Tagung zu Sozialer Verteidigung

Wir brauchen gewaltfreie Alternativen

von Outi Arajärvi
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Nachdem es viele Jahre eher still geworden war um Soziale Verteidigung, ist das Interesse an dieser Alternative zu militärischer Verteidigung seit dem russischen Angriff auf die Ukraine stark gestiegen. Der Bund für Soziale Verteidigung, einer der Initiatoren der Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“, hat deshalb dieses Jahr zusammen mit der Kampagne schon das zweite Mal in Folge eine Tagung zu diesem Thema durchgeführt.

Aus meiner Sicht gab es drei Höhepunkte auf der Tagung zur Sozialen Verteidigung in Hannover vom 12.-14. Mai 2023. Das waren der Vortrag von Julia Nennstiel zur „Anpassung des Soziale Verteidigung Konzeptes an das 21. Jahrhundert“, „Ziviler Widerstand in der Ukraine“ von Filip Daza von NOVAC Katalonien und schließlich das Grußwort vom Bürgermeister der Stadt Hannover Thomas Hermann. Er sprach zum Thema Mayors for Peace, da Hannover Lead City von Deutschland und eine der Vizepräsidenten- und Exekutivstädte des Bündnisses ist.

Julia Nennstiel nannte als erste veränderte Bedingung die digitale Kommunikation und Information. Diese hat viele Proteste fundamental verändert; soziale Medien haben alles schneller gemacht und Aufrufe zum Handeln können sehr kurzfristig viele Menschen erreichen. Aktionen können koordiniert werden und Menschen können mitentscheiden, das führt zu größerer Motivation. Herausforderungen sind, dass die Gegenseite auch digital unterwegs ist, Videokameras und Drohnen zur Repression genutzt werden , das Internet geschlossen werden kann und Aktivist*innen erkannt werden können. Dagegen könnte eine Kombination digitaler und direkter Aktionen helfen.
Die Gegenseite hat effektivere Formen und Akteure entwickelt. Das  Leben der Protestierenden wird schwerer gemacht. Es können begrenzte Zugeständnisse angeboten werden, um Teile des Protestes zu besänftigen. Private Sicherheitsfirmen und bewaffnete Bürger*innen können eingesetzt werden.

Gezieltes Timing macht Repression effektiver, wenn z.B. Streit unter Betroffenen ausgenutzt wird. Protestierende sollten von der neuen Repression lernen. Und wichtig ist, bei der Aktion zu bleiben.
Filip Daza hat eine Untersuchung über gewaltlose Aktionen und Aktivist*innen in der Ukraine zwischen Februar und Juni 2022 gemacht. Im Februar 22 nach dem russischen Angriff fanden täglich öffentliche Proteste und kulturelle Veranstaltungen statt. Der gewaltfreie Widerstand hat einige der langfristigen militärischen und politischen Ziele der russischen Behörden behindert, wie etwa die Institutionalisierung der militärischen Besetzung. Es gab anhaltende öffentliche Demonstrationen, selbst in traditionell pro-russischen Regionen in der Ukraine, wie Cherson, bei denen ukrainische Flaggen und Symbole verwendet wurden. Das hat die russische Erzählung von der Befreiung des ukrainischen Volkes unterminiert.

In der Ukraine gibt es eine starke Zivilgesellschaft, sie hat ein umfassendes Schutzsystem für die Evakuierung, den Transport und die Umsiedlung der Bevölkerung aufgebaut, einschließlich finanzieller Unterstützung, Beratung und psychosozialer Hilfe für Frauen, Menschenrechtsverteidiger*innen und andere von der Gewalt betroffene Gruppen.
Kommunikative Aktionen, die sich an ein großes Publikum richteten, trugen dazu bei, Panik zu vermeiden. Diese Art von Aktionen hat es auch ermöglicht, den gewaltlosen Widerstand in den besetzten Gebieten und die hohe Moral der Bevölkerung aufrechtzuerhalten.

Der Zusammenhalt war groß: Die Solidarität des ukrainischen Volkes ist eine Chance für die Begegnung zwischen den Gemeinschaften des Ostens und des Westens.
Schließlich am Sonntag hatten wir Besuch von der Stadtverwaltung Hannover, Bürgermeister Thomas Hermann. Er erzählte von diversen Aktivitäten der Mayors of Peace als Lead City in Hannover. Zu den Zielen der Mayors of Peace gehört auch „sichere und widerstandsfähige Städte realisieren“. Da gibt es einen direkten Bezug zur Sozialen Verteidigung.

Es gab auch weitere interessante Vorträge und Arbeitsgruppen. Barbara Müller machte die Eröffnung mit der Frage „Was ist Soziale Verteidigung?“, es gab Arbeitsgruppen zu historischen Beispielen und AGs zum Thema „Wie kommen wir zu einer Gesellschaft, die sich sozial verteidigt“. Es gab einen Stresstest, wie Gegenargumenten begegnet werden könnte, Vorstellung eines Pilotprojektes im Wendland und Soziale Verteidigung intersektional gedacht, in der überlegt wurde, wen können wir einladen, wenn eine Krise droht.

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Outi Arajärvi arbeitet zum Thema Migration im Bereich Bildung und Forschung und ist Ko-Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung.