Zwei Veranstaltungen deutscher AtomwaffengegnerInnen

von Felix OekentorpTobias Damjanov
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Vor 40 Jahren machten sie Furore: 18 Wissenschaftler, die es in einer gemeinsamen Erklärung ablehnten, "sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen." Aus diesem Anlaß gab es am 11.04.97 eine Festveranstaltung von IPPNW, der Naturwissenschafler-Initiative, der VDW und anderen in der Münchner Uni-Aula. Dort sprachen Carl Friedrich von Weizsächer, einziger noch lebender Unterzeichner der "Göttinger Erklärung" von 1957, Prof. Rotblat, der Friedensnobelpreisträger von 1995, und der VDW-Vorsitzende und alternative Nobelpreisträger Prof. Hans-Peter Dürr zur Rolle der Wissenschaft im Atomzeitalter, der Historie und den Perspektiven. Ebenfalls in München fand anschließend ein sehr gut besuchter zweitägiger Kongreß "Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen!" statt, der vom Trägerkreis der gleichnamigen Kampagne organisiert worden war, der u.a. das Netzwerk Friedenskooperative angehört.

In den Einleitungsvorträgen machte z.B. Dr. Wolfgang Liebert von der Naturwissenschaftler-Initiative und deutsches Mitglied der Pugwash-Bewegung deutlich, daß es auch nach dem Kalten Krieg eine atomare Bedrohung gibt, während Prof. Ulrich Albrecht einen Paradigmenwechsel bei Teilen des Militärs ausmachte und dafür die kritische Erklärung von mehr als 80 Generalen und Admiralen aus 17 Ländern anführte, mit der jüngst die Reduzierung der Kernwaffenvorräte und längerfristig die vollständige Abschaffung dieser Waffengattung gefordert worden war. Besonders unter die Haut ging das Szenario der IPPNW, was geschähe, wenn heute ein atomarer Terrorangriff auf München stattfände. Allen wurde hier der akute Handlungsbedarf deutlich, nicht nur die Produktion von waffenfähigem Material einzustellen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit eines unkontrollierten Einsatzes solcher Waffen unmöglich zu machen. Die Anwältin Renate Reupke (IALANA Deutschland) hob demgegenüber die Zeichen der Ermutigung hervor, die sich seit dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes wieder mehren: Der Weltgerichtshof habe nicht nur die völkerrechtliche Illegalität von Atomwaffen festgestellt, sondern die atomare Abrüstung auch als Verpflichtung für alle Staaten bezeichnet.

In den fünf Arbeitsgruppen wurden die angesprochenen Kernprobleme politisch und aktionsbezogen vertieft: In AG 1 wurde z.B. herausgearbeitet, wie weit die Bundesrepublik schon über den Status eines Nichtbesitzer-Staates von Atomwaffen herausgetreten ist, denn durch die Mitgliedschaft in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO, durch die für den Ernstfall vorgesehene "Umwandlung" deutscher in NATO-Soldaten, durch die Betonung der nuklearen Teilhabe mit den vorhandenen Trägersystemen und nicht zuletzt durch die technische Fähigkeit zum Atomwaffenbau sind alle Vorraussetzungen gegeben, zum Atomwaffenstaat aufsteigen zu können. Eine sichere Barriere, das wurde in AG 2 deutlich, gibt es gegen deutsche Atombomben nicht, was sich auch in der zivil-militärischen Verflechtung deutscher Atomvorhaben niderschlägt. Wozu, so wurde hier entlarvend gefragt, muß der Forschungsreaktor Garching mit atomwaffenfähigem Uran betrieben werden?

AG 3 widmete sich v.a. dem Zweiklassenrecht des Atomwaffensperrvertrages, das den Atomwaffenstaaten ihr Monopol sichert, während die auf weltweite atomare Abrüstung drängenden Nichtbesitzer-Staaten zumindest teilweise in die wiedersprüchliche Rolle gedrängt werden, durch eigene Atomrüstung das Monopol durchbrechen zu wollen.

Die konkreten Schritte zur Abschaffung der A-Waffen waren das Thema von AG 4. Hier wurden positive Handlungsalternativenaufgezeigt, um eine Brücke aus der Ohnmacht gegenüber der existentiellen Bedrohung zum eigenen Engagement zu schlagen. Von aktuell großer Bedeutung war auch das Thema NATO-Osterweiterung und das russische Drohpotential, die in AG 5 zur Debatte stand.

Der Einfluß auf diese NATO-Politik und die Handlungsperspektiven aus deutscher Sicht bildeten auch den Schwerpunkt des Abschlußplenums, bei dem die Bundestagsabgeordneten Angelika Beer (B90/Die Grünen) und Uta Zapf (SPD) sich in ihrer Ablehnung der Atomwaffenpolitik nur wenig unterschieden. Beer kritisierte das Fehlen verbindlicher NATO-Zusagen, keinerlei Atomwaffen in den potentiell neuen NATO-Mitgliedsländern zu stationieren; Zapf forderte eine Bundestagsinitiative für den Verzicht der NATO auf den atomaren Einsatz. Die außerparlamentarische Handlungsebene sprach Mani Stenner vom Bonner Netzwerk Friedenskooperative an, als er problematisierte, daß das regelmäßige Wahlkreuzchen und ein Vertrauen allein auf die gewählten Abgeordneten bei weitem nicht ausreichen, denn es geht, wie Dorothea Wagner-Kolb für die IPPNW unterstrich, um Vorsorge: Nämlich präventiv gegen nukleare Rüstung und Abschreckungspolitik einzugreifen, sonst "werden wir [als Ärzte] Euch nicht helfen können".

Wie eingegriffen werden kann, stellte Monika Painke für die Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen vor. Sie versteht sich als eine "ehrenamtliche Gerichtsvollzieherin" des Den Haager Gerichtshofes der UNO, die die festgestellte Völkerrechtswidrigkeit der Atomwaffen nun zu vollstrecken hat. Dazu wird es "Inspektionen" beispielsweise des US-Atomwaffenlagers in Büchel gegben. Ein weiterer Handlungsansatz sind die Entzäunungsaktionen an der Stuttgarter Kommandozentrale EUCOM, die über "Akte gewaltfreier Landnahme" den Leitstand der US-Streitkräfte in Europa, ausgestattet mit über 80 Atombomben mit der Sprengkraft von über 600 Hiroshima-Bomben, in eine zivile Einrichtung umwandeln wollen. Von den seit 1990 durchgeführten sechs Aktionen berichtete Dr. Wolfgang Sternstein, Mitglied von EUCOMmunity. Die nächste dieser Entzäunungen ist für den 14. September diesen Jahres geplant.

Daß 40 Jahre nach der Göttinger Erklärung das Vermächtnis ihrer Unterzeichner immer noch lebendig ist, stellten die KonferenzteilnehmerInnen mit ihrer Demonstration zum 150. Geburtstag von Siemens unter Beweis. Der Aufruf zum Boykott von Siemens-Produkten wurde hier speziell mit der Forderung verbunden, Siemens solle aus dem Garching-Projekt aussteigen. Diese Aktion wie auch die Veranstaltungen insgesamt fanden übrigens ein unerwartet breites Presse-Echo, einschließlich eines Kurzbeitrages in der Tagesschau.

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Felix Oekentorp ist einer der Bundessprecher der DFG/VK.
Tobias Damjanov war Mitglied des Veranstalterkreises in Hamburg.