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Zukunft sichern - Kriegsdienste verweigern
von40 Jahre Grundgesetz waren für das offizielle Bonn Anlaß, die "Errungenschaften" der bundesdeutschen Demokratie zu feiern. Die Realität, wie sie Ausländer und Asylsuchende, Arbeitslose oder Kranke erfahren, hatte in diesem Blitzlichterglanz keinen Platz. Das prägte auch den Umgang mit der unbequemen Tatsache, daß bis Mai 1989 eine Million junger Männer den Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes nutzten, um den Kriegsdienst in der Bundeswehr zu verweigern.
Die DFG-VK nahm das Zusammentreffen des 40. Jahrestages des Grundgesetzes und der 1 Million Kriegsdienstverweigerer seit Bestehen dieser Republik zum Anlaß zu einem eigenen Empfang. Wie gehen Regierung und Gesetzgeber mit dem Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung um? Warum werden jene, die JA zum Leben sagen, diskriminiert und bestraft? Welche Bedeutung hat die wachsende Zahl der Kriegsdienstverweigerer für die Durchsetzung einer Friedenspolitik? Das sind Fragen, die aus Sicht der DFG-VK auch in der Friedensbewegung unzureichend diskutiert und aus deren Beantwortung kaum praktische Konsequenzen gezogen werden. Die RednerInnen auf dem Empfang waren gebeten, hierzu Diskussionsanstöße zu geben.
Renate Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, meinte in ihrer Rede, Kriegsdienstverweigerung sei heute notwendiger denn je. Sie kritisierte, daß der Zivildienst in die Kriegsführung eingeplant sei und forderte, ihre Partei müsse Konzepte entwickeln und sich dafür einsetzen, daß der "Zivildienst ein echter Friedensdienst" werde.
Die Hamburger Friedensforscherin Hanne-Margret Birckenbach stellte an Hand ihrer Forschungen fest: "Nicht nur Kriegsdienstverweigerer haben Gewissensgründe gegen den Wehrdienst, sondern auch bei Soldaten bzw. zukünftigen Soldaten regt sich ein Gewissen. Nicht in dem Sinne, daß wie manche Politiker weismachen wollen, Soldaten aus Gewissensgründen sich für die Bundeswehr entscheiden, sondern daß immer mehr Soldaten sich mit Gewissensbissen, mit schlechtem Gewissen oder wider ihr Gewissen entscheiden. Das heißt, im Prinzip ist die Zahl der potentiellen Kriegsdienstverweigerer sehr viel größer." Hierin sieht Birckenbach einen wichtigen friedenspolitischen Ansatz.
Für Prof. Dr. Ulrich Klug, ehemaliger Justizsenator in Hamburg, ist das heutige Grundgesetz nur die zweitbeste Verfassung, die wir je hatten. Damit kritisierte er die Verschlechterungen der Verfassung durch die Notstandsgesetzgebung sowie die im Widerspruch zum Art. 12a GG stehende Regelung des um ein Drittel längeren Zivildienstes. Dagegen stellte er die Überlegung: "Wir sollten immer wieder daran erinnern, daß das KDV-Recht in unserer Verfassung eine verfassungsrechtliche Spitzenleistung von Weltniveau ist, und daß jede Einschränkung dieses Rechtes eine Manipulation gerade an einem derjenigen Grundrechte ist, die unsere Verfassung trotz allem ein so hohes Ansehen im Weltmaßstab verschafft haben."
Deutliche Worte gegen die Angriffe aus CDU-CSU/FDP und Teilen der SPD auf die Informationskampagne von IG Metall-Jugend und DFG-VK zur Kriegsdienstverweigerung fand Christian Götz vom Vorstand der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. Den PolitikerInnen warf er vor, "die Bundeswehr als Selbstzweck zu tabuisieren", und erinnerte an eine Äußerung des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann: "... jede Bundeswehr muß grundsätzlich bereit sein, sich um einer besseren politischen Lösung willen in Frage stellen zu lassen."
Seine Motive zur Verweigerung stellte der millionste Kriegsdienstverweigerer Frank Walther aus Fürth vor. Für ihn liegt die Bedrohung nicht bei "imaginären Feinden", sondern in Umweltzerstörung, Ozonlöchern, Hochrüstung und Kernenergie. Als Jugendvertreter und aktives Gewerkschaftsmitglied setze er sich für seine KollegInnen ein, für höhere Löhne, mehr Freizeit und Arbeitszeitverkürzungen. Er verweigere, denn: "Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, Kriegsdienst zu leisten, wo ich im Eventualfall bereit sein müßte, alles das, wofür ich mich jetzt engagiere, kaputt zu machen."
Die Dokumentation des Empfangs ist mit einem Geleitwort von Inge Aicher-Scholl in der Reihe "Zivilcourage - Pazifistisches Forum", als Heft 2/89 erschienen und kann für DM 4,- plus Porto bei der DFG-VK, Schwanenstr. 16, 5620 Velbert 1, Tel. 02051-4217 bestellt werden.