5 Jahre attac

von Werner Rätz

Nicht immer werden Erfolgsgeschichten vom ersten Beginn an sichtbar. Als vor fast genau sechs Jahren, im Frühjahr 1999, viele Gruppen aus den unterschiedlichsten Bewegungszusammenhängen, darunter auch große Teile der Friedensbewegung, Gegenaktivitäten zu den EU- und G8-Gipfeln in Köln planten, ahnten wir noch nichts davon, dass das, was da agierte, sehr bald "globalisierungskritische Bewegung" heißen sollte.

Die Mobilisierungserfolge für "Köln 99" waren mäßig, nicht zuletzt deshalb, weil viele zersplitterte Aktionen stattfanden. Im September zogen die Aktivitäten zur IWF/Weltbanktagung in Prag zwar ebenfalls nur eine überschaubare Zahl von Menschen an, aber als erste deutlich internationalistische Mobilisierung in Europa zeigten sie schon ein Vorspiel dessen, was sich dann im November bei der Ministerratstagung der Welthandelsorganisation WTO in Seattle ereignete. Der Internationalismus, die weltweite Perspektive ist für die globalisierungskritische Bewegung nicht nur Anspruch und Aufgabe, das auch, sondern ebenfalls von Anfang an die Bedingung ihres Entstehens.

Das gilt auch für den Teil der Bewegung, der sich, ausgehend von Frankreich, inzwischen in Dutzenden von Ländern unter dem Namen "attac" organisiert hat. Vielfältig in den Organisationsformen und durchaus uneinheitlich in politischer Zusammensetzung und Bedeutung in den jeweiligen Ländern verbindet die verschiedenen Attacs doch der Anspruch, dass sich überall auf der Welt die Lebensverhältnisse der meisten Menschen ändern müssten. Dazu ist man längst weit über die Ursprungsforderung nach einer Umsatzsteuer auf Devisentransaktionen hinaus, die ja im doppelten T des Namens noch anklingt.

Vor allem in Frankreich und in der Bundesrepublik haben von Anfang an Forderungen gegen die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme eine wichtige Rolle gespielt. Die erste Kampagne von attac Deutschland richtete sich gegen die Privatisierung im Rahmen der Riesterrente. Das war naheliegend, da dieser Schritt doch zur Erhöhung des Anlage suchenden Kapitalvolumens allein auf dem deutschen Markt von etwa 35 Mrd. Euro führen sollte. Zwar hat attac bisher keine seiner zentralen Forderungen (neben der Tobinsteuer und der Ablehnung von Privatisierungen u.a. noch die Schließung der Steueroasen und die Ablehnung des geplanten Dienstleistungsabkommens GATS) durchsetzen können, aber längst sind sie alle im offiziellen politischen Diskurs angekommen. Das anfängliche Lächeln angesichts der Naivität der politischen Neulinge ist längst erstarrt. Es gibt zwar noch keine "andere Welt", wie sie der Slogan verlangt, aber ihre Möglichkeit wird denkbar.

Dabei ist das Durchsetzungsproblem ein reales. In der BRD wurde das deutlich nach dem Beginn des Irakkrieges. Attac hatte sich selbstverständlich als Teil der Friedensbewegung definiert, und viele hatten gehofft, nach der extrem erfolgreichen Mobilisierung speziell zum internationalen Aktionstag tatsächlich den Kriegsausbruch verhindern zu können. Die entsprechende Enttäuschung wiederholte sich bei nicht wenigen im vergangenen Jahr, als die Montagsdemonstrationen zwar die Regierung kurz wackeln ließen, letztlich aber das Projekt HartzIV/Arbeitslosengeld II nicht kippen konnten. Es ist für viele nur schwer auszuhalten, dass attac zwar auf die eine oder andere Grundsatzdebatte Einfluss gewinnt, aber im politischen Tagesgeschäft dann doch die neoliberale Einheitspartei durchzieht als sei nichts gewesen.

Auch in anderen Bereichen wird deutlich, dass attac aus der ersten Phase, in der allein seine Existenz und sein Wachstum Verwunderung und Hoffnung auslösten, heraus ist. Wir bearbeiten eine große Zahl von Themen, oft mit sehr viel Kompetenz, aber manche meinen, das Profil müsste geschärft werden. Wir haben über 200 lokale Gruppen, aber nicht alle verfügen noch über den Schwung der Anfangszeit. Wir haben etwa ein dutzend bundesweite thematische AGs, aber nicht alle sind in der tagtäglichen attac-Arbeit so präsent, wie es wünschenswert wäre. Wir haben über 100 bundesweite Mitgliedsorganisationen, aber es könnte sein, dass nicht einmal mehr in allen ein Bewusstsein von dieser Mitgliedschaft besteht.

Dennoch wächst attac Deutschland nach wie vor. Wir beeinflussen Debatten und kommen damit immer öfter auch in der tagespolitischen Diskussion an, wie bei den Themen internationale Steuern /Schuldenerlass oder aktuell Mindestlohn. Wir setzen immer noch innovative Marken und vertreten den Traum von einer anderen Welt, wie etwa mit der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Wir bemühen uns um internationale Handlungsfähigkeit, wie zuletzt mit der europaweiten Demonstration gegen Sozialabbau am 19. März in Brüssel; das ist nicht immer ganz einfach, weil die Bewegungskonjunkturen in den einzelnen Ländern höchst unterschiedlich sind. Dennoch ist das die aktuell wichtigste Aufgabe, und am Kampf gegen die Dienstleistungsliberalisierung ("Bolkestein-Richtlinie") werden Erfolge sichtbar.

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Initiativen
Werner Rätz ist aktiv bei der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn und für diese im Koordinierungskreis von Attac Deutschland, ebenfalls im Blockupy-Kokreis. Webseite: www.werner-raetz.de