Die humanitären Konsequenzen im Mittelpunkt

Zweite Staatenkonferenz zum UN-Atomwaffenverbot in New York

von Simon Bödecker
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Selten war die Gefahr eines Nuklearwaffeneinsatzes so groß wie heute; in den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten wird indirekt damit gedroht. Bilaterale Rüstungskontrollabkommen und der Nichtverbreitungsvertrag (NVV) stecken in einer tiefen Krise. Daher richteten sich Ende November 2023 die Augen der Weltgemeinschaft nach New York, wo die Staaten des UN-Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) zusammenkamen.

Der AVV sieht vor, dass alle zwei Jahre eine Staatenkonferenz (Meeting of States Parties, MSP) und alle sechs Jahre eine Überprüfungskonferenz abgehalten werden. Dort wird der Stand der Durchführung des Vertrages und seiner Ziele geprüft. Außerdem werden die nächsten Schritte zur Stärkung des AVV und (perspektivisch) zur Beseitigung von Atomwaffenprogrammen auf den Weg gebracht. An der ersten MSP 2022 in Wien nahmen 49 Vertragsstaaten, 34 Beobachterstaaten sowie zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Vereinten Nationen, internationaler und regionaler Organisationen und der Zivilgesellschaft teil.

Ein Ergebnis dieser Konferenz war der Vienna Action Plan: 50 konkrete Schritte, untermauert mit Zeitzielen und Verantwortlichkeiten. Unter anderem gehört dazu die Verankerung des Atomwaffenverbotes in der bestehenden Abrüstungs- und Nichtverbreitungsarchitektur. Eine große Rolle spielt zudem die Unterstützung der Betroffenen von Atomwaffentests und -einsätzen (AVV-Artikel 6 und 7); hierfür soll ein internationaler Fonds eingerichtet werden. Bei allen Schritten werden Betroffene, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf beispielhafte Weise eingebunden. Informelle Arbeitsgruppen wurden von den Vertragsstaaten beauftragt, die Maßnahmen aus dem Vienna Action Plan voranzubringen.

Vom 27. November bis 1. Dezember 2023 findet nun unter dem Vorsitz von Mexiko die zweite AVV-Staatenkonferenz am Sitz der Vereinten Nationen in New York statt. Sie ist ein weiterer Schritt auf dem (langen) Weg zu einer Welt ohne Atomwaffen. Auch die Zivilgesellschaft spielt dabei wieder eine wichtige Rolle. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) koordinierte die Teilnahme zivilgesellschaftlicher Gruppen an der Konferenz, die Veranstaltung von Side Events und die Formulierung von Statements. Aus Deutschland reisten Vertreter*innen von verschiedenen ICAN-Partnerorganisationen nach New York. Parallel zur MSP kamen die ICAN-Partner aus aller Welt im Rahmen einer „Nuclear Ban Week“ zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsame Aktivitäten zu planen.

Als offizielle Ergebnisse der zweiten MSP wurden klare Bekenntnisse zum AVV und die Verurteilung jeglicher Drohung mit Atomwaffen ebenso erwartet wie die Auswertung der bisherigen Arbeit und weitere Schritte zur Umsetzung und Institutionalisierung der Ziele aus dem Vienna Action Plan. Die außergewöhnlich produktive und inklusive Arbeit der AVV-Staaten zeigt bereits politische Strahlkraft: In dem kurzen Zeitraum seit Inkrafttreten des Verbotsvertrages ist es ihnen und der Zivilgesellschaft gelungen, die katastrophalen humanitären Folgen von Atomwaffen in den Mittelpunkt der internationalen Debatte zu stellen! Diese Entwicklung setzte sich im Vorfeld der MSP weiter fort. So hat der Erste Ausschuss der UN-Generalversammlung am 27. Oktober 2023 die Resolution „Addressing the Legacy of Nuclear Weapons“ mit weitreichenden Forderungen für die Entschädigung von Betroffenen und die Sanierung kontaminierter Umwelt beschlossen. Vor einiger Zeit kaum denkbar: Zahlreiche NATO-Staaten – darunter auch Deutschland – stimmten dafür!

Staaten, die dem AVV noch nicht beigetreten sind, sind ausdrücklich dazu eingeladen, an den Konferenzen als Beobachter teilzunehmen, die Arbeit zu verfolgen und sogar zu Debatten beizutragen. Bei der ersten MSP in Wien hatte die deutsche Bundesregierung diese Möglichkeit genutzt und in einem Redebeitrag Unterstützung für die Themen Opferhilfe und Um-weltsanierung in Aussicht gestellt. Das wurde international beachtet – und von NATO-Atomwaffenstaaten hinter vorgehaltener Hand kritisiert. Deutsche ICAN-Partnerorganisationen – darunter Ohne Rüstung Leben – forderten nun mit einem Offenen Brief und der Kampagne „Gehen Sie den nächsten Schritt!“ von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, auch die zweite MSP zu beobachten und weitere NATO-Staaten zu diesem Schritt zu ermutigen. Mit Erfolg: Zwei Wochen vor Beginn der Konferenz kündigte die Bundesregierung ihre Teilnahme an.

Der Redaktionsschluss dieses Artikels lag vor Beginn der AVV-Konferenz. Aktuelle Informationen und eine Einordnung der Ergebnisse sind zu finden unter www.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten/atomwaffenverbot.

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Simon Bödecker koordiniert als hauptamtlicher Mitarbeiter die Öffentlichkeitsarbeit von Ohne Rüstung Leben und ist verantwortlicher Redakteur der Website unter www.ohne-ruestung-leben.de.