscheidende Formulierung: Die deutsche Politik läßt sich "von vitalen Sicherheitsinteressen leiten", und dazu zählt die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung".*7
Ist die Grundgesetzänderung erst einmal verabschiedet, so dürfen deutsche Soldaten die "gerechte Weltwirtschaftsordnung" rund um den Globus herbeischießen und die Rohstoffzufuhr für die reichen Staaten der Nordhemisphäre freibomben. Dazu, so die Planung der Hardthöhe, bedarf es der Unterstützung optimal ausgerüsteter Armeen in den Militärbündnissen NATO bzw. Westeuropäische Union (WEU) sowie in den westlich orientierten Staaten. Über die entsprechenden Waffenverkäufe an die Alliierten soll die deutsche Rüstungsindustrie und ihren eigenen Bestand sichern. Um die Bundeswehr zu einer schlagkräftigen Armee werden zu lassen, entwickelt die Rüstungsindustrie derzeit eine völlig neue Waffengeneration (von den Handfeuerwaffen G 36 und MG 36 bis hin zu den Luftwaffensystemen wie beispielsweise der Eurofighter 2000, die Panzerabwehrhubschrauber Tiger und UHU oder der NATO-Hubschrauber NH 90 mit den entsprechenden Bewaffnungen). Die Zeichen der Zeit stehen auf Militarisierung der Außenpolitik.
Wer den Export von Waffen und Rüstungsgütern tatsächlich verhindern will, muß ein völliges Rüstungsexportverbot ins Grundgesetz aufnehmen und damit in letzter Konsequenz die Rüstungsproduktion abschaffen. Wer - wie die Verfasser des CDU-Standortpapieres - eine "Harmonisierung" der Exportgesetze verlangt, macht sich - im Wissen um die o.g. Tatsachen - mitschuldig und trägt aktiv zur Fortsetzung des Massenmordens in der Dritten Welt bei.