Medien

Bundeswehr-Bilder an der Heimatfront

von Michael Schulze von Glaßer

Filmproduktionen, die aktuelle Bundeswehr-Einsätze thematisieren, kommen nur schwerlich ohne die Unterstützung der Bundeswehr aus. Das deutsche Militär fördert aber nur größere Film-Projekte, die ihr für das eigene Interesse als sinnvoll erscheinen.

Egal ob in Büchern, Videospielen oder Filmen: Seit die Bundeswehr in immer mehr Auslandseinsätze zieht, wird sie auch in Unterhaltungsmedien zunehmend thematisiert. So auch im Sommer 2013 im Doku-Drama „Eine mörderische Entscheidung“ des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Darin wurde ein als „Kunduz-Massaker“ bekannter, vom Bundeswehr-Oberst Klein am 4. September 2009 befohlener Luftangriff auf zwei Tanklaster nahe der afghanischen Stadt Kunduz thematisiert. Bei dem Angriff wurden etwa 140 Menschen, darunter zahlreiche ZivilistInnen und auch Kinder getötet oder verletzt. Einen solchen Film ohne Unterstützung der Bundeswehr zu produzieren ist nicht einfach: Wie kommt man an Militär-Fahrzeuge, die durch das Bild fahren? Wie ahmen die SchauspielerInnen das Verhalten von SoldatInnen im Einsatz richtig nach? Um solche Fragen zu klären, greifen viele Film-ProduzentInnen auf Unterstützung durch die Bundeswehr zurück.

Im Jahr 2011 hat die deutsche Armee dadurch 127 Film- und Fernsehproduktionen unterstützt. Oft waren es nur fachliche Beratungen und Drehgenehmigungen, die von der Bundeswehr etwa für Dokumentationen oder Nachrichten-Sendungen erteilt wurden. In der Vergangenheit gab es aber auch schon ganz andere Film-Unterstützungen durch die Bundeswehr.

Bundeswehr-freundliche Filme
Im November 2007 lief der von der Bundeswehr unterstützte Film „Mörderischer Frieden – Snipers Valley“ des deutschen Regisseurs Rudolf Schweiger bundesweit in den Kinos an. Da die Bundeswehr den Film laut einer kleinen Bundestagsanfrage „als förderlich für die Darstellung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit bewertet“, gab es umfangreiche staatliche Unterstützung. Neben einer militärfachlichen Beratung wurden Regisseur Schweiger zwei Recherchereisen in den Kosovo gewährt, wo er auf Routineflüge der deutschen Armee mitgenommen wurde. Außerdem stellte die Bundeswehr für den Film Rad- und Kettenfahrzeuge zur Verfügung, die auch in „Mörderischer Frieden“ zu sehen sind. In dem Film retten deutsche Soldaten bei einem Angriff auf einen Checkpoint eine junge Serbin. Es folgt eine Liebesbeziehung und die Jagd nach den Drahtziehern des Angriffs.

Auch der Spielfilm „Willkommen zuhause“ wurde von der Bundeswehr unterstützt. In dem 2009 in der ARD ausgestrahlten Film geht es um einen deutschen Soldaten, der nach seinem Afghanistan-Einsatz an einer „Posttraumatische Belastungsstörung“ (PTBS) leidet. Dabei verfolgte auch dieser Film ein klar politisches Ziel: „Intensiv und realistisch thematisiert das Drama die Überforderung eines jungen Soldaten, dessen Psyche mit den Erlebnissen im Krisengebiet nicht fertig wird. Und die Überforderung seiner heimatlichen Umgebung, die in ihrer friedlichen Alltäglichkeit nicht damit rechnet, sich mit Kriegsfolgen auseinandersetzen zu müssen. Der Ort Deidesheim [in dem der Film spielt] wird damit zu einem Spiegel der bundesdeutschen Gesellschaft, die Strategien für die Integration von traumatisierten Soldaten entwickeln muss“, heißt es in der Pressemappe der öffentlich-rechtlichen-Filmproduktion. In den Tagen nach der Ausstrahlung wurde PTBS bundesweit in den Medien thematisiert. Militärorganisationen wie der „Deutsche Bundeswehrverband“ trieben die Debatte durch Pressemitteilungen und einem Forderungskatalog weiter voran. Kurz darauf beschloss der Bundestag die Einrichtung eines Zentrums zur Behandlung der psychischen Erkrankung für Soldaten – die Kampagne hatte Erfolg.

Zu kritisch, keine Unterstützung
Auf eine Kleine Anfrage im Bundestag, welches Ziel die Bundeswehr mit der Unterstützung von Filmproduktionen verfolge, antwortete die Bundesregierung 2009: „Medienvorhaben Dritter werden durch das BMVg [Bundesministerium der Verteidigung] und die Bundeswehr unterstützt, sofern das Projekt geeignet erscheint, einer breiten Öffentlichkeit objektive Informationen über die Bundeswehr zu vermitteln und das öffentliche Ansehen oder die Akzeptanz ihres Auftrages zu fördern. Dienstliche Belange dürfen den Unterstützungsleistungen nicht entgegenstehen.“ Der Verdacht, mit der Filmunterstützung werde versucht, die Öffentlichkeit zu beeinflussen und für die Bundeswehr zu werben, wird vehement bestritten: „Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die öffentliche Meinung durch die Unterstützung von Filmprojekten zu beeinflussen.“

De facto bekommen allerdings nur der Armee-gewogene Filmproduktionen Unterstützung – wie etwa das Beispiel des 2010 veröffentlichten Dokumentarfilm „Der Tag des Spatzen“ von Philip Scheffner zeigt. Im Film geht es um die Sichtbarkeit der deutschen Beteiligung an Kriegen wie etwa in Afghanistan und die Kritik an den Auslandseinsätzen. Trotz monatelangem Kontakt und einem Treffen im Verteidigungsministerium in Bonn wollte die Bundeswehr dem kritischen Regisseur weder Interviews mit Militärangehörigen noch Dreherlaubnisse für Militärübungsplätze genehmigen: „Es wurde uns deutlich gemacht, dass die Bundeswehr nicht in unserem Film auftauchen wollte, wenn es um ihr eigenes Selbstverständnis und ihre eigene Arbeit ging“, erklärt Philip Scheffner die ablehnende Haltung der Militärs. Nicht einmal an einem öffentlichen „Tag der offenen Tür“ durfte der Dokumentarfilmer drehen: „Die Ablehnung kam von der übergeordneten, politisch denkenden Stelle“, so Scheffner.

Auch für den öffentlich-rechtlichen „Kunduz“-Film „Eine mörderische Entscheidung“ gab es keine Unterstützung durch die Bundeswehr. Selbst für eine Stellungnahme war Bundeswehr-Oberst Georg Klein, der die „mörderische Entscheidung“ in Kunduz zu verantworten hat und trotzdem von der Armee zum Brigadegeneral befördert wurde, laut dem NDR nicht bereit. Das Militär verweigerte für die Filmproduktion jegliche Zusammenarbeit.

Bei der Unterstützung von Medien-Produktionen scheinen sich Bundeswehr und Verteidigungsministerium vor allem an ihren US-Pendants zu orientieren. Auch das US-Militär hilft nur bei Filmproduktionen, die ihr wohlgesonnen sind. Dazu lässt das US-Verteidigungsministerium auch schon mal Drehbücher umschreiben. Ein eigenes Büro in Hollywood kümmert sich mittlerweile um Anfragen von Filmproduzenten. Dabei kann heute kaum ein großes Filmprojekt, das aktuelle Militär-Einsätze thematisieren will, auf die Unterstützung des realen Militärs verzichten. Doch die Kooperation mit dem Militär geht mit Zensur einher. Militärkritische Filmproduktionen bekommen keine Unterstützung.

Forderung nach Transparenz
Die Bundeswehr ist sich der Wirkung bewegter Bilder bewusst und nutzt sie, um die eigenen Interessen – vor allem um Nachwuchs zu gewinnen und Zustimmung in der eigenen Bevölkerung zu erlangen – zu vertreten. Es überrascht zwar nur wenig, dass solch eine ausgewählte Filmförderung existiert, zwingt aber dazu, sich näher mit dem Thema zu befassen.

Der Ruf nach Transparenz muss daher lauter werden: zum einen, um sich überhaupt intensiver mit der Medienarbeit der Bundeswehr auseinandersetzen zu können, zum anderen aber auch, um die Bevölkerung über die einseitige Darstellung des Militärs in den Medien aufzuklären. In diesem Sinne fordert etwa der Düsseldorfer Publizist Peter Bürger in seinem 2006 mit dem Bertha-von-Suttner-Preis ausgezeichneten Buch „Kino der Angst – Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood“ eine Kennzeichnungspflicht für Unterhaltungsprodukte, bei denen das Militär mitgewirkt hat. Dies „müsste im Sinne eines demokratischen Verbraucherschutzes als Selbstverständlichkeit gelten“.

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