Irak

Unabhängigkeitsreferendum in Irakisch-Kurdistan

von Memo Sahin
Krisen und Kriege
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Am 25. September soll ein Referendum zur Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak (Eigenbezeichnung: Süd-Kurdistan) stattfinden. Dem Volksentscheid sollen dann die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im November folgen.

Ein Großteil der kurdischen Gebiete im Irak ist seit 1991 unter kurdischer Kontrolle. Die ersten Wahlen zum kurdischen Nationalparlament fanden am 19. Mai 1992 statt. Kurze Zeit später, im Oktober, begann die erste Regierung zu arbeiten.

Nach dem Sturz der Diktatur von Saddam Hussein im Jahre 2003 haben KurdInnen zum neuen Irak erheblich beigetragen. Sie beharrten auf einer föderative Staatsform, einem dezentralen Staat und einer Verfassung, in der die ethnischen und religiösen Minderheitenrechte verbrieft und garantiert sind.

Obwohl in der irakischen Verfassung klare Regeln festgelegt und eine Roadmap zur Lösung der bestehenden Konflikte einvernehmlich verabschiedet worden sind, warten KurdInnen seit 2005 auf die Verwirklichung des Artikels 140 der Verfassung, wonach die Zukunft der unter der Hoheit der Zentralregierung  stehenden kurdischen Gebiete, wie Kirkuk, Khaneqin, Shengal/Sindschar, durch Volksentscheide geregelt werden soll. Außerdem stehen den KurdInnen 17% des Haushaltes der Zentralregierung für die Verwaltungs- und Wiederaufbauarbeiten zu.

Weder wurden der Artikel 140 der Verfassung in die Tat umgesetzt noch der 17-prozentige Anteil des Haushaltes regelmäßig an KurdInnen abgeführt. Dies sind die Hauptbeweggründe der kurdischen Führung für die Abhaltung eines Referendums zur Unabhängigkeit Süd-Kurdistans.

Wenn der Volkswille zur Unabhängigkeit attestiert ist, möchten die KurdInnen mit der Zentralregierung in Bagdad in neue Verhandlungen eintreten. Entweder werden die in der Verfassung verankerten Regeln praktiziert und in die Tat umgesetzt oder KurdInnen haben das Recht, sich vom Irak loszulösen.

Wie erwartet, machen die vier Nachbarstaaten, die Kurdistan unter sich aufgeteilt haben, an erster Stelle Iran und die Türkei, gegen das Referendum mobil und sagen, dass sie mit allen Mitteln gegen die Unabhängigkeit Kurdistans vorgehen werden. Auch die Medien in diesen Staaten vertreten einvernehmlich die Ansicht der Herrschenden und erklären unaufhörlich, dass die Unabhängigkeit nichts Gutes sei.

Darauf antwortete Mesud Barzani, Präsident Süd-Kurdistans, mit folgenden Worten: „Wenn Unabhängigkeit etwas Schlimmeres ist, warum lösen sich einige der 200 Staaten nicht auf? Warum ist es schlimm, wenn Kurden ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen?

Das Selbstbestimmungsrecht ist in der Charta der Vereinten Nationen und in vielen internationalen Verträgen verankert. Die „heiligen“ und unteilbaren Grenzen während der Zeit des Kalten Krieges sind längst Geschichte. Der Zähler der UN-Mitgliedsstaaten tickt seit Vierteljahrhundert ununterbrochen weiter. Aus der Sowjetunion sind 15 unabhängige Staaten entstanden, aus Jugoslawien sieben und aus der Tschechoslowakei zwei. Hinzugekommen weitere neue Staaten, wie Süd-Sudan oder Osttimor.

Die KurdInnen haben sich während der letzten 25 Jahren in vieler Hinsicht bewiesen. Die kurdischen Parteien sind ein verlässlicher Partner der Staatengemeinschaft. Sie kämpfen an vielen Fronten gegen die islamistischen Djihadisten, und Kurdistan ist heute ein Hort der ethnischen und religiösen Minderheiten und verfolgten Menschen aus dem Irak und Syrien. Die KurdInnen haben Hunderttausende Opfer des IS-Terrors, wie ChristInnen aus dem Mosul-Gebiet oder TurkmenInnen aus Talafer, aufgenommen.

Die kritischen Stimmen gegen die Unabhängigkeit Kurdistans sollen sich ein bisschen gedulden. Wenn die KurdInnen sehen, dass die Unabhängigkeit etwas Schlimmeres ist, werden sie neue Wege suchen und in gleichberechtige Partnerschaften übergehen.

Es ist eine Wegsuche in der Dunkelheit und unter dem Joch der Fremdherrschaft der Jahrhunderte. Mehr nichts!

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