Porträt: Hildegard Goss-Mayr

Wie Feinde Freunde werden

von Pete Hämmerle
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Hildegard Goss-Mayr wurde am 22.1. 1930 in Wien geboren als Tochter von Kaspar Mayr, der damals Internationaler Sekretär des International Fellowship of Reconciliation (IFOR) in Wien und zuständig für die Versöhnungsarbeit zwischen Deutschen und PolInnen sowie die Osteuropa-Arbeit des IFOR war.

Geprägt durch die Erfahrungen ihres katholischen und zugleich international-ökumenischen Elternhauses sowie der christlich-gewaltfreien Bewegung jener Zeit, aber auch der „Mächte des Bösen“, die ihr als Kind im Nationalsozialismus ganz direkt begegneten, ging Hildegard während ihres Studiums nach dem Krieg durch eine existentielle Krise, an deren Ende sie immer stärker zur Erkenntnis gelangte, dass sie durch und in ihrem Leben einen Beitrag leisten wolle, die Kraft der Liebe und der Gewaltfreiheit, wie sie ihr in den Evangelien immer deutlicher wurde, für sich selbst und im gesellschaftlich-politischen Bereich umzusetzen.

Ab 1953 arbeitete sie daher als „Reisesekretärin“ für den Internationalen Versöhnungsbund, zu Beginn v.a. in der Ost-West-Arbeit, in der Suche nach einem „dritten Weg“ zwischen Gewalt und Passivität, zwischen den dominanten Systemen des Kapitalismus im Westen und des Kommunismus im Osten im Kalten Krieg. In ihrem Buch „Wie Feinde Freunde werden“ beschreibt sie weitere wichtige Stationen ihres Engagements: die Aufnahme des Friedensthemas und der Gewaltfreiheit im II. Vatikanischen Konzil, das Engagement für den Aufbau gewaltfreier Bewegungen in Lateinamerika in den 1960er und 70er Jahren, die Unterstützung – letztlich erfolgreicher - gewaltfreier Widerstandsbewegungen gegen die Diktaturen in den Philippinen (1984-86) und in Madagaskar (1990-91). Oft parallel dazu und in den letzten 25 Jahren waren ihr die Fortführung der gewaltfreien Trainingsarbeit im frankophonen Afrika, die Mitarbeit in den beiden Dekaden (2001 – 2010) für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit (Vereinte Nationen) und zur Überwindung von Gewalt (Ökumenischer Rat der Kirchen) sowie der interreligiöse Dialog zu den Wurzeln der Gewaltfreiheit, die nach ihrer Ansicht in allen Weltreligionen grundgelegt ist, ein besonderes Bedürfnis. Gut 35 Jahre lang (schon vor ihrer Hochzeit 1958 bis zum Tod von Jean im Jahr 1991) lebte sie dieses Engagement Seite an Seite mit ihrem Ehemann Jean Goss, und heute, bald neunzigjährig, führt sie es noch immer nach ihren Möglichkeiten weiter.

Ihr ganzes Leben lang schöpfte Hildegard Goss-Mayr die Inspiration und die Kraft für ihr weltweites Wirken aus einer tiefen Erfahrung der Liebe und Zuwendung des gewaltfreien Gottes, wie er sich den Menschen letztgültig im Leben, Sterben und in der Auferstehung Jesu Christi gezeigt hat. Sie und Jean Goss waren beide „MystikerInnen“ im Sinne einer radikalen Erfahrung der Liebe Gottes in ihrem Leben, die sie dazu drängte, diesen vergrabenen Schatz zunächst in der Kirche selbst wieder zum Vorschein zu bringen, und ihn dann darüber hinaus allen „Menschen guten Willens“, egal welcher Herkunft, Religion oder Weltanschauung, als einzig menschen-würdige Lebenshaltung und Methode, als Kraft der aktiven Gewaltfreiheit für die Überwindung von Unrecht und Gewalt, nahezubringen und sie so in ihrem Kampf für Frieden und Gerechtigkeit zu ermutigen und zu stärken. Deshalb waren ihre ersten Ansatzpunkte, ihre primären Zielgruppen normalerweise christliche Menschen, Gruppen und Gemeinden - oft diejenigen, die Unrecht, Armut und Gewalt am eigenen Leib erlebten -, aber auch Intellektuelle, Priester und Bischöfe, die in unterschiedlichen Kontexten Wege und Methoden suchten, der Spirale der Gewalt durch friedliche Methoden ein Ende zu setzen. Sie selbst bezeichnete ihre Aufgabe darin öfters als die einer „Hebamme“, die die in jedem Menschen angelegte Kraft der Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe ans Tageslicht bringt, freilegt, nicht aber Menschen „missionieren“, ihnen etwas Fremdes überstülpen will.

Persönlicher Erfolg oder Bekanntheit waren für Hildegard Goss-Mayr nie das Ziel ihres Engagements. Trotz verschiedener Friedenspreise und mehrmaliger Nominierung für den Friedensnobelpreis sah sie ihre Aufgabe immer darin, den Samen der Gewaltfreiheit auszustreuen. In vielen Menschen, vornehmlich in den Armen und Schwachen der Gesellschaft, ist dieser Samen „durch das Wirken des Heiligen Geistes“ aufgegangen und hat zu Veränderung im Kleinen und im Großen geführt. So darf sie wohl zu Recht in einer Reihe mit bekannteren christlichen AktivistInnen und VorkämpferInnen der gewaltfreien Aktion wie etwa Martin Luther King, Dorothy Day, Dom Helder Camara oder Mairead Maguire genannt werden.

Literatur: Wie Feinde Freunde werden. Mein Leben mit Jean Goss für Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Versöhnung, mit einem Geleitwort von Franz Kardinal König (1. Auflage 1996; 3., erweiterte Auflage 2008)

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Pete Hämmerle ist Mitarbeiter beim Internationalen Versöhnungsbund, österreichischer Zweig.