Sieben Siege in Urteilen gegen Uranwaffen

von Marion Küpker

Zum ersten Mal seit Oktober 2003 wurden in Verfahren vor Tribunalen und Gerichten gegen Uranwaffen Siege errungen. Damit wurde bereits ein Resolutionsziel der Hamburger Uranwaffenkonferenz von Oktober 2003 und damit der internationalen Anti-Uranwaffenbewegung erzielt, die die gemeinsame Unterstützung von Tribunalen und Gerichtprozessen beinhaltet.

Freispruch für 19 Angeklagte in den USA
Bereits am 17. Oktober 2003, zeitgleich mit der Welturanwaffenkonferenz in Hamburg, befanden die sechs Geschworenen in Minneapolis, dass das humanitäre Völkerrecht höher zu bewerten sei, als das Recht zum Schutze des Privateigentums. Im April 2003, auf dem Höhepunkt des letzten Irakkrieges, drangen 28 Zivilisten auf das Grundstück des Welthauptquartiers des Konzerns "Alliant Tech Systems" (ATK) ein und unternahmen eine zivile Waffeninspektion. Die Eindringlinge erklärten, dass es signifikante Beweise dafür gibt, dass die von ATK hergestellte Munition mit Uran 238 (DU) verantwortlich sei für die eskalierenden Krebserkrankungen und Geburtsdefekte unter der Zivilbevölkerung des Südiraks und den US-Truppen, die im Golfkrieg gedient haben. Die Angeklagten benutzten erfolgreich Bestimmungen zur US-Verfassung und des internationalen Völkerrechts, mit denen sie die Illegalität dieser Waffen begründen. www.nukewatch.com

Urteil des Internationalen Tribunals in Tokio
In Tokio fand im November 2003 ein Internationales Tribunal zum Krieg gegen Afghanistan und den dort begangenen Kriegsverbrechen statt. Das Richtergremium aus Anklägern und Verteidigung war international zusammengesetzt, darunter die Professoren Osamu Niikura und Asaho Mizushima aus Japan, Prof. Dr. R.I. Akroyd aus England, Prof. Peter Erlinger aus den USA und Prof. Niloufer Bhagwat aus Indien. Deutschland war mit Gyoergy Szell als einem der Ankläger vertreten. Das Tribunal sah es als erwiesen an, dass mindestens 600 Tonnen Uran in Waffen allein im Krieg gegen Afghanistan zum Einsatz kam und verurteilte dieses als Kriegsverbrechen. Aufgrund ihrer verheerenden Auswirkungen für die Zivilbevölkerung und die benachbarten Länder der Region weit über die Kriegsgebiete hinaus, definiert das Tribunal diese Waffen als Massenvernichtungswaffen. Die Verteidigung der USA hielt entgegen, dass es keine Konvention gibt, die den Einsatz von Uranmunition und Uranwaffen verbietet. Dem entgegnete das Tribunal, dass es für das Verhalten in Kriegen im internationalen Völker- und Menschenrecht ausreichende und eindeutige Prinzipien gibt, die solche Waffen verbieten. Es bezieht sich u. a. auf die Unterkommission der UN-Menschenrechtskommission, die festgestellt hat, dass ausreichende und eindeutige Prinzipien im internationalen Völker-und Menschenrecht existieren, die den Einsatz von Waffen nach bestimmten Kriterien verbieten (s. UN Dokument E/CN.4/Sub.2/2002/38 vom 27. Juni 2002).

Angesichts dieser Kriterien sind u. a. Clusterbomben, sowie Munition und Waffen mit Uran, die in Afghanistan eingesetzt wurden, illegal und als Kriegsverbrechen einzustufen. www.mindfully.org/Reform/2004/Afghanistan-Criminal-Tribunal10mar04.htm

Schottischer Veteran erzielt Rente
Am 4. Februar 2004 gewann der erste Veteran weltweit ein Verfahren für seine Rente, indem der Zusammenhang seiner Erkrankung durch DU-Verseuchung anerkannt wurde. Der Brite Kenny Duncan leidet seit der Reinigung von Panzern im Jahre 1991 im Südirak an Atembeschwerden und Gelenkschmerzen. Seine drei nach dem Kriegseinsatz geborenen Kinder leiden an ähnlichen Symptomen: deformierte Zehen und Immunschwäche, wie sie bei irakischen Kindern beobachtet wurden. Kenny Duncan war der Einzige von mehreren Veteranen, der sein Verfahren gewann, da nur er an einer kostspieligen unabhängigen Studie, die privat finanziert wurde, teilgenommen hatte. www.uni-kassel.de/fb10/frieden/ themen/DU-Geschosse/schott.html

Familie in Italien erhält Entschädigung
Am 26. Juni 2004 erhielt die Familie eines Uranwaffenopfers in Italien die weltweit zweite Entschädigung. Stefano Melone wurde ganz plötzlich im Februar 2000 mit Krebs diagnostiziert. Im August 2000 wurde der Zusammenhang seiner Krankheit mit seinem Militärdienst von der Militärkommission anerkannt, woraufhin Stefano eine Rente beantragte. Leider verstarb er nach vielen Operationen im November 2001 im Alter von nur 40 Jahren. Am 26. Juni 2004 veranlasste ein Gericht in Rom, dass das Verteidigungsministerium der Familie 500 000 Euro Entschädigung zu zahlen hat. Laut Gericht wurde Stefanos Tod "durch die Aussetzung von radioaktiven und krebserregenden Substanzen" während seines Dienstes auf dem Balkan verursacht. www.peacelink.it

Untersuchung in Großbritannien: Golfkriegssyndrom existiert!
Im Juli 2004 fand eine von dem hoch angesehenen ehemaligen Richter Lord Lloyd von Berwick geleitete unabhängige Untersuchung über die Existenz des Golfkriegssyndroms statt. Dabei wurde aufgedeckt, dass bereits vorhandene Studien vom Verteidigungsministerium bislang ignoriert wurden und die Existenz dieses Syndroms durchweg geleugnet wurde. Dabei gibt es "viele Gründe", dessen Existenz akzeptieren zu müssen. Die Kommission fordert, dass das Verteidigungsministerium einen sofortigen Fonds für Entschädigungszahlungen an Veteranen einrichten soll und die Ergebnisse dieser Untersuchung ohne Verzögerung anerkennen muss. Der Bericht besagt außerdem, dass Kriegsveteranen zweimal so häufig an Gesundheitsproblemen leiden wie die Vertreter anderer Berufe. Als Ursachen dafür wird eine Kombination mehrerer Faktoren genannt: Pestizide, mit denen die Zelte eingesprüht wurden, verschiedene Impfungen, Nervengase und eben auch das Einatmen von Uranstaub ("abgereichertes" Uran). Auch wenn es weiterer Untersuchungen bedarf, muss das Verteidigungsministerium akzeptieren, dass die Erkrankungen Ergebnisse des Kriegseinsatzes im Golfkrieg 1991 sind. www.ngfa.com/files/downloads/public/gwii-statement.pdf

Hiroshima: Anhörung des ICTI (International Criminal Tribunal for Iraq - Welttribunal zu Irak (WTI))
Am 12. Dezember 2004 wurde in einem 14-seitigen Urteil der WTI-Anhörung, die im Oktober in Hiroshima stattfand, die US-Regierung für ihren Einsatz von Uranwaffen im Angriffskrieg gegen den Irak im Jahr 2003 als Kriegsverbrecher für schuldig befunden. Dieses ist eine Zwischenerklärung der Richter, da das gemeinsame und endgültige Urteil der internationalen Tribunal- und Anhörungsserie erst ab März 2005 in Istanbul (Türkei) bekannt gegeben wird. www.worldtribunal.org/Events/Hiroshima.htm

Erneut Freisprüche in den USA
Am 14. Dezember 2004 wurden zum zweiten Mal in einer Woche vier Aktivisten (siehe Bild), die im Juli 2004 in das Alliant Tech Gelände (ATK) eindrangen, von den Geschworenen des Hennepin Gerichtes freigesprochen. Damit hat sich die Zahl der Freisprüche seit Oktober 2003 auf 27 erhöht. Bereits 1997 wurden 79 Menschen vom Gericht für ihr Eindringen bei ATK für unschuldig befunden, nachdem sie angaben, dass die dort produzierten Landminen internationale Gesetze verletzen. In dem jetzigen Verfahren gaben die Angeklagten an, dass ATK mit der Produktion von Uranwaffen gegen die Haager Konvention, die Genfer Konvention und die Nürnberger Gesetze verstoßen. Zudem geben diese Verträge jedem Individuum das Recht, angemessene Aktionen zur Verhinderung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durchzuführen. Vier weitere Verfahren sind gegen ein weiteres Duzend von Aktivisten anhängig. Mike Miles, einer der Verurteilten, sagt dazu: "Wir hoffen die Verantwortlichen von ATK überzeugen zu können, dass sie die Produktion dieser Waffen sofort einstellen müssen. Andererseits setzen sie und ihre Angestellten sich der Gefahr aus, dass sie ähnlich wie bei IG Farben als Kriegsverbrecher überführt werden können". Der deutsche Konzern IG Farben produzierte das Gas, mit denen die Nazis Millionen von Zivilisten in den Konzentrationslagern töteten. Die Angestellten von IG Farben wurden trotz der Angabe, dass sie nur Regierungsverträge erfüllten, vom Nürnberger Tribunal als Kriegsverbrecher verurteilt. www.nukewatch.com/du/20041220notguilty.html

Britische Verfahren gegen Honeywell verschoben
Das für Oktober 2003 geplante Verfahren vor dem Obersten Gericht in London gegen den Konzern Honeywell durch den Briten Richard David wurde wegen neuer Beweise auf April 2005 verlegt und auf 20 Verhandlungstage verlängert. Richard hatte von 1985-1995 als Ingenieur und Maschinist für eine Raumfahrtgesellschaft gearbeitet, die weltweit bekannt für die Herstellung von Hubschraubern und anderen Industrieteilen ist. Erst in den letzten Jahren entdeckte er, dass an seinem Arbeitsplatz ab 1966 Uranmetall als Ballast für den Rotor der Hubschrauberflügel verwendet wurde. Durch zwei unabhängige Studien, die privat finanziert wurden, kann er seine DU-Verseuchung belegen. Sollte Richard in dem Urteil einen Sieg erzielen, wird dieses ein weiterer Meilenstein im Vorankommen unseres Kampf sein: es ist sicher das Ende der Illusion, dass DU nur beim Militär in Betracht kommt. www.rcpbml.org.uk/wdie-03/d03-114.htm

Ziele für das Jahr 2005/2006
Das kommende Jahr wird voraussichtlich das Jahr der unabhängigen internationalen epidemiologischen Befragungen in der Zivilbevölkerung rund um Atomprojekte, DU-Testgebiete, Produktionsanlagen und Unfallorte von Uranwaffen. Die Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA) beteiligt sich an der Organisierung dieser Befragungen in der BRD und dem Aufbau eines "internationalen freien Instituts".

Für weitere Informationen: GAAA c/o Marion Küpker, marion [at] motherearth [dot] org, www.uranwaffenkonferenz.de.

 

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Marion Küpker ist internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atomwaffen.