„Kein Grund sich zurückzulehnen“

Rüstungsexportbericht 2021 der GKKE

von Charlotte Kehne

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) begrüßt, dass die Ampel-Koalition die Einführung eines nationalen Rüstungsexportkontrollgesetzes angekündigt hat. In ihrem Rüstungsexportbericht 2021 analysiert sie die deutschen Exportgenehmigungen aus dem Jahr 2020 sowie dem ersten Halbjahr 2021 und bewertet aktuelle Entwicklungen. „Auch wenn die Ankündigung der Bundesregierung ein Zeichen der Hoffnung ist, zeigt der Bericht noch gravierende Missstände in der Praxis des Rüstungsexports. Es gibt also für die GKKE keinen Grund sich zurückzulehnen …“, folgert Prälat Dr. Martin Dutzmann, der evangelische Vorsitzende des ökumenischen Arbeitsverbundes. In diesem Artikel werden einige Kernaussagen des GKKE-Berichtes dokumentiert. 
Mit 5,82 Milliarden Euro ist der Wert der Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr (2019: 8,02 Milliarden Euro) deutlich gesunken. Die bereits bekannten Rekordwerte für das Jahr 2021 zeigen jedoch, dass dies kein Vorzeichen einer Trendwende war. An Staaten außerhalb von EU, NATO und gleichgestellten Ländern wurden im Jahr 2020 Ausfuhren in Höhe von 2,92 Milliarden Euro genehmigt. Damit belief sich der Anteil der Genehmigungen für Exporte an Drittstaaten auf 50,1 Prozent. Auf Kriegswaffen bezogen stieg dieser Anteil sogar auf 56 Prozent. 

Höchst problematische Exportpraxis
Die GKKE findet deutliche Worte für die Genehmigungspraxis der Bundesregierung. Diese widerspreche ihren eigenen Grundsätzen und sei höchst problematisch. Obwohl die Bundesregierung immer das Gegenteil beteuere, würden deutsche Rüstungsgüter weiterhin auch an Länder geliefert, in denen staatliche Organe systematisch Menschenrechtsverletzungen begehen, und in Regionen, in denen Gewaltkonflikte und regionale Rüstungsdynamiken zu beobachten sind. 
Das Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) stuft die Menschenrechtssituation in 57 Staaten, in die die Bundesregierung im Jahr 2020 Rüstungslieferungen genehmigte, als sehr schlecht ein (2019: 55). In 35 Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte gab es interne Gewaltkonflikte (2019: 33), bei 22 ist die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Region gefährdet (2019: 18). 

Exporte in den Jemen- und Libyen-Krieg
Die GKKE kritisiert unter anderem Genehmigungen von Exporten an Staaten, die am Jemen- und/oder Libyenkrieg beteiligt sind und fordert die Bundesregierung auf, diese zu versagen. An Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – beide führend in der Jemen-Kriegskoalition – genehmigte die Bundesregierung 2020 Rüstungsexporte im zweistelligen Millionenbereich. Bei den Rüstungsexporten an Saudi-Arabien in Höhe von 30 Millionen Euro handelte es sich überwiegend um Teile für Eurofighter- und Tornado-Kampfjets, die als Zulieferungen im Rahmen von Gemeinschaftsproduktionen mit europäischen Partnern vom „Exportstopp“ ausgenommen waren. Doch genau mit solchen Flugzeugen fliegt die Kriegskoalition Luftangriffe, bei denen bereits tausende Zivilisten im Jemen verletzt oder getötet wurden. 
Mit Ägypten lag ein Land auf Platz 2 (2019: Platz 3) der Hauptempfänger deutscher Rüstungsexporte, das wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht und sich sowohl im Jemenkrieg als auch im libyschen Bürgerkrieg beteiligt. 2020 erhielt das Militärregime von Präsident Abdel Fattah al-Sisi beispielsweise Patrouillenboote der Lürssen-Werft, die ursprünglich für Saudi-Arabien bestimmt waren – „somit fand sich jetzt ein neuer, wenngleich ebenso fragwürdiger Abnehmer“. Die Lürssen-Werft soll sogar planen, mit Technologie- und Know-How-Transfers Ägypten dabei zu helfen, eine eigene Schiffsindustrie aufzubauen. 

Erwartungen an die neue Regierung 
Die GKKE begrüßt die Ankündigung der neuen Bundesregierung, ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz einzuführen. Eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung lehne Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete ab. Die reale Entwicklung solcher Exporte sei davon aber unberührt. Deshalb brauche es ein Rüstungsexportkontrollgesetz, „das solche problematischen Rüstungsexporte verbietet und etwaige Verstöße über das Verbandsklagerecht justiziabel macht“, so die GKKE. Neben verbindlichen, wirksamen und überprüfbaren Kriterien nennt die GKKE weitere Eckpunkte für ein solches Gesetz. So soll es beispielsweise bestehenden Kontrolllücken, u.a. im Bereich des Know-How-Transfers, entgegentreten. 
Eine weitere Herausforderung für die Rüstungsexportkontrolle sieht die GKKE im Bereich Drohnen. Die GKKE zeigt sich besorgt über die Entwicklung bewaffnungsfähiger Drohnen durch die deutsche und europäische Rüstungsindustrie – beispielsweise im Rahmen von europäischen Projekten wie der Eurodrohne und FCAS. Denn die bestehenden rüstungsexportpolitischen Regelungen trügen den besonderen Eigenschaften von Drohnen noch nicht ausreichend Rechnung. Es sei an der Zeit, sicherzustellen, dass deutsche und europäische Drohnentechnologie nicht an Empfänger gelangt, die sie zu externer Aggression, interner Repression und völkerrechtswidrigen Tötungen einsetzen. 
Vor dem Hintergrund europäischer Kooperationen im Rüstungsbereich, militärischer Ausstattungshilfe durch die EU und Rüstungsexporten in Krisenregionen wiederholt die GKKE zudem ihre Forderung nach strengerer Rüstungsexportkontrolle auf EU-Ebene. Sie fordert die Bundesregierung auf, eine strenge und einheitliche Anwendung des Gemeinsamen Standpunktes der EU einzufordern und auf eine neue, rechtlich verbindliche EU-Verordnung hinzuarbeiten. Diese dürfe jedoch ein deutsches Rüstungsexportkontrollgesetz nicht ersetzen. Die GKKE vertritt damit die Position, dass auf nationaler und auf EU-Ebene die Rüstungsexportkontrolle deutlich verbessert werden muss.
 

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Hintergrund
Charlotte Kehne ist Referentin für Rüstungsexportkontrolle bei Ohne Rüstung Leben und Sprecherin der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“