Frieden braucht Bewegung

Die Friedensbewegung der 1980er Jahre im Friedensmuseum Nürnberg

von Birgitta Meier

"Frieden braucht Bewegung" - das Motto der Hasselbach-Mobilisierung 1985 drückt vielleicht am besten das Zeitgefühl der Friedensbewegung jener Jahre aus. Und genau so heißt auch die ganze Ausstellung, die die Zeit von 1979 bis 1991 (zweiter Golfkrieg) umfasst.

Die Ausstellung ist nicht "fertig"! Was an der Wand hängt, was einsehbar ist im Begleitband und auf den Videoschirmen oder hörbar als Zeitzeugeninterview in den Hörstationen: All das möchte Anregung geben und Andockstelle sein für weitere Dokumente, Erfahrungsberichte, Recherchen. Auch die LeserInnen des Friedensforums haben vielleicht noch Berichte, Tagebücher, Fotos, die das Bild jener bewegten Zeit vervollständigen helfen.

Manchmal hilft auch ein Blick in die Chronik, um die eigene Erinnerung aufzufrischen. Wir haben sie deshalb auf unserer Website ins Netz gestellt und hoffen auf Verwendung und Ergänzung. Die Friedensbewegung der 80er veränderte sich im Laufe des Jahrzehnts, das sich so gliedern lässt:

1980 – 1983: Die Raketen kommen, "Minimalkonsens"

1984 – 1987: Friedensbewegung differenziert sich aus und siegt schließlich

1988 – 1991: Blockauflösung, Friedensbewegung sucht neue Rolle

Doch die umfängliche, dreigliedrige Chronik ist keineswegs der Schwerpunkt einer Ausstellung, die sich gerade auch an junge Menschen wendet: Im Mittelpunkt stehen die Aktionsformen, die damals (weiter-)entwickelt wurden und seitdem zum selbstverständlichen "Handwerkszeug" der Protestbewegung zählen. Deshalb finden sich unter "gewaltfreie Blockaden" nicht nur Bilder aus Mutlangen, sondern auch von X-tausendmal quer. Beim Thema Menschenkette wird die berühmte Kette von 1983 mit der französischen Anti-Atom-Menschenkette im Rhonetal (2012) ergänzt. Weil Nachgeborene oft wenig über die Entstehung dieser Aktionsformen wissen, erläutern (bewegungs-)prominente Zeitgenossen sie in den Hörbildern.

Im physischen Mittelpunkt der Ausstellung steht ein historischer "Infotisch" mit Büchern, Zeitschriften, Buttons (und Spendendose!) aus jener Zeit. Wer will kann auch den Krefelder Appell (Original!) unterschreiben. Irgendwie, so unser Eindruck, wurden Bücher damals mehr nachgefragt ... interessant sind sie noch heute.

"Frieden braucht Bewegung" ist die bisher umfänglichste Ausstellung, die das Friedensmuseum Nürnberg erarbeitet hat. Die Ausstellungen zur Friedensbewegung der 1950er und der 1960er waren für uns alle "Geschichte". Die 80er jedoch waren Teil des eigenen Lebens. Dadurch wuchs der Anspruch, auch wirklich alle Aspekte zu bedenken. Und was in Tübingen oder Bremen wichtig war, war es nicht unbedingt in Nürnberg und umgekehrt. Die Ausstellung hat jedoch einen bundesweiten Anspruch, deshalb genügte pure Zeitzeugenschaft nicht. Erfreulicherweise sind die 1980er Jahre gut in der Sekundärliteratur dokumentiert, gerade 2011/2012 erschienen wichtige Bücher, was auf ein neues Interesse hindeutet.

Die Friedensbewegung der 1980er hatte ein sehr spezielles Verhältnis zur Technik, wie es zum Teil bis heute fortwirkt. So blieb die Ausstellungs-Projektseite bei Facebook fast unbeachtet und führte nicht, wie erhofft, zum einfachen Einstellen von Beiträgen. Immerhin: Alle Ausstellungsteile, Texte wie Bilder und Mediendateien, reiften bis zum Schluss im Internet in einem Dropbox-Verzeichnis, auf das alle Teammitglieder Zugang hatten, sodass immer ein einheitlicher Stand herrschte. Für viele war das die erste Erfahrung mit Teamarbeit in der "Cloud".

Wenn wir schon ein "virtuelles" Team sind, warum nicht einen virtuellen Hauptredner für die Vernissage einladen? Der angekündigte berühmte Redner war: Heinrich Böll im Hofgarten (10.10.1981) - die Original-Tonaufnahme! In seiner Rede ist so alles drin, was uns damals bewegte! Die Anwesenden - alles BewegungsveteranInnen - waren gerührt.

Die Ausstellung eröffnete am 12. 12. 2012, auf den Tag genau 33 Jahre nach dem Nato-Nachrüstungsbeschluss (12.12.1979) - und 25 Jahre nach dem INF-Abkommen zur Verschrottung der Mittelstreckenraketen (8.12.1987). Der Tag wurde bewusst gewählt, denn ohne die Friedensbewegung hätte es das Abkommen nicht gegeben. Es darf also gefeiert werden! Und - das hoben die Teilnehmenden der Vernissage hervor - dieser Erfolg sollte Ansporn sein, die heute drohende absurde und absurd teure Modernisierung der verbliebenen Atomsprengköpfe in Büchel zu verhindern!

Die Ausstellung ist bis 24.Juli 2012 zu sehen. Näheres, auch zu anderen Ausstellungen, unter ww.friedensmuseum.odn.de

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Birgitta Meier engagiert sich im Friedensmuseum Nürnberg.