Marten Jennerjahn (Jugendinitiative Rostock gegen Rechts)

Redebeträge der Auftaktekundgebungen: Nord (Josfshöhe)

von Marten Jennerjahn

Ich spreche heute als Rostocker zu Euch, als ein Mensch, des­sen Heimatstadt im schlechtesten Sinne in aller Munde ist.

Doch der tägliche Rassismus in Deutschland betrifft nicht nur uns Rostocker oder uns Menschen in den neuen Bundeslän­dern sondern alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepu­blik Deutschland. Da begehen Jugendliche fast täglich Verbre­chen vor und in Asylbewerberheimen, und das Einzige, was die Politiker tun, ist zu überlegen, wie man die Opfer am be­sten dafür bestrafen und am schnellsten los werden kann.

Steinewerfende Jugendliche und beifallklatschende Bürger sind ja schließlich Wähler. Scheinbar gilt es für die hohen Herren der Politik in Bonn und anderswo deren Forderungen zu erfüllen, um auch bei den nächsten Landtags- oder Bun­destagswahlen mit vielen Stimmen rechnen zu können.

In Deutschland lebende Ausländer und  Asylbewerber sind keine Wähler und haben also nach der Logik der Politiker, gleich welcher Partei, auch keine Rechte. Gewalttätige Zu­stände werden provoziert und dazu benutzt, eine verfehlte So­zial-, Wirtschafts- und Wohnungspolitik und eine beispiellose Konzeptlosigkeit beim Aufbau der Fünf neuen Bundesländer in den Hintergrund zu drängen. Menschen werden als politi­sche Spielbälle im Kampf um die Macht missbraucht. Das darf nicht sein!

"Grundrechte verteidigen - Flüchtlinge schützen - Rassismus bekämpfen" ist das Motto unserer heutigen Demonstration. Die Politiker und vor allem die der SPD müssen einsehen, daß eine Änderung des Art. 16 GG ein Rückfall in das letzte Jahr­hundert wäre.

Auch in Rostock gingen am Montag viele Menschen auf die Straße, um für den Erhalt des individuellen Grundrechts auf Asyl zu demonstrieren und davor zu warnen, daß Geschichte sich wiederholen könnte. Über 120 Jugendliche haben sich an der vom Jugendbündnis gegen Rassismus in Europa initiierten Fahrt nach Brüssel beteiligt. Als Landesvorsitzender der SJDD-Die Falken habe ich mit anderen Initiativen und Ver­bänden eine Aktion gestartet, in der wir alle Bundestagsabge­ordneten für Mecklenburg/Vorpommern und alle SPD-Parteitagsdele­gierten dazu aufgefordert habe, einer Grundge­setzänderung nicht zuzustimmen.

Und wir haben auch schon die ersten positiven Antworten, wie zum Beispiel von Dr. Ulrich Janzen von der SPD.

Zur Zeit wird in Rostock von vielen Jugendlichen der Kampf um den Erhalt des letzten Jugendtreffs in Groß-Klein, ein Neubaugebiet mit genauso brisanter Jugendsituation wie Lichtenhagen, geführt, den die Stadtverwaltung schließen will. Ich denke, hier würde Frust, durch den sich Ausländer­feindlichkeit noch verstärken kann, Vorschub geleistet.

Viele Menschen sind aufgewacht und beteiligen sich am Ak­tionen gegen eine Änderung des Art. 16 GG. Denn eines muß klar sein: Wer das Recht auf Asyl antasten will, tritt Men­schenrechte mit Füßen und stärkt brutale Ge­walttäter und rechtsradikale Parteien. Das kann nicht Ziel der SPD sein.

Wir müssen als Menschen, der verlogenen Kampagne der CDU/CSU zum Sturz des Asylrechtartikels, entgegenwirken.

Ich fordere die SPD also auf, ihre sozialdemokratische, sozia­listische Tradi­tion und Identität zu wahren und die Grund­rechte aller Men­schen einzuklagen, statt mit den anderen Parteien darüber zu diskutieren, wie man sie am besten besei­tigt. Es gilt die De­mokratie in diesem Land zu verteidigen. Wir müssen begrei­fen, daß Deutschland ein Einwanderungs­land und keine Insel im Ozean ist! Es darf nicht geschehen, daß in Deutschland ein Herbert Fram nachweisen müsste, daß er wirklich politisch verfolgt wird. Gewalt gegen Asylbewer­ber und ausländische Mitmenschen darf nicht, wie derzeit von vielen Politikern, ak­zeptiert oder gar heimlich begrüßt wer­den. Deshalb fordere ich euch auf, Euch am 28. 11. 92 am bundesweiten Aktionstag gegen Ausländerfeindlichkeit zu beteiligen.

In diesem Sinne: Verteidigt Artikel 16 des Grundgesetzes - für eine humane, demokratische Gesellschaft!

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Marten Jennerjahn (Jugendinitiative Rostock gegen Rechts)