Wild-West-Methoden, Ignoranz und Menschenverachtung

Ausländerpolitik in Bremen

von Wieland von Hodenberg
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Es scheint eine unendliche Geschichte zu werden, das Drama von Behördenwillkür gegen zwei Bremer Schüler aus Togo. Doch sie könnte für den 18jährigen Abass Ali Yaya auch jäh im Terrorstaat des afrikanischen Diktators Eyadema enden. Dreizehn weitere Togoerlnnen erhielten - wie Abass - vor einiger Zeit ebenfalls die Ausweisungsverfügung der Bremer Ausländerbehörde. Wenn sie der Aufforderung zur "freiwilligen Ausreise" nicht nachkommen, sollen sie gnadenlos mit Polizeigewalt abgeschoben werden.

Politisch verantwortlich ist Bremens Innensenator Ralf H. Borttscheller (CDU). Ihm scheinen Begriffe wie "Menschlichkeit" oder "Christliche Nächstenliebe" offenbar völlig fremd zu sein. Obwohl selbst Auswärtiges Amt und Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bonn mehrfach vor Reisen und Ausweisungen nach Togo warnten, läßt sich weder das für Asylverfahren zuständige Verwaltungsgericht, noch die Ausländerbehörde, und schon gar nicht der Innensenator von den Zuständen in dem afrikanischen Land beeindrucken. Folter, Morde durch Polizeikommandos und Hinrichtungen seien in Togo an der Tagesordnung, berichtet Pastor Erich Viering von der Norddeutschen Mission. Seit Eyadema die Wahlen am 21. Juni abbrechen ließ, drohten erst recht brutalste Repressalien, vor allem gegen Mitglieder der oppositionellen UFC, es wird sogar von offenem Bürgerkrieg gesprochen. Kürzlich hat auch das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) dringend von Ausweisungen nach Togo abgeraten. Niedersachsen verfügte immerhin in bestimmten Fällen einen vorläufigen Abschiebestopp, und das Verwaltungsgericht Regensburg gab dem Asylantrag eines Togoers statt.

Bremen gilt als Hochburg des Widerstandes gegen die Diktatur, und das wissen natürlich auch die togoischen Machthaber. Daher leben die von Abschiebung bedrohten Flüchtlinge hier in ständiger Angst. Etwa achtzig Oppositionelle befinden sich im Bremer "Exil". Darunter sind die beiden 16 und 18 Jahre alten Brüder Ibrahim und Abass A, die auf abenteuerlichem Wege nach Bremen kamen, nachdem der Vater und der älteste Bruder verhaftet worden waren. Seitdem sind beide spurlos verschwunden. Die Mutter verstarb, und es ist anzunehmen, daß die beiden Männer ermordet wurden.

Im Falle ihrer Abschiebung befürchten Abass und Ibrahim nicht zu Unrecht in ihrem Herkunftsland das Schlimmste. Beide Jugendliche besuchen hier die Schule und wollen eine Ausbildung absolvieren. Ihre Asylanträge wurden immer wieder abgelehnt, mehrfach wurde ihre Abschiebung verfügt, doch der jüngere Bruder lbo - wie ihn seine Mitschülerlnnen nennen - erhielt nach massiven Protesten erstmal eine Duldung. Verfügt wurde sie, wie es offiziell heißt, aus "humanitären Gründen bis zu seiner Volljährigkeit". Sein älterer Bruder wird jetzt von der Polizei gejagt und ist zur Zeit nicht auffindbar.

Seit mehr als einem Jahr kämpft eine SchülerInnen-Initiative des Schulzentrums Kornstraße für das Bleiberecht der Togoer. Als Projekt "Ibrahim soll bleiben - Abass auch" organisierten sie zahlreiche Demonstrationen, richteten Appelle an den Innensenator und an Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Der Stadtteilbeirat Bremen-Neustadt - zuständig auch für die Belange dieser Schule - wollte sich mit der Sache befassen. Er bekam von Borttscheller Redeverbot! Aus anderen Schulen kam spontane Solidarität. Menschenrechts- und Friedensgruppen, sowie kirchliche Organisationen schalteten sich mit Mahnwachen und Unterschriftenaktionen vor Rathaus, Bürgerschaft und dem Amtssitz des lnnensenators ein. Bündnis 90/Grüne, PDS und DKP wandten sich ebenfalls mit Erklärungen gegen die geplanten Abschiebungen. Appelle und Resolutionen wurden an die Bürgerschaft, den Petitionsausschuß und den Senat gerichtet, und gab zahlreiche Leserinnenbriefe in der hiesigen Tagespresse. Die Bürgerschaftsfraktion der Grünen erzwang eine Abstimmung im Stadtparlament, und der Bundesvorstand richtete eine Eingabe an den Petitionsausschuß des Bundestages. In der Bürgerschaft wurde der Antrag der Grünen auch mit den Stimmen der SPD(!) abgeschmettert.

Als alles nichts zu nützen schien, traten zwei Friedensaktivistlnnen in einen mehrtägigen Hungerstreik. Einzelpersönlichkeiten richteten Appelle sogar an Bundespräsident Herzog mit der Bitte, er möge auf den hartgesottenen Innensenator Einfluß nehmen, vergeblich! Sowohl der Bundespräsident, als auch die Theodor-Heuss-Stiftung und der Bremer Senat verliehen Preise an die Projektgruppe für ihr couragiertes Handeln. Dies war ebenso umsonst wie die erneuten Bitten an Henning Scherf, dem Senator noch einmal eindringlich ins "christliche Gewissen" zu reden. Nachdrücklich intervenierte auch die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill bei Borttscheller, und selbst Sozialdemokraten sammeln jetzt in ihrer Partei Unterschriften. Mittlerweile gaben die SchülerInnen den Preis aus Enttäuschung an den Bürgermeister zurück. Der schweigt aus, "Koalitionsraison" zu alldem bis heute, denn die Hansestadt wird von einem CDU/SPD-Senat regiert, da will man ja in Wahlkampfzeiten nicht "anecken".

Derweil schlug Innensenator Borttscheller zu. Der Anwalt von Abass, Günter Werner, hatte beim Bundesamt Zirndorf aufgrund der verschärften Situation in Togo einen neuen Asyl-Folgeantrag gestellt. Kaum war dieser erwartungsgemäß gescheitert, brach ein Polizeikommando in die Wohnung der Verlobten von Abass ein um ihn in Abschiebehaft zu nehmen. Die Ehe mit einer Deutschen hätte dem Togoer ein mehrjähriges Bleiben in Bremen ermöglicht, doch ihm fehlte die Geburtsurkunde. Die könne er sich ja in Togo besorgen, lautete der unglaublich zynische Kommentar der Innenbehörde. Inzwischen hat sich ein anderer Bremer Rechtsanwalt zu einer unkonventionellen Hilfsaktion bereiterklärt. Er will in Patenschaft drei Monate lang den Lebensunterhalt für Abass A. zahlen, damit das Sozialamt nicht aufkommen muß. Das Verhalten des Senats allerdings war und ist voller Schande und Skandale, eben Ausländerpolitik auf bremisch!

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Basisaktivist aus Bremen