Rüstungsexporte im Hamburger Hafen

Volksinitiative zum Stopp von Rüstungsexporten durch den Hamburger Hafen

von Martin Dolzer
Initiativen
Initiativen

Seit knapp zwei Jahren bereiten wir eine Volksinitiative zum Stopp der Rüstungsexporte durch den Hamburger Hafen vor. Wir sind ein Bündnis von verschiedenen Friedensgruppen, gewerkschaftlich und hochschulpolitisch Aktiven, von Künstler*innen, Aktiven aus der kurdischen Community, der alevitischen Gemeinde, der Lampedusa-Gruppe, der linken türkischen DIDF, aus der Klima- und sozialen Bewegung, aus der Flüchtlingssolidarität und kirchlichen Zusammenhängen sowie aus den Parteien DKP und Die Linke. Da wir nun schon seit einem halben Jahr öffentlich aktiv sind, kommen auch immer mehr Menschen dazu, die vorher noch nicht aktiv waren.

Uns eint das Bewusstsein, dass ohne Frieden kein menschenwürdiges Leben möglich ist, und der Wille, direkt an unserem Lebensort offensiv für Frieden einzutreten. In der Hansestadt leben Menschen aus nahezu 200 Ländern. Über den Hafen gehen Waren aus allen Teilen der Welt ein und aus. Und wir denken, dass sowohl Produktion als auch Handel ausschließlich friedlichen Zielen dienen dürfen.

In und um Hamburg produzieren momentan jedoch mehr als 93 Unternehmen Rüstungsgüter. Über den Hafen werden pro Jahr 1.000 Container mit Munition verschifft. Das sind drei Container pro Tag – dazu kommen noch Waffen, Panzerwagen, Panzer, Raketenwerfer und Kriegsschiffe. Transportiert wird zum Beispiel nach Mexiko, Brasilien oder Kolumbien – in Länder, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Auch nach Saudi-Arabien und in die Türkei, die damit unter anderem im Jemen, in Syrien und gegen die Kurd*innen Krieg führen. Allein im ersten Quartal 2020 wurden trotz Corona Panzerkampfwagen und Kriegsschiffe im Wert von 200 Millionen Euro exportiert.
Auch der Export von Kleinwaffen, den Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts, ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Im Jahr 2017 wurden aus Hamburg Pistolen und Sturmgewehre im Wert von 500.000 Euro verschifft – 2018 für fünf Millionen und 2019 für mehr als 13 Millionen Euro! Weltweit heizen Rüstungsexporte bewaffnete Konflikte und Kriege an und zwingen Millionen Menschen zur Flucht. Rüstungsriesen wie Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann oder die Lürssen Werften, zu denen auch Blohm und Voss gehört, machen damit Milliarden-Gewinne.

Uns liegen zwei Gutachten von Anwält*innen vor, die bestätigen, dass die Rüstungsexporte durch den Hamburger Hafen per Landesrecht unterbunden werden können. Dazu gehört lediglich der politische Wille. Da dieser fehlt, versuchen die Landesregierungen in Hamburg seit Jahrzehnten die Verantwortung für eine friedliche Politik auf die Bundesebene zu schieben. Wir beziehen uns positiv auf die Hamburgische Verfassung, in der es in der Präambel heißt „Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein. Durch Förderung und Lenkung befähigt sie ihre Wirtschaft zur Erfüllung dieser Aufgaben und zur Deckung des wirtschaftlichen Bedarfs aller.“

Dieser Vorgabe aus der Verfassung von 1952 wollen wir endlich Geltung verschaffen. Da wir uns bewusst sind, dass die Rüstungslobby und der Hamburger Senat alles Mögliche tun werden, um den Erfolg der Initiative zu verhindern, war uns die anwaltliche Expertise besonders wichtig. In letzter Zeit versucht der Senat, fast jede Volksinitiative juristisch zu unterbinden. Zuletzt klagte er mit einer hanebüchenen Argumentation gegen die Volksinitiative gegen die Schuldenbremse – und das Hamburgische Verfassungsgericht folgte dieser Vorgabe. Aus unserer Sicht eine klar politisch motivierte Entscheidung. Nun heißt es für uns, den Druck weiter zu erhöhen, denn auch Gerichtsentscheidungen orientieren sich an der gesellschaftlichen Situation und Kräfteverhältnissen. So entschieden sich die Hamburger*innen 2015 trotz massivem propagandistischen Wind in einem Bürgerentscheid gegen eine Ausrichtung der Olympischen Spiele in der Hansestadt.

In der ersten Phase der Volksgesetzgebung müssen wir innerhalb von sechs Monaten mindestens 10.000 Unterschriften [in Hamburg, Anm. der Red.] sammeln, im zweiten Schritt, dem Volksbegehren dann rund 65.000 in drei Wochen. Die dritte Stufe, der Volksentscheid, wird dann an eine Wahl gekoppelt – hier bedarf es 50% plus eins der abgegebenen Stimmen. Wenn wir diese Stufe gewinnen, sind Bürgerschaft (Landtag) und Senat verpflichtet, das Anliegen umzusetzen.

Im Schatten der Coronakrise drohen die nötige Wende in der Klima- und in der Flüchtlingspolitik sowie die weltweite Verschärfung der sozialen Ungleichheit und die zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen in den Hintergrund zu treten. Unsere Kampagne ist dagegen eine Alternative zur scheinbaren Alternativlosigkeit, zur Ohnmacht, und sie bedeutet Solidarität entgegen verordnetem Stillschweigen und Vereinzelung.

Nach einer ersten großen Veranstaltung auf dem Rathausmarkt im Oktober 2020 wollen wir Mitte März 2021 mit einer Auftaktveranstaltung mit der Unterschriftensammlung beginnen und gehen davon aus, dass gerade jetzt das Interesse sehr groß sein wird, sich an etwas Sinnvollem zu beteiligen. Dann werden wir in der ganzen Stadt sichtbar sein und zudem monatlich weitere thematische Veranstaltungen mit friedensbewegten Menschen, bekannten Persönlichkeiten, Künstler*innen und Musiker*innen durchführen. Auch kleine Aktionen wie kürzlich ein Lichtspiel mit der Projektion einer riesigen Friedenstaube auf ein Haus zum bundesweiten Aktionstag „Abrüsten statt aufrüsten“ sind geplant. Wir haben damit begonnen, uns unter anderem beim Friedensratschlag bundesweit und mit Aktiven aus Triest international zu vernetzen. Wir verbinden Politik und Kultur, haben Spaß bei der politischen Arbeit und freuen uns über jede*n neue*n Mitstreiter*in in Hamburg und über Hamburg hinaus.

Informationen über Volksinitiative sind zu finden unter: www.ziviler-hafen.de  - Allgemein
https://www.youtube.com/watch?v=idrYUzIRVdc - Kampagnenvideo
https://www.youtube.com/watch?v=2NUOmuEbUAU – Dokumentation der großen Veranstaltung auf dem Rathausmarkt

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Martin Dolzer ist Musiker, Journalist und Politiker sowie einer von drei Öffentlichkeitsreferent*innen der Volksinitiative gegen Rüstungsexporte.