War Resisters‘ International

Der weltweite Widerstand gegen den Waffenhandel

von Stephan Brües

Seoul, Women's Plaza. Ein sechsstöckiges Gebäude mit Seminarräumen, Übernachtungsmöglichkeiten und den Büros einiger Frauenorganisationen. Hier findet ein Internationales Seminar über War Profiteers (also Kriegsgewinnler) statt. Es wird organisiert von World without War Südkorea, den Women Peacemakers und den internationalen War Resisters‘ International.

Das zweitägige Seminar ist strukturiert über die Fragen „Was ist War Profiteering?“, „Was kann gegen den Waffenhandel getan werden?“, „Waffenhandel und Konflikte in Asien“ und schließlich „Erfolge feiern“. Es mündet in ein Training und die Durchführung einer gewaltfreien Aktion anlässlich des Empfangs zur Eröffnung der Waffenmesse ADEX in Seoul.

Was ist War Profiteering?
Für Jordi Calvo Rufanges (Professor für Konfliktanalyse und Kriegsökonomie an verschiedenen Universitäten in Barcelona sowie am Friedensforschungsinstitut Centro Delàs) ist War Profiteering verknüpft mit einem Kriegswirtschaftszyklus, der auf einer neoliberalen Logik des freien Marktes, der Privatisierung und einer geringen Regulierung beruht. Sein Antrieb sei die Gier der Rüstungsindustrie und der unterstützenden Finanzdienstleister nach einem maximalen Gewinn. Dabei gehe es nicht nur um Waffen, sondern auch um Logistik, Transportwesen und Versorgung der Armeen, um Reinigung und ÜbersetzerInnen sowie um private Sicherheitsdienste. Die Kriegswirtschaft werde von dem Kampf um Ressourcen wie Öl, Coltan oder Diamanten angeheizt. Politisch legitimiert werde sie durch die Ideologie, dass ein Staat ohne eine militärische Verteidigung durch Armeen nicht existieren könne. Daraus ergibt sich konsequenterweise, dass – so Calvo – der Einstieg in den Kreislauf der Kriegswirtschaft der Militärhaushalt eines Staates ist. 2014 wurden weltweit 1,77 Billionen Dollar für Rüstung und Militär ausgegeben. Durch diesen sowie manch andere Haushaltsposten anderer Ministerien, etwa Forschung, generieren die Rüstungsfirmen ihre Einkünfte. Hinzu kommen die staatlichen Bürgschaften für Waffenexporte. Letztere werden auch häufig über Kredite von Finanzinstituten unterstützt. Das bedeutet, dass Banken und Finanzdienstleister, die zudem Aktien der Rüstungsfirmen besitzen oder in diese investieren, ein weiteres Rädchen im Getriebe der Kriegswirtschaft sind. Die Beschaffung von Waffen ist häufig mit Korruption verbunden.

Andrew Feinstein, Autor von „Schattenwirtschaft“, zitierte eine Studie der US-Handelskammer über Korruption in US-Unternehmen, die festgestellt hat, dass mehr als die Hälfte aller derartigen Fälle im Bereich der Rüstungsindustrie aufgetreten sei. Die Schmiergeldzahlungen von Rheinmetall an einen griechischen Verteidigungsminister (der inzwischen verurteilt wurde) sind aus deutscher Sicht die bekanntesten, weniger bekannt ist, dass Ferrostaal insgesamt 1,6 Milliarden Dollar an Schmiergeldern in 16 Ländern verteilte, darunter 42 Millionen an einen Waffenmakler aus Südkorea.

War Profiteering besitze zudem – so Jasmin Nario-Galace, Friedenserzieherin aus den Philippinen -  eine zutiefst machistische und frauenfeindliche Kultur. Krieg ist ein männlich besetztes Territorium. Frauen werden darin vielfach als zweitrangig angesehen oder gar als Kriegsobjekt oder -trophäe (im wahren wie im übertragenen Sinne) missbraucht. Die gezielte Gewalt gegen Frauen, wie sie in vielen Teilen der Welt beobachtbar ist, führt zu einer großen Unsicherheit und permanenten Angst der Frauen. Oder aber die Frauen führen den Gewaltzyklus dadurch weiter, dass sie sich selbst genötigt sehen, zu Waffen greifen, um sich verteidigen zu können. Nario-Galace endete jedoch nicht mit dieser verzweifelten Situation, sondern zeigte auf, wie Frauen den Herausforderungen der Kriegskultur begegnen.

Was kann gegen Waffenhandel und Kriegskultur getan werden?
Am wichtigsten ist es, aufzuzeigen, dass Waffen keine Sicherheit bringen, sondern Unsicherheit produzieren. Wäre es anders, so könnten weniger Waffenkäufe getätigt werden, was den Interessen der Waffenindustrie aber widerspricht. Gerade Frauen auf den Philippinen sind – so Nario-Galace – führend in der Bewegung gegen Waffenhandel und Kriegskultur aktiv. Sie lehren Gewaltfreiheit, streiten für ein robustes Waffenhandelsabkommen (ATT), treten für Dialoge bei bewaffneten Konflikten ein und beobachten Waffenstillstände und Friedensverträge, um nur einige Beispiele zu nennen.

Ein weiterer Anknüpfungspunkt für Widerstandsaktionen sind Waffenmessen. Tara Tabassi berichtete über die Waffenmesse Urban Shield, in der es um die Bewaffnung von Polizei geht. Die War Resisters‘ League hat im Verbund mit anderen Gruppen in Kalifornien geschafft, dass das Marriott-Hotel die Aussteller der Waffenmesse nicht mehr beherbergt. Nun wird die nächste Hotelkette, die eingesprungen ist, entsprechend 'bearbeitet'. Auch die britische Kampagne gegen Waffenhandel protestiert regelmäßig gegen die Waffenmesse DSEI in London, die holländische Schwesterorganisation nimmt an der Aktionsversammlung von EADS in Amsterdam teil und spricht über die Rüstungsgeschäfte des Unternehmens. In Deutschland wurden jüngst Unternehmen wie Heckler & Koch oder Sig Sauer wegen illegaler Rüstungsexporte angezeigt. Sig Sauer wurde inzwischen der Export von Pistolen untersagt. Der Wachstumsmarkt der Zukunft ist jedoch Asien, wo die Rüstungsausgaben steigen und damit die Militarisierung der Region.

Waffenhandel und Konflikte in Asien
Laut Andrew Feinstein stiegen die Rüstungsausgaben in Asien und Ozeanien zwischen 2005 und 2014 um 62 % und erreichten 439 Milliarden Dollar. China hat dabei weltweit den zweitgrößten Militärhaushalt, Japan den neuntgrößten und Südkorea den zehntgrößten. Südkorea hat seine Rüstungsexporte von 144 Millionen Dollar im Jahr 2002 auf 3,6 Milliarden Dollar 2014 gesteigert, darunter in den Irak, Indonesien, Türkei und Aserbeidschan oder auch in manche arabische Länder.

Einen Rüstungswettlauf in Ostasien konstatierte Wook-sik Cheong vom Friedensnetzwerk in Südkorea. Angesichts der geopolitischen Konflikte, sei es um Nordkorea oder um die Spratley-Inseln im Südchinesischen Meer, den Konflikten um Taiwan oder die Senkaku/Diaoyu-Inseln zwischen Japan und Volksrepublik China, ist dieser Wettlauf und der in der Region zunehmende Nationalismus der Staaten höchst gefährlich. Für Südkorea ist der Bau des Marinestützpunkts auf Jeju, einer Insel im Südwesten der koreanischen Halbinsel, Teil der Militarisierung. Südkorea ist dabei uneingeschränkter Verbündeter der USA, die die bald fertig gestellte riesige Basis auch für ihre geopolitischen Interessen nutzen wird. Der Widerstand gegen die Marinebasis ist breit und inzwischen international vernetzt. Seit Beginn wurden 718 Personen inhaftiert, 22 internationale AktivistInnen ausgewiesen und 400.000 Dollar Geldstrafen wegen gewaltfreier Aktionen und Blockaden ausgesprochen. Wie die Aktivistin Bokhee berichtete, finden eine tägliche Mahnwache, wöchentliche buddhistische Gebete und katholische Gottesdienste vor dem Tor des Marinestützpunktes statt sowie Blockadeaktionen, Menschenketten, Kunstaktionen und Kanufahrten zur Rettung der See, die durch die Bauarbeiten bereits massiv geschädigt worden ist. Eines der zwei Bauunternehmen ist übrigens Samsung.

Erfolge feiern
Von einer überaus erfolgreichen Kampagne von Bahrain Watch aus Großbritannien konnte Sarah Shebabi berichten. Sie konnte den Export von einer Millionen Kartuschen Tränengas aus Südkorea nach Bahrain verhindern. Diese wären dort möglicherweise bei der Niederschlagung von Demonstrationen verwendet worden. Eine professionelle Website mit gut recherchierten und verständlichen Informationen wurde verknüpft mit einer Aktionsmöglichkeit, bei der e-mails an die südkoreanischen MinisterInnen versandt werden konnte. Innerhalb weniger Monate erhielt die südkoreanische Regierung 100.000 Emails, was sie schließlich veranlasste, die Verschiffung des Tränengases zu stoppen.

ADEX
Für die südkoreanischen OrganisatorInnen des Seminars war die Waffenmesse ADEX (Aircraft and Defense Exposition) der Anlass für die internationale Zusammenkunft. Nachdem die Teilnehmenden so viele Informationen zum Waffenhandel weltweit und auch Koreas erhalten hatten, wurde schließlich auch eine zweigeteilte Aktion geplant und ausgeführt, die den offiziellen Empfang der Aussteller der ADEX kritisch begleitete. Während etwa 70 nationale und internationale Aktivisten die zum Hotel Marriott fahrenden Busse und Limousinen mit Transparenten, „Stop ADEX“ oder „Arms Dealers are not welcome“ begrüßten, gingen fünf AktivistInnen sowie einige FotografInnen in das Hotel, um auf der Etage des Empfangs zu protestieren. Nach fünf Minuten des Entrollens von Transparenten, dem Ausrufen des „Stop Adex“-Slogans sowie dem Hinterlassen von blutigen Dollars wurden die drei koreanischen Aktivistinnen und die AktivistInnen aus West Papua und Deutschland aus dem Hotel gewiesen. In den folgenden Tagen besuchten weitere Aktive die an einem Stadtflughafen von Seoul stattfindende Waffenmesse und führten kleinere Protestaktionen durch, etwa mit einem T-Shirt, auf dem „Arms Dealers“ mit einem Pfeil nach rechts gedruckt war.

Fazit
Der Waffenhandel lebt weiterhin gut dank des häufig im Geheimen ablaufenden Zusammenspiels der Rüstungsindustrie und ihrer Lobby, der Politik und den Banken. Der Kreislauf der Kriegswirtschaft ist schwer zu durchbrechen. Die Ideologie, dass Gewalt nur durch Gewaltmittel zu bekämpfen ist, regt zuverlässig den Kreislauf des Todes an. Es muss klar gemacht werden, dass dieser Handel nicht der Sicherheit der Menschen dient, sondern nur dem Profit weniger. Einer der wichtigsten Ansatzpunkte sind die Rüstungshaushalte, da diese die hauptsächliche  Einnahmequelle der Waffenproduzenten sind. Versiegt diese Quelle, so bleibt den Unternehmen nur die Konversion auf zivile Güter. Aber der Weg dorthin ist weit.

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Friedensbewegung international
Stephan Brües ist freier Journalist und Co-Vorsitzender des Bund für Soziale Verteidigung.