Der Antikriegstag 2007: Für eine Wende in Afghanistan

von Mathias Maas
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Am 1. September wird in Deutschland alljährlich der Antikriegstag veranstaltet. Die zahlreichen Aktionen fanden dieses Jahr vor dem Hintergrund der Mandatsverlängerung der Bundeswehreinsätze in Afghanistan statt. Es wurde daher u. a. für den Abzug des deutschen Kontingents und den Ausbau des zivilen Engagements geworben.

Über 180 Antikriegstag-Veranstaltungen in Deutschland erinnerten an den Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 und an das Leid und Grauen dieses Krieges. Mit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wurden später die Weichen für eine friedliche deutsche Außenpolitik gestellt. Die normative Struktur des politischen Systems der BRD war in der Abkehr von seiner Vergangenheit von dem Ideal durchdrungen, dass von Deutschland kein Krieg mehr ausgehen sollte. Der Krieg als legitimes Mittel der Außenpolitik sollte geächtet und damit aus dem staatlich Instrumentarium verbannt werden. Nach dem moralischen Zusammenbruch der Deutschen in Folge ihrer Taten, implementierten sich diese Ideale über einen längeren Zeitraum weitestgehend im kollektiven Bewusstsein Deutschlands. Bis über die Wiedervereinigung hinaus galt die BRD als "Zivilmacht", die Gewalt oder die Androhung solcher nur begrenzt einsetzte, eben nur zur Verteidigung seiner Verbündeten oder seiner selbst.

Nach dem Zusammenbruch der Bedrohung aus dem Osten hat sich jedoch ein gravierender Normenwandel vollzogen, der zur partiellen Re-Militarisierung der deutschen Außenpolitik beitrug. "Nie wieder Krieg" wurde abgelöst von "Nie wieder Auschwitz". Dieser neue Humanismus der deutschen Außenpolitik bewies 1999 auf dem Balkan, wie militärische Gewalt auf diesem Wege als Mittel des Konfliktmanagements legitimiert werden kann. Heute ist Deutschland im Rahmen von elf Auslandseinsätzen in zahlreichen Ländern mit Soldaten vertreten, darunter in Afghanistan.

Die Bundeswehr ist seit 2001 an der "Befriedung" des Landes beteiligt, allerdings im Rahmen unterschiedlicher Einsätze und Mandate. Ca. 3.000 Soldaten sind in der International Security Assistance Force (ISAF) vertreten, einer sog. friedenserzwingenden Mission mit UN-Mandat. Darüber hinaus kämpfte Deutschland zumindest anfangs auch innerhalb der Operation Enduring Freedom (OEF) mit 100 KSK-Soldaten gegen Taliban und Al-Qaida. Letztere Mission operiert offiziell unabhängig von ISAF, hat kein UN-Mandat und führt in besonderem Maße den Kampfeinsatz im Süden und Osten des Landes. Eine Verquickung beider Einsätze erschwert jedoch auch den Einsatz der ISAF-Truppen, da kaum zwischen beiden unterschieden werden kann und somit sämtliche ausländischen Soldaten als Aggressoren wahrgenommen werden, auch die, die sich am Wiederaufbau des Landes beteiligen. Die Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen zur Unterstützung des Kampfes gegen die Taliban trägt weiter zur Delegitimierung des deutschen Einsatzes bei. Das erklärt nicht zuletzt die verstärkten Angriffe gegen deutsche Soldaten in den vermeintlich sicheren Teilen des Landes.

Zudem hat sich die derzeitige Afghanistanstrategie als ineffektiv erwiesen. Weder konnten die sozio-ökonomischen Bedingungen des Landes verbessert (der Mohnanbau nahm in den letzten Jahren exponentiell zu, das Land gilt noch immer als eines der ärmsten Länder der Welt), noch die erstrebte Sicherheit für den jungen Staat oder seine Bewohner erreicht werden. Die "Kollateralschäden" als Folge des Kampfes gegen den Terror verhindern vielmehr einen Sieg im Kampf um die "hearts and minds" der Bevölkerung. Korruption, Misswirtschaft und die Beteiligung von zwielichtigen Warlords an der Regierung Karsai destabilisieren das politische System zusätzlich.

Das Ungleichgewicht innerhalb der zivil-militärischen Aufbaustrategie offenbart zudem das Unverständnis hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Entwicklung und Sicherheit. Ohne das eine ist das andere nicht zu erreichen. Jedoch stehen die militärischen und entwicklungspolitischen Ausgaben in keinerlei Verhältnis. 2006 waren OEF und ISAF zusammen mit 839,79 Mio. Euro (Quelle: IMI) veranschlagt. Dagegen ließ sich die Bundesregierung die Entwicklungshilfe für Afghanistan seit 2002 jährlich bloß 12 Mio. Euro kosten (Quelle: BMZ).

Der Antikriegstag 2007 wendet sich daher gegen den deutschen "humanitären Militarismus" und erkennt das Scheitern der bisherigen Aufbau- und Stabilisierungsstrategie in Afghanistan an. Die zeitliche Nähe zum Bundestagsentscheid über die Mandatsverlängerung der drei laufenden militärischen Einsätze bis zum 21. September, verleiht dem Mahn- und Gedenktag in diesem Sinne weitere Bedeutung. Die Teilnehmer und Organisatoren des Antikriegstages fordern ein Ende des militärischen Engagements in Afghanistan (und anderswo) und einen Strategiewechsel innerhalb der Afghanistanpolitik, die sich künftig vor allem auf den zivilen Wiederaufbau stützen soll.

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