Kampagne:

Rote Karte für Patenschaft mit einem Kriegsschiff

von Andreas Wagner
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Wolfratshausen - 24 Jahre lang pflegte die Stadt Wolfratshausen eine Patenaft mit dem Flugkörperschnellboot S 47 Jaguar der Bundesmarine. In diesem Jahr ging diese mit der Außerdienststellung des Bootes zu Ende. Jetzt wünscht sich die Stadt Wolfratshausen eine neue Patenschaft mit einem noch größeren Kriegsschiff, einer Korvette K 130, die dann auch den Namen Wolfratshausen tragen soll.

Doch - womit bei der Stadt wohl niemand gerechnet hat - stößt dieses Vorhaben auf massiven Protest. Und nicht ohne Grund. Handelt es sich bei der Korvette K 130, die ab dem Jahr 2004 in Dienst gestellt werden soll, doch um eine rund 380 Mio. Mark teure Angriffswaffe, bei deren Bewaffnung "größter Wert" auf die "Durchsetzungsfähigkeit vor der feindlichen Küste" gelegt wird.

Nachdem bekannt wurde, dass die Stadt Wolfratshausen eine neue Patenschaft mit einem Kriegsschiff eingehen will, beschloss die Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen, dem nicht tatenlos zuzusehen. In einem offenen Brief an den Wolfratshauser Bürgermeister Reiner Berchtold und den Stadtrat machten wir unsere ablehnende Haltung hinsichtlich einer Patenschaft mit einer Korvette deutlich und brachten als Alternative eine Patenschaft mit einer Friedensfachkraft ins Gespräch. Zwei Infostände unter dem Motto "Millionengrab Wolfratshausen" (bezogen auf die Kosten eines Kriegsschiffs mit dem Namen Wolfratshausen) folgten, bei denen wir in kurzer Zeit 110 Unterschriften gegen eine Patenschaft mit einem Kriegsschiff und für eine Patenschaft mit einer Organisation des Zivilen Friedensdienstes sammeln konnten. Parallel dazu verteilten wir 650 Flugblätter, sowie 540 Postkarten, die dazu genutzt werden konnten, dem Wolfratshauser Bürgermeister die ablehnende Meinung zu einer Kriegsschiffpatenschaft zu schreiben. Schließlich führten wir ein eineinhalbstündiges Gespräch mit dem Wolfratshauser Bürgermeister und übergaben ihm die gesammelten Unterschriften.
 

Die Reaktionen der Wolfratshauser Bevölkerung auf die Aktionen der Friedensinitiative waren überwiegend positiv. Von den Menschen, die an den Infoständen angesprochen wurden, gab es kaum jemanden, der eine Patenschaft mit einem Kriegsschiff befürwortete. Einzelne Passanten hielten unseren Hinweis darauf gar für einen Scherz. Die Notwendigkeit, die zivile Bearbeitung von Konflikten zu fördern, fand dagegen ausnahmslos Zustimmung. Wie in der Öffentlichkeit über eine Patenschaft mit einem Kriegsschiff gedacht wird, wurde schließlich auch in der Lokalpresse deutlich: Von 11 Leserbriefen, die zum Thema erschienen sind, wurde lediglich in einem eine Patenschaft mit einem Kriegsschiff befürwortet.

Wie zu befürchten, hat sich der Wolfratshauser Stadtrat am 14.11.2000 dennoch mit großer Mehrheit für eine neue Patenschaft mit einem Kriegsschiff entschieden. Hierfür wurde ihm noch während der Sitzung von 10 Aktiven und Freunden der Friedensbewegung die rote Karte gezeigt. Doch ob in vier Jahren tatsächlich ein Kriegschiff mit dem Namen "Wolfratshausen" vom Stapel laufen wird, ist noch offen und hängt jetzt von der Entscheidung der Bundesmarine ab. Denn die Konkurrenz ist groß. Und damit ist auch die Chance groß, die Patenschaft doch noch zu verhindern. Vielleicht bevorzugt die Bundesmarine ja eine Patenstadt, in der es "ruhiger" ist und in der es weniger Widerstand gibt? Die Friedensinitiative plant jedenfalls schon jetzt weitere Aktionen. Und diese werden nach dem Motto "Politik macht Spaß" gewaltfrei, aber sehr phantasievoll sein.

Auch wenn die Friedensinitiative die Entscheidung des Wolfratshauser Stadtrats für die Kriegsschiff-Patenschaft nicht verhindern konnte, kann sie mit dem, was bisher erreicht wurde, sehr zufrieden sein. Denn sie hat nicht nur eine breite öffentliche Diskussion über die Kriegsschiff-Patenschaft erzwungen, sondern auch den derzeitigen Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungs- in eine Angriffsarmee zu einem kommunalen Thema gemacht. Und noch eins dürfte deutlich geworden sein: Mit der Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen ist auch in Zukunft zu rechnen.

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Andreas Wagner ist Mitglied der Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen.