Nur ein ziviles Europa kann soziale Gerechtigkeit sichern

Stand der EU-Militarisierung

von Felix Oekentorp

Der internationale Konflikt um die Beteiligung am Krieg gegen den Irak schien einen Riss durch das Europa der 25 EU-Staaten zu verursachen. Spanien und Polen unterstützten den angloamerikanisch geführten Völkerrechtsbruch, andere, darunter Frankreich und Deutschland hielten sich zumindest etwas zurück. Wer meint, eine gemeinsame Militärpolitik sei damit erheblich erschwert worden, der wird enttäuscht sein. Die Militarisierung Europas schreitet - in der Öffentlichkeit fast nicht wahrgenommen - zügig voran.

Das Kriegsbündnis NATO wird über 10 Jahre nach Ende des kalten Krieges nicht endlich ersatzlos beerdigt, stattdessen wird die EU zusätzlich aufgerüstet, um aktiv zu werden, wo die NATO nicht kann oder will.Noch steht die Europäische Eingreiftruppe nicht, da war das militärische Europa bereits mehrfach im Einsatz, mit der bekannten salamiartigen Ausweitung der Kompetenzen: Auf UN-Ticket in Bosnien Herzegowina (EUPM Januar 2003), auf NATO-Ticket in Mazedonien (Concordia April 2003) und schließlich selbstmandatiert in der Demokratischen Republik Kongo (Juni 2003).

Was besagt die EU-Verfassung?
Auch wenn es Ende 2003 letztlich keine Einigung beim EU-Gipfel in Brüssel im Dezember 2003 über den vorgelegten Verfassungsentwurf des Konvents gegeben hat, der umstrittene Punkt betraf nicht die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit ihren ganz besonderen Artikeln, welche die Hoch- und Aufrüstung festschreiben.

DenLeserInnen des Friedensforums ist der friedenspolitisch hervorstechendste Artikel der EU-Verfassung bekannt:

Artikel 40.3: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es wird ein Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellenund technologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich Fähigkeiten und Rüstung zu beteiligen sowie den Ministerrat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen."

Auf dem Gipfel von Brüssel im Juni 2004 wurden einige strittige Punkte der Verfassung ausdiskutiert. Neben den Absicherungen der Pöstchen und nationalen Einflussmöglichkeiten war das die Frage nach der wirtschaftlichen Stabilität. Diese macht das Europa nicht fest an einer Beschäftigungsquote sondern an der Nettoneuverschuldung. Dieses zur Einführung der gemeinsamen Währung schon 1996 festgelegte Kriterium wurde mit einer gemeinsamen Erklärung, die dem Entwurf vom Mai letzten Jahres anhängt, zementiert

Noch immer zu wenig bekannt ist die Dimension der geplanten Schnellen EU Eingreiftruppe von 80.000 Soldaten, von denen die Bundesrepublik den weit größten Kontingent mit 18.000 Soldaten stellen will. In der Europäischen Sicherheitsstrategie, verabschiedet im Dezember 2003 in Brüssel heißt es "Als eine Union mit 25 Mitgliedsstaaten, die mehr als 160 Mrd. Euro für Verteidigung aufwenden, sollten wir mehrere Operationen gleichzeitig durchführen können." Die Frage drängt sich auf: "Wozu?" Um die Freiheit Europas am Hindukusch zu verteidigen? Um dem Irak nicht vorhandene oder selber dorthin exportierte Massenvernichtungswaffen zu entreißen? Sind alle internen Probleme in Europa gelöst? Haben wir ein intaktes Gesundheitssystem, ein zufriedenstellendes Bildungssystem? Als sei nicht längst nachgewiesen, dass Arbeitsplätze im zivilen Bereich nicht nur sinnvoll sondern auch noch weit billiger sind als Arbeitsplätze in der Rüstung?

Ausgaben für Rüstung und Krieg
Die vielfach zitierte ISW-Wirtschaftsinfo rechnet vor: Für die 180 bestellten Eurofighter für die Bundeswehr ließen sich 250.000 Sozialwohnungen bauen, für die 80 Kampfhubschrauber Tiger könnte man 577 Altenpflegeheime bauen, statt der 134 bestellten Transporthubschrauber ließen sich 715 Grundschulen bauen, für die 60 bestellten Militär Airbus bekäme man 572 Berufsschulen, für die 600 bestellten Luft-Boden Raketen Taurus erhielte man 500 Kindergärten und für die 3 bestellten Fregatten könnte man den Bau von 236 Studentenwohnheimen bezahlen.

Die von der Bundeswehr im Bundeshaushalt Epl.14 (also dem Etat des "Verteidigungsministers") offen zugegebenen sogenannten Verteidigungskosten betragen etwa 24 Mrd. Euro jährlich für die Bundesrepublik. Das entspricht einer monatlichen Pro-Kopf-Belastung von 25 Euro, also dem zweieinhalbfachen der in jedem Quartal fälligen Praxisgebühr.

Dennoch beklagt die Zeitschrift "Informationen für die Truppe", dass die Rüstungsausgaben Deutschlands deutlich unter den Ausgaben Frankreichs und Großbritanniens liegen. Vergleicht man die Militärausgaben ehrlicher, und berücksichtigt auch die versteckten Rüstungsausgaben in anderen Etats kommt man zu den Daten, dass Frankreich und das Vereinigte Königreich tatsächlich ein schlechtes Beispiel abgeben mit fast doppeltem Aufwand für Rüstung im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland.

Wer will ernsthaft behaupten, eine Erhöhung der Ausgaben für Militär und Rüstung sei ein Luxus, den wir uns leisten können und wollen? Nutzen wir die durch den Streit um die Abstimmungsmehrheiten gewonnene Zeit und organisieren wir unseren Widerstand gegen diese EU-Verfassung!

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Felix Oekentorp ist einer der Bundessprecher der DFG/VK.