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Niederländisches Flüchtlingswerk:
Zur Situation in den Niederlanden

Seit dem 1. Januar 1994 ist das neue Ausländergesetz der Niederlande in Kraft getreten. Dies soll Anlass sein, einige Zahlen und vor allem die neuen Bestimmungen darzustellen. Die englischsprachige Berichtsversion des Niederländischen "Vluchtelingen Werk" führt zum Abschnitt Gesetzesentwicklung folgendes aus:
Im Dezember 1993 wurden einige wichtige Änderungen im Ausländerrecht von beiden Parlamentskammern verabschiedet. Die einschneidendsten Folgen für Asylsuchende sind folgende:
a) Die Umsetzung des Schengener Abkommens: Bestrafung von Schlepperorganisationen, die nicht asylberechtigte Flüchtlinge transportieren und die Verpflichtung, Dokumente vom Abreiseort bei bestimmten Transporten zu kopieren. Die Nichtaufnahme von Asylantragstellern in allen Fällen, in denen ein anderer Staat, der als Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention oder wegen der Bestimmungen eines Vertrages oder einer bindenden Entscheidung einer internationalen Organisation (bezieht sich auf das Schengener Exekutiv-Komitee) für den Fall verantwortlich ist. Die einzige Ausnahme wird für Anfragen (Gesuche, Anträge) gemacht, welche auf Gründen basieren, die nicht von den Stellen des Landes berücksichtigt werden konnten, welches zunächst die Verantwortlichkeit zur Behandlung des Falles hatte.
b) Asylsuchende ohne die nötigen gültigen Reisepässe oder Visa haben ohne Verzögerung ihren Antrag auf Asyl an die zuständige Polizeibehörde zu stellen, wo sie den Ort der Grenzüberschreitung anzugeben haben. Für den Fall, daß sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, ist der Antrag nicht annehmbar. Falls sie es tun, riskieren sie, in das Nachbarland (Deutschland, Belgien, beide Unterzeichner von Schengen) zurückgeschickt zu werden.
c) Ein neuer Status wird eingeführt: die bedingte Aufenthaltserlaubnis. Dieser Status wird jenen Ausländern garantiert, deren gewaltsame Ausweisung in ihr Heimatland eine besondere Härte wegen der allgemeinen Situation bedeuten würde. In der Praxis wird dies hauptsächlich auf Kriegsopfer / Flüchtlinge angewandt insbesondere für Bosnier. Der neue Status kann innerhalb von drei Jahren entzogen werden, wenn die Regierung die Situation im Ursprungsland als ausreichend verbessert beurteilt. Während dieser drei Jahre ist eine allmähliche Integration erlaubt. Sprachkurse werden im ersten Jahr angeboten; andere Kurse und zeitweiliges Arbeiten werden im zweiten gestattet und im dritten Jahr haben die Statushalter freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Nach den drei Jahren können sie sich um eine reguläre Aufenthaltserlaubnis bewerben. Sie haben keinen anderen Zugang zum Asylverfahren, außer im Falle, daß ihr Status innerhalb der drei Jahre zurückgezogen wird. Der Niederländische Flüchtlingsrat ist jedoch der Ansicht, daß es Wege und Mittel gibt, die Behörden zu zwingen, einen Antrag auf Asyl zu behandeln.
d) Abschiebehaftmaßnahmen werden für jene ausgeweitet, die nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, jedoch mit der Möglichkeit an ein Gericht zu appellieren. Nach der Entscheidung eines Asylantrages ist eine Abschiebehaft möglich, wenn der Staat eine Gefahr nachweisen kann, daß der Asylbewerber sich vor Kontrollen entziehen will.
e) Ein speziell ausgesuchtes Gericht (das "Ausländer-Gericht") ist verantwortlich für alle Fälle, die Ausländer betreffen, einschließlich der Anordnung von Abschiebehaft. Es gibt keine Möglichkeit für eine höhere Berufung gegen seine Entscheidungen. Dies ist ein bedeutender Unterschied zu den Rechten der Niederländischen Staatsbürger in Sachen behördlicher Entscheidungen von meist geringerer Bedeutung.
Die Bestimmungen zur Familienzusammenführung haben sich für Flüchtlinge, die nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen (de facto Status aus humanitären Gründen und die Halter des oben erwähnten bedingten Status), geändert. Minderjährige unter 17, Ehefrauen und -männer dürfen mit ihrer Familie in den Niederlanden zusammenkommen, wenn der Immigrant beschäftigt ist und ein Mindesteinkommen verdient und wenn er oder sie eine Unterkunft vorweisen können. Ausnahmen aus humanitären Gründen sind möglich.
Die Anzahl der Asylanträge ist in den Niederlanden im Berichtsjahr 1993 mit 35.399 im Vergleich zu 20.346 im Jahr 1992 um 74% angestiegen. Von den 30.771 entschiedenen und behandelten. Anträgen im Jahr 93 sind 52% abgelehnt worden, 15% erhielten eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen und 33% wurden mit Flüchtlingsstatus anerkannt. Im Vergleichsjahr 92 wurden von 32.118 Anträgen 64% abgelehnt, 21% erhielten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen und 15% wurden als Flüchtlinge eingestuft.
Zum Thema Rassismus und Fremdenfeindlichkeit führt für das Flüchtlingswerk noch folgende Zahlen an: In 1993 wurden 612 Vorgänge polizeilich registriert. 33% davon waren rassistische Schmierereien, 32% Drohbriefe, 7,8% Flugschriften und Symbole, 4,1% Anschläge und 2,8% Brandanschläge. Diese Taten wurden meist von Jugendlichen durchgeführt, allerdings scheinen viele von ihnen Beziehungen zu rechtsextremen Parteien oder Organisationen zu haben.
Zusammenfassung und Übersetzung aus dem Niederländischen: Frank Günther