Tschüss Frank

von Mani StennerVolker Maria Hügel

Frank Eyssen kam aus der creativen Abteilung der Polit-AktivistInnen. Als selbsternanntes "Büro für notwendige Einmischungen" haben wir Frank Eyssen im Herbst 1992 kennengelernt - bei den Vorbereitungen zur großen Asylrechtsdemo und zum "Tag X", als im Mai 1993 mit der Verfassungsänderung von Artikel 16 II 2 der Bundestag das Grundrecht auf Asyl weitgehend abschaffte. Franks Übersetzung der Drittstaatenregelung: "Asyl kriegt nur noch, wer mit dem Fallschirm über Deutschland abspringt". Das wurde dann zum Plakatmotiv für die "Belagerung des Bundestages" am 26. Mai 1993. Die dazu gehörende "notwendige Einmischung" - ein Fallschirmabsprung von Aktivisten in die Bannmeile - wurde damals vom Bundesgrenzschutz mit Brachialgewalt gegen den Start des Flugzeuges verhindert. Ein typischer Eyssen: von den übersprudelnden dutzend Aktionsideen für eine Kampagne scheiterten viele - oft auch daran, dass diese tollen Ideen für die anderen Beteiligten neben dem "normalen" anstrengenden Engagement in Bürgerinitiativen einfach zu viel waren.

Frank wusste, dass sein Überschwang und seine nie enden wollende Energie auch genervt hat, aber er konnte es nicht lassen. So wurden Demos gegen die Schließung des Hamburger Hafenkrankenhauses zum ausgebufften Polit-Happening mit dem "original Schlagerpabst". So wurden Kundgebungen am Bonner Bundestag (z.B. gegen den Eurofighter), am "Haus der Geschichte" (zur Geschichte von tödlichen Abschiebungen) oder bei Abschiebeknästen und in Abschiebeflughäfen künstlerisch und medial aufgepeppt. So entstanden Kampagnenplakate wie "sie wäre heute 65 Jahre alt" (Anne Frank) und "Kinder darf man nicht verladen!" oder der "PersonalRausweis" für Innenminister Kanther (könnte Schily auch gebrauchen) und die subversive Transrapid-Fahrkarte, die "Anleitung zum politischen Ungehorsam" u.v.m.

Engagiert für die "ganz unten" und in Umwelt-, Flüchtlingshilfe- und Friedensbewegung hat Frank wie so viele von uns eigene Finanzinteressen vernachlässigt. Selbstausbeutung pur auch in seinen letzten Tätigkeiten für das Hafenkrankenhaus und den Bau eines "Ozeanhauses" in Hamburg.

Aber das Leben konnte er genießen. Seine Liebe zur Musik hat nie nachgelassen. Wir sind nach gemeinsamen Kochorgien in durchgequatschten Nächten bei Kostproben aus seinem überdimensionierten CD-Regal Freunde geworden. Musik war auch sein erstes Metier. Er war Produzent für LPs von Walter Traut, "Fury in the slaughterhouse" und John Mayall, konnte von den ersten Auftritten der Beatles in Hamburg erzählen, schrieb ein Buch über Peter Maffay, war Tourfotograf für die "Scorpions" und lieferte die Fotos für das erste Album von "Trio". Immer blieb er begeisterter Konzert- und Kinogeher. Pearl Jam, Neil Young, Bruce Springsteen, die Stones und "our highness" Bob Dylan waren gemeinsame große Konzerterlebnisse. Aber sein Herz schlug für die Nischen, die unerfolgreichen und doch so kreativen Kleinkünstler, vom Musiker bis zum Filmemacher. Wir haben unzählige Bücher, Filmvorführungen und Bilder durch ihn kennengelernt. Durch seine menschenfreundliche Neugier wurde Frank zum Kenner von Kultur und von Kulturen.

Ein zu kurzes Leben für viele Träume, die er an der Seite seiner Freundin Katharina Böhm noch leben wollte. Frank Eyssen fiel ins Koma, nachdem eine Ader im Hals geplatzt war. Einige Wochen gab es eine kleine Hoffnung bis er an einer Lungenentzündung starb. Er wurde 48 Jahre alt. An das "wurde" werden wir uns nur schwer gewöhnen können.

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Volker Maria Hügel ist Leiter des GGUA-Projekt-Büro Qualifizierung der Flüchtlingsberatung