UNO-Flüchtlingskommissar begrüßt Städteinitiative zur Aufnahme von Deserteuren

Dem Krieg entkommen

von Wolfgang Menzel
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Der Vertreter des UNO Flüchtlingskommissariates (UNHCR) in Ungarn, Stephan Berglundt, hat die Bereitschaft deutscher Städte, Deserteure aufzunehmen, ausdrücklich begrüßt. Dies äußerte Berglundt am 19. Juli gegenüber Mitgliedern der Rostocker Städteinitiative. Die Delegation der Stadt Rostock hielt sich vom 17.-20. Juli 2000 in Ungarn auf, um sich über die Situation der jugoslawischen Deserteure zu informieren. Der Bericht der Rostocker Delegation ist jetzt veröffentlicht worden und liegt der DFG-VK Freiburg vor.

Die Hansestadt Rostock will ebenso wie Freiburg im Breisgau (und Bonn, d.Red.) Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern Schutz und Unterstützung gewähren. In Münster ist ein solcher Gemeinderatsbeschluss im vergangenen Herbst mit der Aufnahme von zwei jugoslawischen Deserteuren umgesetzt worden. Der UNO-Flüchtlingskommissar lobte den wichtigen Beitrag, den diese Initiativen leisteten, um die besondere Situation der Deserteure bekannt zu machen. Zugleich gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass ihnen schlussendlich der Flüchtlingsstatus in Europa erteilt werde.

Das UNHCR betrachtet die Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Jugoslawien als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, weil die NATO während des Krieges die Männer in Jugoslawien durch Flugblätter und Radiodurchsagen zum Verlassen der Armee aufgefordert hat. Doch wird diese Auffassung bisher von keinem einzigen NATO-Land geteilt. Wer sich illegal dem Militärdienst entzieht, gilt immer noch als Krimineller. Auch Ungarn erkennt die jugoslawischen Deserteure nicht als Flüchtlinge an und verweigert ihnen einen Rechtsstatus. Sie erhalten lediglich eine auf ein Jahr befristete Duldung. Berglundt schätzt die Zahl der in Ungarn befindlichen jugoslawischen Deserteure auf 500 bis 1500. Genaue Zahlen gebe es nicht. Auch kann der UNO-Flüchtlingskommissar nicht bestätigen, dass der Abschiebestopp eingehalten wird. Jährlich 500.000 US-Dollar gibt der UNHCR für die Flüchtlingslager, deren Insassen außer dem Essen und minimaler ärztlicher Versorgung pro Monat 20 D-Mark Taschengeld erhalten. Für Kinder bis zum 14. Lebensjahr gibt es keine finanzielle Zuwendung.
 

Ungefähr 50 Personen sind jugoslawische Deserteure mit ihren Familien. Einer von ihnen ist Dragan D. Er war ursprünglich für eine Aufnahme in der Stadt Freiburg im Breisgau vorgeschlagen worden und hatte bei der Deutschen Botschaft einen entsprechenden Visumsantrag gestellt. Der Antrag wurde zunächst abgelehnt. Dragan D. lebt im Lager in einem 4-Bett-Zimmer, dessen Einrichtung aus einem Bett und einem Stuhl pro Person besteht. Er leidet unter starken Depressionen und sagt, er könne die ausweglose Situation im Lager nicht mehr ertragen.

Doch vielleicht besteht noch Hoffnung für Dragan und seine Leidensgenossen. In der Visa-Abteilung der Deutschen Botschaft sei man sich erst durch die Anfragen der Städteinitiativen des Problems der Deserteure bewusst geworden und werde einen Situationsbericht an das deutsche Außenministerium schicken, heißt es. Auch in der deutschen Öffentlichkeit wird die verzweifelte Lage der Kosovo-Kriegsdeserteure allmählich bekannt. Das Fernsehmagazin Monitor strahlte bereits vor einigen Wochen einen Beitrag zum Thema aus, die Wochenzeitung "Die Zeit" widmete den von der NATO im Stich Gelassenen eine Reportage und am 3. August beschrieb die Südddeutsche Zeitung auf der Seite Drei "Wie es den Serben ergeht, die vor einem Jahr nicht für Milosevic morden wollten und ins Nato-Land Ungarn flohen". Die deutsche Botschaft in Budapest hat Dragan D. jetzt erneut vorgeladen - zu einer Anhörung wegen seines Visumantrags.

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