Friedlicher Aufbruch in der Evangelischen Kirche?

von Jan Gildemeister

Seit 1. Oktober 2008 gibt es erstmals einen Beauftragten für Friedensarbeit des Rates des Ev. Kirche in Deutschland, am 19./20. Januar 2009 konstituierte sich die Konferenz für Friedensarbeit, im selben Monat bildete sich eine neue Arbeitsstelle. Weht ein neuer Wind durch den Raum der Evangelischen Kirche?

Es wird sich noch zeigen, ob der Aufbau dieser neuen Strukturen der Anfang einer Erfolgsgeschichte ist. Am Anfang ging es wie so oft um Einsparungen. Alle Arbeitsbereiche der EKD mussten ihren „Nutzen für den Protestantismus“ nachweisen, die Mittel für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK) wurden in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2009 „vorsorglich“ gleich halbiert. Mit 5,5% Kürzung ging es da der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) besser. Die EKD lud 2005 EAK und AGDF an einen Runden Tisch, damit die für die Friedensarbeit zur Verfügung gestellten Mittel „effizienter“ eingesetzt werden. Am Runden Tisch war man sich schnell einig: Die Friedensarbeit im Raum der EKD gehört gestärkt, nicht gekürzt!

Ziel war und ist es, zum einen das Interesse an Friedensthemen und -arbeit an der Kirchenbasis, in kirchlichen Organisationen und Werken zu stärken. Dem Trend zu Mittelkürzungen auf allen kirchlichen Ebenen soll entgegen gesteuert werden. Der Frieden soll in der Kirche ansatzweise die Relevanz erhalten, der ihr nach der biblischen Botschaft zusteht. Zweitens soll durch eine verstärkte Zusammenarbeit die Arbeit effektiver und wirkungsvoller werden. Zum dritten soll sich die Kirche in Politik und Gesellschaft erkennbarer und intensiver für den Frieden in der Welt einsetzen.

Die Überlegungen des Runden Tisches stießen im Rat der EKD, aber auch bei den Mitgliedskirchen und kirchlichen Werken auf Zustimmung. Die „Friedensdenkschrift“ von 2007, das Leitbild des gerechten Friedens und den „Vorrang für Gewaltfreiheit“ mit Leben zu füllen bedarf es Akteuren, die dieses betreiben. Wenn es Beauftragte für Kultur, Umwelt, den Sudan und sogar die herausgehobene Position des für die evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr zuständigen Militärbischofs gibt, dann liegt es auf der Hand, einen Beauftragten für Friedensarbeit zu berufen.

Für eine Zwischenbilanz ist es noch zu früh, aber erste Tendenzen sind erkennbar. Wer von der EKD zukünftig deutliche Positionen gegen Bundeswehreinsätze oder friedenskirchliches Handeln erwartet, wird enttäuscht werden. Weder der Beauftragte für Friedensarbeit, noch die Konferenz, in der neben Friedens- und Entwicklungsdiensten, Landeskirchen, dem Ökumenischen Netz in Deutschland etc. auch die Seelsorge in der Bundeswehr mitarbeitet, kann sich über die auf Ausgleich bedachte Linie der „Volkskirche“ hinweg setzen. Zugleich wird der Beauftragte für Friedensarbeit von der Presse nach seiner Meinung zu Militäreinsätzen der Bundeswehr gefragt und Renke Brahms, der „leitende Geistliche“ der Bremischen evangelischen Kirche, erkundigt sich bei Fachleuten, ehe er sich durchaus kritisch positioniert. Die Konferenz für Friedensarbeit stärkt die Fachebene in der Kirche und wirft in einigen Landeskirchen und Organisationen die Frage auf, welchen Beitrag in der Friedensarbeit sie leisten. Es liegt nun am frisch gewählten Arbeitsausschuss, aus dem ersten Schwerpunkt Zivile Konfliktbearbeitung und den vielen guten Ideen der Konferenz etwas zu machen. Die Aufmerksamkeit der Kirchenleitungen und grundsätzliches Wohlwollen vieler Akteure haben sie jedenfalls sicher.

Der Start der neuen Arbeitsstelle von EAK und AGDF Anfang 2009 zeigt aber auch die Mühen, die neue Strukturen mit sich bringen: Ehe die Umzüge der EAK und AGDF Geschäftsstelle verdaut, neue Strukturen und Arbeitsabläufe entwickelt sind und die Vorteile spürbar werden, dauert es seine Zeit.

Und was können Friedensinitiativen außerhalb der (evangelischen) Kirche erwarten? Für die AGDF ist wichtig, weiterhin auch durch ihre eigenen Mitglieder Grenzgänger zwischen biblisch und menschenrechtlich begründeter Friedensarbeit zu sein. Die Impulse aus der Kooperation für den Frieden oder der Plattform für Zivile Konfliktbearbeitung sollen in die kirchlichen Strukturen „eingespeist“ werden. Zudem besteht die Hoffnung, dass die evangelische Stimme für einen „Vorrang für Zivil“ lauter wird und neue, spürbare Initiativen beispielsweise gegen Werbung der Bundeswehr an Schulen und für Friedenpädagogik Wirkung über die Kirche hinaus entfalten und neue Bündnisse möglich werden.

Auch wenn nicht nach 100 Tagen messbare Erfolge erwartet werden können, in einem Jahr dürfte absehbar sein: Kann bzw. wird es einen „friedlichen Aufbruch“ im Raum der evangelischen Kirche geben?

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Hintergrund
Jan Gildemeister ist Geschäftsführer der AGDF.