Britischer Soldat verweigert erneuten Einsatz in Afghanistan

von Rudi Friedrich

Joe Glenton, Obergefreiter einer Versorgungseinheit, weigert sich, erneut nach Afghanistan zu gehen. Er sandte ein Protestschreiben an Premierminister Gordon Brown, in dem er den Krieg in Afghanistan verurteilt. Glenton, der wohl der erste britische Soldat ist, der offen die Politik der Regierung ablehnt, muss mit einem Militärstrafverfahren wegen Desertion rechnen, da er sich weigert, an die Front zurückzukehren.

In seinem an Gordon Brown gerichteten Brief schreibt Glenton, der aus Yorkshire kommt und verheiratet ist, dass die britischen Soldaten zu einem Werkzeug der US-Außenpolitik geworden sind. "Ich glaube, dass hier skrupellos stolze Männer und Frauen übers Ohr gehauen werden und dies unermessliches Leid herbeigeführt hat, nicht nur bei den Familien der britischen Soldaten, die getötet und verletzt wurden, sondern auch bei den ehrenhaften Menschen in Afghanistan." Er ergänzte, dass die Afghanen viele ähnliche Eigenschaften wie britische Soldaten haben, wie "Zähigkeit, Humor, vollkommene Entschlossenheit und den Widerwillen, zurückzuweichen. Gerade wegen dieser Qualitäten auf beiden Seiten fürchte ich, dass es zu einer Zerrüttung des Staates kommt. Das wird nur zu mehr Leid in beiden Gesellschaften führen."

Glenton, der seit fünf Jahren Soldat ist, ging 2006 zum ersten Mal nach Afghanistan. Er sagt, dass er sagen muss, was er gesehen hat. "Ich möchte, dass mein Gefühl als Soldat bekannt wird. Ich möchte, dass die Regierung unser Wohlergehen und das der Afghanen berücksichtigt. Es gibt Dinge, die angesprochen werden müssen; dass Menschen leiden, kann und sollte nicht erlaubt werden.“

Seine Frau Clare, die er im Mai diesen Jahres heiratete, sagte, dass ihm die Entscheidung, nicht nach Afghanistan zurückzukehren, sehr schwer gefallen sei. "Joe hat sich damit herumgeschlagen, seit ich ihn kenne. Ganz bestimmt macht er sich am meisten Sorgen um die anderen Jungs, mit denen er Dienst leistet. Manchmal war es sehr schwer für ihn, er war nicht mehr er selbst. Die Tatsache, dass er mutig genug ist, das zu tun, schweißt uns noch enger zusammen."

Chris Nineham von der Stop the War Coalition (Koalition Stoppt den Krieg) sagte, dass dies ein "sehr bedeutsamer Moment" in der Kampagne gegen den Afghanistankonflikt sei. "Es ist keine Frage: Es gibt viel Unzufriedenheit bei den Soldaten über die Beteiligung Großbritanniens in Afghanistan. Der Obergefreite Glenton ist der erste, der dies ausspricht."

Erste Anhörung vor Gericht
(5. August 2009) In Kampfuniform erschien Glenton vor dem Richter des Militärgerichtes im Camp Bulford in der Nähe von Salisbury in Wiltshire für eine Voranhörung. Glenton bestätigte nur seinen Namen, seine Dienstnummer und seinen Rang. Sein Anwalt, Hugh O'Donoghue, merkte an, dass der 27-Jährige, der sich der Stop the War Coalition angeschlossen hat, die Anklage Desertion vor dem Militärgericht zurückweisen werde. Er würde vielmehr einen Gutachter zu internationalem Recht beauftragen, der gegen die Legalität der Operationen in Afghanistan argumentieren werde. O'Donoghue ergänzte, dass er auch Einsicht in die medizinischen Unterlagen von Glenton beantragen werde.

Der aus York stammende Glenton ging 2004 zur Armee, verließ aber 2007 unerlaubt die Armee, nachdem er mit einer Versorgungseinheit in Afghanistan gewesen war. Er stellte sich nach zwei Jahren und sechs Tagen Abwesenheit, in denen er durch Südostasien und Australien gereist ist.

Militärstaatsanwältin Gemma Sayer erklärte in der Voranhörung, dass Glenton zusätzlich angeklagt werden könnte, gab aber keine Details preis. Ein Verhör durch die Militärpolizei würde noch am gleichen Nachmittag durchgeführt werden. Sie ergänzte, dass keine Vereinbarung über eine niedrigere Anklage akzeptiert werden würde, wie z.B. wegen unerlaubter Abwesenheit. Andere Angehörige seiner Einheit, die gegenwärtig in Afghanistan und Kuwait stationiert seien, würden als Zeugen geladen werden. Bei einer Verurteilung muss Glenton mit bis zu zwei Jahren Haft rechnen.

Nach der 20-minütigen Voranhörung verließ Glenton den Raum ohne weiteren Kommentar und kehrte zu einer Kaserne in Oxfordshire zurück. Aus dem Verteidigungsministerium verlautete, dass Glenton unter dem Kommando seines Vorgesetzten stehe. Das sei "business as usual", zumindest bis zum Militärstrafverfahren.

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