LeserInnenbrief

Die Friedensbewegung darf nicht zur Kriegsbewegung werden

von Redaktion FriedensForum

LeserInnenbrief von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Das „Friedensforum“ befasst sich gelegentlich mit dem Thema Iran – zuletzt im Dezember 2009. Es gibt mindestens vier wesentliche propagandistische Behauptungen: der Iran betreibe ein militärisches Atomprogramm, der Präsident formuliere Vernichtungsdrohungen insbesondere gegen Israel, die Wiederwahl des Präsidenten Ahmadinedschad sei das Ergebnis von Wahlbetrug und hinsichtlich der Unruhen seit den Wahlen würde Einflussnahme von außen keine nennenswerte Rolle spielen. Dieser Propaganda wird im „Friedensforum“ nichts Entscheidendes entgegengesetzt.

Im August 2009 erhält Mohssen Massarrat im „Friedensforum“ eine Plattform zur Verbreitung seiner unbelegten Behauptung, die Wiederwahl des Präsidenten Ahmadinedschad im Juni 2009 sei das Ergebnis von Wahlbetrug. Und auch im Dezember 2009 wird dies suggeriert – mit dem Aufruf „Die iranische Zivilgesellschaft schützen“. Dabei ist diese Behauptung von der Wahlfälschung der eigentliche Betrug. Der aber wird als Wahrheit verkauft.

Doch die Friedensbewegung sollte wissen, dass Umfragen einen Monat vor der Wahl einen deutlichen Wahlsieg Ahmadinedschads prognostiziert haben. Sie sollte wissen, dass es nach der Wahl Umfragen gegeben hat, die das Wahlergebnis bestätigen und aus denen hervorgeht, dass 83% der befragten IranerInnen die Präsidentschaftswahl als frei und fair bezeichnen. Und sie sollte wissen, dass mit den verbreiteten „tatsächlichen“ Zahlen, von denen u.a. Mohssen Massarrat behauptet, dass sie aus „anonymen Kreisen des Innenministeriums“ stammen, etwas nicht stimmen kann, weil es unterschiedliche, anonym verbreitete, angeblich „tatsächliche“ Ergebniszahlen gibt, die nicht gleichzeitig zutreffen können (laut Martin Gehlen in der Frankfurter Rundschau hat Ahmadinedschad 10,5 Millionen Stimmen erhalten, laut der von Mohssen Massarrat verbreiteten Angaben 5,6 Millionen – statt der 24,5 Millionen Stimmen gemäß des amtlichen Wahlergebnisses).

Der US-Präsident stellt in seiner Prager Rede vom April 2009 den Iran wegen des sog. Atomprogramms als „reale Bedrohung“ dar. Statt dies als Propaganda zu enttarnen, kann Otfried Nassauer, wesentlicher Informant zum Thema Atomwaffen, im „Friedensforum“ die Politik der USA bejubeln: Obamas USA habe „die Vision einer atomwaffenfreien Welt“ – die „Vision Null-Lösung“. Dass mit Obama eine Lovemark geschaffen worden sein könnte, mit der die unverändert menschenverachtende Politik der USA nur hinter einem neuen Schleier der schönen Worte versteckt wird, wird nicht in Betracht gezogen. Und im Dezember 2009 wird (im Artikel „Katars Nahostpolitik“) die Behauptung von der drohenden iranischen Atombombe als echt verkauft.

Es müsste eine entscheidende Aufgabe der Friedensbewegung sein, der Entstehung von Kriegen entgegen zu wirken, indem sie die psychologische Vorbereitung der Massen durch die Kriegsplaner und ihre Medien analysiert. Wenn es dagegen gelungen sein sollte, dieses Denken aus der Friedensbewegung herauszuhalten, können sich die Krieg planenden Mächte nur beglückwünschen. Sie hätten sich eine Friedensbewegung geschaffen, die in Wahrheit eine Kriegsbewegung ist, die die psychologischen Kriegsvorbereitungen stützt, anstatt sie zu behindern. Doch das „Friedensforum“ darf nicht zum „Kriegsforum“ werden. Und die Friedensbewegung darf nicht zur Kriegsbewegung werden.

Mehr dazu bei „arbeiterfotografie.com/iran“, u.a. mit dem ausführlichen Artikel und dem Iran-Tagebuch.

Antwort der Redaktion des Friedensforums:
Das Friedensforum hat den Leserbrief der Arbeiterfotografie den drei von ihnen namentlich angesprochenen Personen zur Kenntnis gegeben. Alle drei weisen die Behauptungen im Leserbrief als falsche Unterstellungen zurück. Die Redaktion des Friedensforums möchte darüber hinaus betonen, dass sie nicht die Ansicht teilt, dass die Friedensbewegung das Geschäft der NATO betreibe, wenn sie sich kritisch zur iranischen Regierung äußert. Die Warnung vor dem Aufbau von Feindbildern durch die beiden AutorInnen ist berechtigt –aber Menschenrechtsverletzungen, Antisemitismus oder die mögliche Proliferation von Atomwaffen müssen auch dann als solche benannt werden dürfen, wenn sie von bestimmten Regierungen als Vorwand für mögliche militärische Aggression benutzt werden, und die Legitimität der Opposition gegen die Regierung Irans ist unserer Ansicht nach nicht davon abhängig, ob es nun eklatanten Wahlbetrug gegeben hat oder nicht.

Die Redaktion des Friedensforums

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Rubrik

Krisen und Kriege