Blockade des AWACS-Standortes Geilenkirchen: Soldaten sollen verweigern!

von Martin Singe

Am Samstag, 25.1.03, war der Standort der AWACS-Nato-Airbase in Geilenkirchen für über 2 Stunden blockiert. Über 400 DemonstrantInnen hatten sich zu einer Demonstration, Kundgebung und Blockade vor dem Haupteingangstor der Basis versammelt.

Die Aktion, die von Pax Christi Bonn im Rahmen der resist-Kampagne initiiert worden war, stieß vor allem in der Region auf ein breites Echo. Statt der erwarteten 50 TeilnehmerInnen waren es über 400 Personen, die sich vor der NATO-Basis versammelt hatten. Nach einer Auftaktkundgebung ließen sich die meisten Teilnehmenden zu einer Sitzblockade vor den - inzwischen geschlossenen - Toren der Basis nieder. Bis kurz vor der Aktion herrschte reger Verkehr; auch kurz nach der Aktion ging der Nato-Verkehr wieder direkt weiter. Ein Zeichen dafür, dass sich eine weitere - vielleicht unangekündigte - Blockade lohnen dürfte, um weiteren Sand in das Getriebe der Militärmaschinerie zu werfen.

In den Kundgebungsbeiträgen wurde vor allem deutlich gemacht, dass die Bundesregierung mit ihrer Zusage der Beteiligung deutscher Soldaten in den AWACS-Systemen bei einem Irak-Krieg eine eindeutig aktive Kriegsbeteiligung betreibt. Kanzler Schröder behauptet zwar, die Deutschen dürften nur mitfliegen, solange die AWACS den türkischen Luftraum überwachten. Das ist jedoch Augenwischerei. Die AWACS haben neben Überwachungsfunktionen im Kriegsfall auch die Funktion zur Weitergabe von Zieldaten für die beteiligten Angriffsflieger. Eine Trennung ist absolut nicht möglich, zumal die Besatzungen international zusammengesetzt sind. Auch im Krieg gegen Jugoslawien dienten die AWACS der Weiterleitung von Zielleitdaten.

Deshalb forderten die Demonstrierenden von der Regierung, die deutschen Soldaten aus den AWACS-Systemen für den Fall eines Krieges sofort abzuziehen. Da dies nicht geschehen wird, wollten die Versammelten den deutschen Bundeswehrsoldaten einen Aufruf zur Verweigerung jeglicher Beteiligung von AWACS-Einsätzen im Rahmen des Irak-Krieges übergeben. Der - vorab über die Aktion und den Aufruf schriftlich informierte - zuständige Oberst Mack verweigerte jedoch die Annahme der Flugblätter an die Soldaten, so dass diese nur an die Tore der Basis geheftet werden konnten. Natürlich werden sie im Nachhinein auf dem Postweg an die Zuständigen verbreitet. Den Aufruf an die Soldaten dokumentieren wir leicht gekürzt nachstehend. Er kann so oder in abgeänderter Form gerne an anderen Kasernen, an denen deutsche Soldaten Funktionen für den Krieg übernehmen sollen, verteilt werden.

Die Aktion fand ein breites bundesweites Medienecho. Radiosender und auch die Tagesschau berichteten. In den regionalen Zeitungen gab es ganzseitige Aktionsberichte; die überregionale Presse berichtete zum Teil über die Agenturmeldungen oder auch mittels eigens verfasster Artikel wie z.B. die Berliner Zeitung oder die FAZ unter dem Titel "Keine Angst vor alten Filmen" (Bush hatte ja Angst vor alten Filmen in Sachen Waffenkontrollen angekündigt). In diesem FAZ Feuilleton-Artikel, der auf das Transparent "Hier sitzt Alt-Europa" Bezug nahm, war einiges an Spott und Hohn über die alternde Friedensbewegung enthalten. Der Schlusssatz allerdings war dann doch nicht verkehrt: "Doch wer wollte ausschließen, dass man von Alteuropas Opas heute wieder siegen lernen kann."

Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und Mitarbeiter beim Komitee für Grundrechte und Demokratie.

Dokumentation:
Aufruf an alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr - insbesondere an die Besatzungen der AWACS-Flugzeuge:
Widersetzen Sie sich dem drohenden Krieg gegen den Irak! Verweigern Sie jede Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak!

"Muss der Bürger auch nur einen Augenblick, auch nur ein wenig, sein Gewissen dem Gesetzgeber überlassen? Wozu hat denn dann jeder Mensch ein Gewissen?" (Henry David Thoreau, 1849 - Amerikaner, der wegen des Krieges gegen Mexiko seine Kriegssteuern verweigerte und dafür ins Gefängnis musste) (...)

An alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr!
Vier Jahre nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien droht erneut ein Krieg mit Beteiligung der Bundeswehr. Die USA und Großbritannien haben angekündigt, mit militärischer Gewalt im Irak einen Sturz der politischen Führung herbeiführen zu wollen. Der Truppenaufmarsch am Persischen Golf ist in vollem Gange. Es ist damit zu rechnen, dass im Februar 2003 die USA und Großbritannien den Irak angreifen werden. Trotz gegenteiliger Beteuerungen der deutschen Bundesregierung wird die Bundeswehr auch dieses Mal wieder aktiv an einem Angriffskrieg beteiligt sein! (...)

Gewährung von Überflugrechten; Erlaubnis zur Nutzung der US-Basen und Kommandozentralen in der Bundesrepublik; Schutz von Truppen- und Materialbewegungen bzw. von militärischen Einrichtungen der USA auf deutschem Territorium durch Bundeswehrsoldaten.

Die Bundesregierung weigert sich, die bereits in der Golfregion stationierten deutschen Soldaten zurückzuziehen (Marineeinheiten am Horn von Afrika und die Besatzungen der Fuchs-Spürpanzer in Kuwait). Bei Beginn eines Krieges gegen den Irak werden diese Truppen sofort in das Kriegsgeschehen involviert sein.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung die Besatzungen der AWACS-Flugzeuge angewiesen, nach Kriegsbeginn den Luftraum der Türkei zu "verteidigen": eine Beschönigung des tatschlichen Sachverhaltes! AWACS-Flugzeuge werden - wie im Jugoslawien-Krieg - als Feuerleitzentralen zur feindlichen - diesmal irakischen - Zielerfassung dienen.

Die Bundesregierung handelt ungesetzlich und bricht - zum wiederholten Male! - die Verfassung!

Die Bundesregierung beteiligt sich aktiv an der Vorbereitung eines Angriffskrieges, was vom Grundgesetz (Art. 26) als verfassungswidrig eingestuft wird. Gemäß § 80 Strafgesetzbuch kann derjenige, der sich an der Vorbereitung eines solchen Verbrechens beteiligt, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden.

Im Soldatengesetz ist geregelt, dass Soldaten diejenigen Befehle nicht befolgen dürfen, die Straftaten zur Folge haben (§ 11 Soldatengesetz). Solche Befehle sind Unrecht und daher für die Soldaten nicht verbindlich! Das Wehrstrafgesetz stellt ausdrücklich fest, dass Untergebene nicht rechtswidrig handeln, wenn sie unverbindliche Befehle nicht befolgen. Der Befehl an Bundeswehrsoldaten, sich mit den AWACS-Systemen auf einen Irak-Krieg vorzubereiten und sich gegebenenfalls an diesem zu beteiligen, ist eindeutig ein solcher rechtswidriger und daher unverbindlicher Befehl, da die Ausführung dieses Befehls zur Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges beiträgt. Auch sind alle Befehle, die deutsche Soldaten veranlassen, in Deutschland stationierte Truppen der USA und Großbritanniens indirekt - z.B. logistisch - bei ihrem Aufmarsch gegen den Irak zu unterstützen, rechtswidrig und unverbindlich: Sie dürfen nicht befolgt werden!

Wir rufen daher alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr auf, sich allen Befehlen zu widersetzen, deren Umsetzung der Vorbereitung oder Führung eines Krieges gegen den Irak dienen! Erklären Sie bereits jetzt Ihren Disziplinar-Vorgesetzten, dass Sie gegenüber allen Befehlen, die im Kontext eines möglichen Krieges gegen den Irak erteilt werden, den Gehorsam verweigern werden!

Wenn Sie den AWACS-Einheiten angehören, rufen wir Sie auf: Verweigern Sie Ihre Beteiligung an allen Kriegsvorbereitungen! Weisen Sie Ihre Vorgesetzten auch darauf hin, dass Sie entsprechende Befehle nicht an Untergebene weiterleiten, sondern diese ebenfalls auf ihre Pflicht zur Gehorsamsverweigerung aufmerksam machen werden.

Wenn Ihre Dienstvorgesetzten Ihre Gehorsamsverweigerung nicht anerkennen sollten, gehen Sie dienstrechtlich/gerichtlich vor! Wenn auch dies erfolglos bleibt, berufen Sie sich auf Ihr Verfassungsrecht zur umfassenden Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 Grundgesetz. Wird die aufschiebende Wirkung eines solchen Verfahrens nicht gewährt und auch Ihre Gehorsamsverweigerung nicht anerkannt, bleibt notfalls die Desertion als Ausweg. Entscheiden Sie im Zweifelsfall strikt nach Ihrem Gewissen! Kriminalisierungsversuche der Strafverfolgungsbehörden sollten Sie nicht davon abhalten, das von Ihnen als richtig Erkannte zu tun. Auch wenn Parteien, Bundesregierung und Bundeswehrführung immer stärker von den Grundsätzen des Völkerrechts und den Prinzipien unseres Grundgesetzes abkehren: Lassen Sie sich nicht zum Vollstrecker eines fortgesetzten Verfassungsbruches und andauernder Völkerrechtsverletzungen machen!

Über 180 UnterzeichnerInnen

V.i.S.d.P.: Armin Lauven, In der Maar 40, 53175 Bonn; Martin Singe, Stiftsgasse 17a, 53111 Bonn

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".