6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Weitere Freisprüche für Golfkriegsgegner in Bonn
vonIm letzten Friedensforum berichteten wir u.a. über Bonner Prozesse gegen Golfkriegsgegner, die unter dem Verdacht des Aufrufs zu einer Straftat (Befehlsverweigerung) standen. Heute können wir einige zentrale Aussagen aus dem freisprechenden Urteil zitieren:
"Den Angeklagten ist zur Last gelegt worden, gemeinschaftlich mit anderen...durch Unterzeichnung eines von "Pax Christi" herausgegebenen Flugblattes gegen den Golfkrieg zu einer rechtswidrigen Tat im Sinne des 111 StGB - nämlich Soldaten zur strafbaren Gehorsamsverweigerung gemäß 20 WStG - aufgefordert zu haben. Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung ließ sich dieser Vorwurf aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht aufrechterhalten.
Beide Angeklagten haben sich übereinstimmend dahingehend eingelassen, daß sie mit der Unterzeichnung des Flugblattes kurz vor dem drohenden Ausbruch des Golfkrieges einen eindringlichen Appell zur Wachsamkeit, zum Protest und zum Widerstand gegen den Golfkrieg bzw. gegen die diskutierte Beteiligung der Bundeswehr an diesem Krieg an die Bevölkerung hätten richten wollen. Sie hätten diesen Krieg mit all seinen schrecklichen Konsequenzen für die Menschen und die Umwelt am Golf für ethisch nicht vertretbar, für völkerrechtswidrig und die mögliche Beteiligung von deutschen Truppen für verfassungswidrig gehalten. Sie hätten sich deshalb dazu berechtigt, ja sogar verpflichtet gefühlt, jeden einzelnen Bürger zu einer gründlichen Gewissensüberprüfung und zu einer eigenverantwortlichen Meinungsbildung über die Berechtigung des Golfkrieges aufzurufen.
Diese Einlassung der Angeklagten ist aus der Sicht des Gerichts glaubhaft und nachvollziehbar. Sie widerspricht nicht dem objektiven Erklärungswert des von ihnen unterzeichneten Flugblatts. Vielmehr enthält dieses bei der gebotenen umfassenden und sorgfältigen Auslegung des gesamten Textes aus der Sicht eines verständigen Lesers keine eindeutige Aufforderung zur rechtswidrigen Gehorsamsverweigerung im Sinne des 20 Wehrstrafgesetze...
Aus dem aufgezeichneten Zusammenhang zwischen den Ausführungen zur Ablehnung des Golfkrieges aus rechtlichen, politischen und ethischen Gründen und dem nachfolgenden Appell an unterschiedliche Adressaten zum Handeln wird nach Auffassung des Gerichts deutlich erkennbar, daß es den Unterzeichnern des Flugblattes in erster Linie darum ging, die Bevölkerung aufzurütteln, das Problembewusstsein zu schärfen, das Gewissen des Einzelnen anzusprechen und ihn aufzufordern, entsprechend der so gewonnenen Überzeugung "jeder an seiner Stelle" eigenverantwortlich zu handeln. So werden die Soldaten nicht aufgefordert, unterschiedslos jedem Befehl im Zusammenhang mit dem Golfkrieg den Gehorsam zu verweigern, sondern nur demjenigen Befehl, der ihrem Gewissen widerspricht. Aus dieser Verknüpfung zwischen Gewissensentscheidung und Gehorsamsverweigerung wird nach Auffassung des Gerichts die Absicht der Flugblattunterzeichner hinreichend klar und unmissverständlich deutlich, auch die Soldaten der Bundeswehr vorrangig zu einer eigenverantwortlichen Gewissensentscheidung aufzurufen. Daß ein solcher Appell keine Aufforderung zu einer Straftat im Sinne des 111 StGB darstellt, liegt auf der Hand.
111 StGB fordert eine öffentliche Äußerung, aus der der Wille des Täters eindeutig und unmissverständlich erkennbar wird, den Adressaten seiner Erklärung zu einer rechtswidrigen Tat auffordern zu wollen. Gerade weil diese Vorschrift das Recht auf freie Meinungsäußerung und den in der Demokratie notwendigen offenen Streit um das politisch Richtige berührt, ist sie nach Auffassung des Gerichts eng auszulegen und im Zweifelsfall ihre Verwirklichung zu verneinen. Dies umso mehr, als durch die genannte Vorschrift die Grenze der Strafbarkeit weit vor die Begehung der strafbaren Handlung selbst, deren Vorbereitung ja sogar vor deren konkrete Anstiftung vorverlegt wird. Dabei war die erkennbare Intention des Gesetzgebers, einer den Bestand des Staates gefährdender öffentlicher Aufwiegelung der Bevölkerung oder einzelner Bevölkerungsgruppen zur Begehung politisch motivierter Straftaten entgegenzuwirken.
Nach alledem sind die Angeklagten...freizusprechen.
Der Wortlaut kann für DM 1,- im Büro der Friedenskooperative, Römerstr. 88, 5300 Bonn bezogen werden.