16 Menschen in Haft wegen gewaltfreier Aktionen gegen Atomwaffen

Weitere Prozesse und Inhaftierungen wegen Aktionen in Büchel

von Martin Otto
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Über die jeweils 30-tägigen Gefängnisaufenthalte von Ria Makein (wegen der Go-In-Aktion in den Atomwaffen-Stützpunkt am 30.9.2019) und von Frits ter Kuile (wegen einer ähnlichen Aktion am 15.7.2018) wurde bereits im FriedensForum Nr. 5/2022 auf den Seiten 16 und 17 berichtet. Es war das 14. und das 15. Mal, dass Aktivist*innen wegen Teilnahme an Aktionen aus Protest gegen die Lagerung von US-Atombomben im Bundeswehr-Fliegerhorst bei Büchel eingesperrt worden sind.

Die 16. dieser Art Haft wird vorüber sein, wenn dieses FriedensForum-Heft erscheint: Holger Isabelle Jänicke, der/die in Hamburg ein Büro „Rechtshilfe für gewaltfreie Aktionen“ betreibt, hat diese ebenfalls 30-tägige Haftzeit am 17. August angetreten. Wie Ria war er*sie wegen des Go-Ins vom 30.4.2019 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden, die er*sie nicht bezahlt und somit den Zivilen Ungehorsam fortgesetzt hat. Holger Isabelle hatte zunächst Revision gegen die Verurteilung eingelegt, diese aber am Tag des russischen Einmarschs in die Ukraine zurückgezogen. Begründung: Jetzt würden kleine Irrtümer ausreichen, um versehentlich Atomwaffen zum Einsatz zu bringen. Er*sie schrieb ans Gericht: „In dieser Situation scheint mir die Fortsetzung der juristischen Auseinandersetzung um die Berechtigung Zivilen Ungehorsams für die Abschaffung der Atomwaffen nicht mehr zu sein als Rechthaberei. An Rechthaberei aber habe ich kein Interesse. Ich ziehe es vor, für unser aller Versagen zu büßen – und seien es auch nur läppische 30 Tage im Gefängnis."

Um 50 Tage im Knast geht es bei US-Bürger John LaForge, der wegen seiner Teilnahme an zwei Go-Ins (15.7. und 6.8.2018) nach einem Prozess durch drei Instanzen rechtskräftig verurteilt worden ist. Auch hier handelt es sich um eine Ersatzfreiheitsstrafe, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt. Er war zum Haftantritt bis spätestens am 25.9. geladen. Seine deutsche Anwältin beabsichtigte jedoch, eine Verschiebung des Antrittstermins zu beantragen, bis John mal wieder in Deutschland ist. Außerdem hat sie für ihn eine Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung eingelegt.

Bereits fünfzehn Mal sind solche Verfassungsbeschwerden eingelegt worden: von 17 Aktivist*innen, die rechtskräftig verurteilt worden waren. Dreizehn dieser Beschwerden sind vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden, die zwei übrigen (auch die von John) sind noch in „Karlsruhe" anhängig. Zwei Aktivistinnen, deren Verfassungsbeschwerde abgewiesen worden ist, haben eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht. Die Entscheidung des EGMR steht noch aus.

Erstmals fand eine Verhandlung im Zusammenhang mit einer Büchel-Aktion in Nordhessen statt: Am 8. September wurde im Amtsgericht Korbach das Verfahren gegen Uwe Lutz-Scholten wegen Geringfügigkeit eingestellt. Ihm war vorgeworfen worden, Beihilfe zu einem Aufruf zu einer "Digging for Life"-Aktion geleistet zu haben. Bei dieser Aktion hatten am 19.7.2021 mehrere Aktivist*innen damit begonnen, am Zaun des Militärgeländes einen Tunnel zu graben. Ziel war es, so auf die Startbahn des Fliegerhorsts zu gelangen, um den Flugbetrieb zu stoppen. Die Polizei unterband die gewaltfreie Aktion und nahm drei Leute fest, die dann von der Bundeswehr angezeigt wurden. Allerdings wurden die Ermittlungsverfahren gegen die, die gegraben hatten, von der Staatsanwaltschaft eingestellt, ohne dass die Sache vor Gericht kam. Hingegen kam es wegen Beihilfe zum (angeblichen) Aktionsaufruf zu der Verhandlung in Korbach.

Zwischen dem Redaktionsschluss für dieses FriedensForum-Heft und seinem Erscheinen dürften zwei Gerichtsverhandlungen (terminiert für 15. und 20.9.22) über die Bühne gegangen sein: beide im Landgericht Koblenz, die erste mit der Angeklagten Lies Welker wegen des Go-Ins vom 30.4.2019, die zweite mit US-Bürgerin Susan Crane, die wegen ihrer Teilnahme an gleich sechs Go-In-Aktionen in 2018 und 2019 angeklagt ist. Über den Ausgang dieser Verhandlungen wird voraussichtlich im Menüpunkt "Aktuelles" auf der Internetseite der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen (gaaa.org) informiert werden.

Für den 23.11.2022 ist US-Bürger Brian Terrell ins Amtsgericht von Cochem geladen, nachdem er gegen einen Strafbefehl wegen seiner Teilnahme an der Go-In-Aktion vom 14.7.2019 Einspruch eingelegt hat.

Martin Otto ist aktiv in der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA)

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